3. April 2019
Digitalsteuer OECD/G20
Steuerrecht

Update: Besteuerung der digitalen Wirtschaft – Fortschritte auf der Ebene der OECD/G20

Die Ideen zur Einführung und Ausgestaltung sog. Digitalsteuern im Wettbewerb der Steuerhoheiten verschiedener Länder gewinnen zunehmend an Konturen.

Die OECD und die G20 haben unter dem 23. Januar 2019 erste Lösungsvorschläge in Form einer „Policy Note″ für eine Besteuerung der digitalen Wirtschaft in Zeiten stets zunehmender Internationalisierung veröffentlicht.

Erste Vorschläge zur Besteuerung sog. Digitalunternehmen von OECD/G20

Auf die Inhalte haben sich die 127 beteiligten Staaten des „Inclusive Frameworks on BEPS [Base Erosion and Profit Shifting]″ verständigt, nachdem bereits im März 2018 ein – ohne konkrete Empfehlungen versehener – Zwischenbericht vorgelegt wurde.

Die aktuellen Lösungsvorschläge gehen zurück auf eine seit Jahren anhaltende Debatte um die Besteuerung sog. Digitalunternehmen, die weltweit ihre wirtschaftliche Aktivität entfalten, ohne in den jeweiligen Staaten eine physische Repräsentanz und einen damit möglicherweise verbundenen steuerlichen Anknüpfungspunkt (Betriebsstätte) im klassischen Sinne zu unterhalten. Infolgedessen unterliegen die entsprechenden Gewinne grundsätzlich allein dem Besteuerungsrecht des Sitzstaates des Unternehmens. Die steuerpolitischen Anfänge nahm die Debatte im Rahmen des BEPS-Projektes der OECD und den G20-Staaten (Aktionspunkt 1). Im Fokus waren hier vor allem US-Amerikanische Unternehmen, deren Dienstleistungen etwa in Form von Suchmaschinen oder Online-Netzwerken weltweit erheblichen Absatz finden.

Entwicklungen auf europäischer Ebene

Auf europäischer Ebene hatte die EU-Kommission zwischenzeitlich die Richtlinie COM (2018) 148 final zur Einführung einer Digitalsteuer („Digital Services Tax″) vorgeschlagen, mit der eine umfassende, umsatzabhängige Steuer i.H.v. 3% auf Umsätze aus digitalen Dienstleistungen begründet werden sollte. Nach erheblicher Kritik an dieser Lösung haben die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten am 4. Dezember 2018 im ECOFIN-Rat den entsprechenden Richtlinienvorschlag letztlich abgelehnt.

Die Digital Services Tax sollte indes ohnehin nur als kurzfristige Lösung dienen; als langfristige Lösung sieht ein zweiter EU-Richtlinienvorschlag COM (2018) 147 final die Einführung einer sog. signifikanten digitalen Präsenz vor, womit im Ergebnis der Betriebsstättenbegriff des jeweiligen nationalen Steuerrechts erweitert werden soll („Digital Permanent Establishment″).

Zweisäulenstrategie der OECD/G20

Auf der Ebene der OECD bringt die nunmehr im Januar 2019 veröffentlichte „Policy Note″ neue Bewegung in die steuerpolitische Debatte. Die Lösungsvorschläge sollen bis Juni 2019 den G20-Finanzministern vorgestellt worden. Inhaltlich sind die Vorschläge in eine „Zweisäulenstrategie″ eingebunden.

Allokation von „Besteuerungsrechten″ auf Markt- oder Nutzerstaaten

Kerngedanke der ersten Säule ist, die Besteuerungsrechte künftig auf die sog. Markt- oder Nutzerstaaten zu verteilen. Das sind diejenigen Staaten, in denen sich die Nutzer von digitalen Dienstleistungen bzw. deren Absatzmärkte befinden. Es soll also auf den Ort des Konsums abgestellt werden, der in der Digital Economy zugleich einen entscheidenden Bestandteil in der Wertschöpfungskette von Digitalunternehmen bildet. Denn die aktive Beteiligung der Nutzer digitaler Dienstleistungen (Social Media-Plattformen, Online-Suchmaschinen, Marketplaces) führt bei Digitalunternehmen zu einer entsprechenden Wertsteigerung. Um dies umzusetzen, müssten die derzeitigen Regelungen für die Gewinnzuweisung grundlegend geändert, namentlich für die Zuweisung von Besteuerungsrechten künftig auf die verschiedenen Aktivitäten der Nutzer abgestellt werden.

Ansatzpunkt hierfür wäre die Etablierung eines sog. Nexus in dem jeweiligen Staat, über den die erzielten Gewinne den Unternehmen zuzuordnen wäre. Diesbezüglich wird in der „Policy Note″ angekündigt, verschiedene Konzepte zu erwägen, u.a. auch das der „significant economic presence″ oder „significant digital presence″, welches bereits in den EU-Richtlinienvorschlag COM (2018) 147 final Eingang gefunden hat.

Betroffen wären dann auch Verrechnungspreisregelungen, was u.a. dazu führen könnte, dass von den bisherig bekannten Methodiken abgewichen und über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgegangen werden müsste. Zugleich würde damit das derzeit geltende Konzept der Betriebsstättenbesteuerung aufgegeben.

Schaffung eines Mindestbesteuerungsniveaus

Die zweite Säule der „Policy Note″ besteht darin, ein bestimmtes Mindestbesteuerungsniveau der Digitalunternehmen in den verschiedenen Staaten sicherzustellen. Dabei wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass eine vertiefte Analyse der Vorschläge und Interdependenzen insoweit unabdingbar ist.

Die zweite Säule tritt neben die erste und soll insbesondere eine Gewinnverlagerung durch unterschiedlich hohe Steuersätze in verschiedenen Steuerrechtsordnung unterbinden. Eine genauere Ausgestaltung ist in der Policy Note noch nicht vorgesehen. Diskutiert wird bspw. eine Ausweitung der häufig bereits bestehenden Hinzurechnungsbesteuerung in einer Form, die einer „Quellensteuer auf Outbound-Zahlungen″ gleichkäme. Daneben finden sich Überlegungen, die für den Inbound-Fall (Leistungen ins Inland) eine Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen ins Ausland vorsehen, soweit ein Mindestbesteuerungsniveau unterschritten wird.

In diesem Zusammenhang wird insbesondere darauf aufmerksam gemacht, dass von solchen Maßnahmen häufig auch kleinere Unternehmen betroffen sein könnten, die nicht im Fokus der steuerpolitischen Debatte um die Einführung sog. Digitalsteuern stehen und das mit der weiteren und vertieften Arbeit an der technischen Ausgestaltung ungewünschte „Kollateralschäden″ verhindert werden sollen. Die Policy Note stellt darüber hinaus u.a. klar, dass Neuregelungen weder zu einer Doppelbesteuerung führen noch Steuern ausgelöst werden sollen, denen kein wirtschaftlicher Ertrag gegenübersteht.

Weitere Entwicklung ist mit Spannung zu erwarten

Die OECD hat ferner ein ausführliches Hintergrundpapier zu der vorgenannten Zweisäulenstrategie im Vorfeld zu einer jüngst am 13. und 14. März 2019 in Paris durchgeführten öffentlichen Anhörung in Paris veröffentlicht. Derzeit ist die weitere Entwicklung noch nicht absehbar. Die beteiligten Staaten des Inclusive Frameworks on BEPS gehen jedenfalls davon aus, dass im Jahr 2020 konkrete Handlungsempfehlungen vorgelegt werden.

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