13. März 2019
Mitteilungspflicht Steuergestaltungen
Steuerrecht Compliance

Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen – Interner Referentenentwurf des BMF vom 30. Januar 2019

Neue EU-Meldepflichten für Steuergestaltungen belasten eine Vielzahl von Wirtschaftsteilnehmern. Erste gesetzgeberische Umsetzungsversuche stehen im Raum.

Am 25. Juni 2018 ist die EU-Richtlinie 2018/822 zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen (DAC 6) in Kraft getreten.

Ziel der Richtlinie ist, mit mehr Transparenz gegen potenziell aggressive Steuerplanungen vorzugehen. Die EU-Mitgliedstaaten sollen möglicherweise schädliche Strukturen frühzeitiger erkennen und Erosionen des nationalen Steuersubstrats durch eine schnellere Anpassung der Steuergesetze verhindern können. DAC 6 ist von den EU-Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2019 in nationales Recht umzusetzen.

Nach einem bislang nur eingeschränkt zugänglichen Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30. Januar 2019 soll die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen in der Abgabenordnung (AO) über die neu einzufügenden §§ 138d bis f AO-E verankert werden. Der Referentenentwurf sieht zudem die Einführung einer Mitteilungspflicht auch für rein innerstaatliche Steuergestaltungen vor (§ 138j AO-E) und geht damit inhaltlich über die Richtlinie hinaus.

Stand des Gesetzgebungsverfahrens: Finanzverwaltung strebt inhaltliche Ausweitung an

Im September 2018 hatte das BMF als federführendes Bundesministerium zunächst einen internen Diskussionsentwurf zur Umsetzung der DAC 6 erarbeitet. Am 30. Januar 2019 wurde anschließend der aktuell diskutierte Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung von Steuergestaltungen“ in die Ressortabstimmung nach §§ 45, 46 GGO gebracht. Dieser Referentenentwurf enthält gegenüber der EU-Richtlinie sowie gegenüber dem vorhergehenden Diskussionsentwurf des BMF entscheidende Veränderungen durch die Ausweitung der Mitteilungspflicht auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen. Damit würde dem nationalen Umsetzungsakt ein in der DAC 6 nicht vorgesehener Aspekt hinzugefügt.

Der derzeitige Referentenentwurf zeigt, dass die Finanzverwaltung offenbar nicht nur die umfassende Umsetzung der Richtlinie, sondern auch ihre inhaltliche Ausweitung durch den Gesetzgeber anstrebt. Ob es im finalen Umsetzungsgesetz der DAC 6 bei diesem „Gold-Plating″ bleibt, d.h. die Regelungen zur Mitteilungspflicht für innerstaatliche Gestaltungen vom Gesetzgeber in die finale Umsetzung der Richtlinie integriert oder möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt separat eingeführt werden, ist in diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens noch offen.

Intermediäre sind mitteilungspflichtig

Vom Anwendungsbereich der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende (und innerstaatliche) Steuergestaltungen sind in erster Linie sogenannte Intermediäre erfasst. Nach der Legaldefinition des Intermediärs ist mitteilungspflichtig, wer eine grenzüberschreitende oder innerstaatliche Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet (Intermediär).

In der Praxis können damit vor allem Angehörige der steuerberatenden Berufe, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Finanzdienstleister (z. B. Banken, Fondsinitiatoren, Versicherungen) oder sonstige Berater (z.B. Family-Offices, Vermögens- oder Anlageberater) von der Regelung betroffen sein.

Unter bestimmten Umständen kann es aber zu Befreiungen von der Mitteilungspflicht kommen. So ist für Intermediäre eine Befreiung von der Mitteilungspflicht z.B. dann vorgesehen, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Intermediär dieselben Informationen im Hinblick auf dieselbe Steuergestaltung bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat ordnungsgemäß übermittelt hat oder bei mehreren nebeneinander zur Mitteilung verpflichteten Intermediären nachgewiesen werden kann, dass bereits ein anderer Intermediär die erforderlichen Informationen übermittelt hat.

Nutzer sind bedingt mitteilungspflichtig

Lediglich in zweiter Linie können auch Nutzer (Steuerpflichtige) der Steuergestaltung mitteilungspflichtig sein. Als Nutzer soll hierbei jede natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft, Gemeinschaft oder Vermögensmasse anzusehen sein, (a) der eine mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung zur Umsetzung zur Verfügung gestellt wird, (b) die bereit ist, eine (grenzüberschreitende) Steuergestaltung umzusetzen, oder (c) die den ersten Schritt zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung gemacht hat

Hat ein Nutzer z.B. eine grenzüberschreitende Steuergestaltung für sich selbst entwickelt (sogenannte „Inhouse-Gestaltung“), sollen die für einen Intermediär geltenden Vorschriften für den Nutzer entsprechend anzuwenden sein. In diesem Fall besteht eine originäre Mitteilungspflicht des Nutzers. Darüber hinaus kann die Mitteilungspflicht in bestimmten Fällen (z.B. bei fehlendem Inlandsbezug des Intermediärs) auf den Nutzer übergehen.

Welche Sachverhalte sind mitteilungspflichtig?

Der sachliche Anwendungsbereich der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen ist sehr weit gefasst. Er wird vor allem durch bestimmte Fallgruppen bzw. Kennzeichen präzisiert:

  • Erfasste Steuerart
    Die Mitteilungspflicht gilt für Steuern aller Art mit Ausnahme der Umsatzsteuer, Zöllen und bestimmten Verbrauchsteuern. Erfasst sind mithin insbesondere die Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe-, Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie die Grunderwerbsteuer.
  • Grenzüberschreitende Gestaltung
    Gestaltungen sind dann mitteilungspflichtig, wenn bestimmte grenzüberschreitende Elemente erfüllt sind, wie insbesondere die Betroffenheit mehr als eines EU-Mitgliedsstaates oder unter bestimmten Umständen eines Mitgliedsstaates und eines Drittstaates.
  • Kennzeichen der Gestaltung
    Eine grenzüberschreitende Gestaltung ist mitteilungspflichtig, wenn sie mindestens ein bestimmtes Kennzeichen (sogenannte „hallmarks″) iSd. DAC 6 erfüllt. Hinsichtlich der Kennzeichen einer Gestaltung ist zu differenzieren zwischen Kennzeichen, die bereits unabhängig von einem steuerlichen Vorteil der Gestaltung mitteilungspflichtig sind und solchen Kennzeichen, die nur im Zusammenhang mit der Erfüllung des sog. „Main benefit″-Tests eingreifen. Dieser Relevanztest gilt im Wesentlichen als erfüllt, wenn der zu erwartende Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist.

Überblick der Kennzeichen zur Mitteilungspflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen nach DAC 6 – Kennzeichen gem. Anhang IV Teil II Kategorie A-E; im derzeitigen Referentenentwurf des BMF vom 30.1.2019 zur Umsetzung vorgesehen in § 138e AO-E für grenzüberschreitende Gestaltungen und – die Umsetzung von DAC 6 erweiternd – in §138j AO-E für innerstaatliche Gestaltungen:

Bei der im aktuellen Referentenentwurf vorgesehenen Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen ist der sachliche Anwendungsbereich enger gefasst (vgl. Merkmale A. und B.) und auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen beschränkt.

Von der innerstaatlichen Mitteilungspflicht betroffene Steuerarten sind solche vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer. Im Gegensatz zur Mitteilungspflicht mit internationalem Kontext sind die Kennzeichen der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen weniger umfangreich ausgestaltet und greifen ausschließlich in Verbindung mit dem Main Benefit Test ein. Voraussetzung ist daher stets, dass ein (gesetzlich nicht vorgesehener) steuerlicher Vorteil durch die Gestaltung erzielt wird.

Darüber hinaus bestehen bei der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen bestimmte Beschränkungen durch nutzerspezifische Voraussetzungen. So greift die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen nur, wenn mindestens ein Nutzer:

  1. eine natürliche Person ist, deren Summe der positiven Einkünfte EUR 500.000 überschreitet oder
  2. zu einem Konzern iSd. § 17 AktG gehört oder
  3. zusammen mit anderen inländischen Unternehmen von einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person, einer Mehrheit von Personen, einer Stiftung oder einem anderen Zweckvermögen beherrscht oder einheitlich geleitet wird oder mit einem ausländischen Unternehmen wirtschaftlich verbunden ist oder
  4. aus anderen als den in 2. und 3. genannten Gründen allgemein aneinander anschließenden Außenprüfungen unterliegen soll.

Wie muss die Mitteilungspflicht erfüllt werden? – Das Mitteilungsverfahren

Die Mitteilung der Steuergestaltung hat innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt des mitteilungspflichtigen Ereignisses elektronisch, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle (ELSTER Verfahren) zu erfolgen. Zur Entgegennahme der Mitteilung sind für die mitteilungspflichtigen Intermediäre bzw. Nutzer zuständigen Finanzbehörden verantwortlich. Von dort erfolgt eine automatische Weiterleitung der Mitteilungen an das Bundeszentralamt für Steuern, von wo aus die Daten im Rahmen des automatischen Informationsaustausches in das von der EU-Kommission eingerichtete sichere Zentralverzeichnis eingestellt und hierdurch von den anderen Mitgliedstaaten abgerufen werden können.

Neben Angaben zum Intermediär hat der Datensatz u.a. Informationen zu den einschlägigen Kennzeichen der Gestaltung sowie eine Zusammenfassung des Inhalts der Gestaltung zu enthalten (sog. abstrakte Angaben).

Weitere (sog. individuelle) Angaben insbesondere zum Nutzer der grenzüberschreitenden Gestaltung sollen vom mitteilungspflichtigen Intermediär nur dann zu übermitteln sein, wenn der Nutzer den Intermediär von einer etwaigen gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden – und der Intermediär ihn vorab über diese Option vorab informiert hat. Andernfalls muss der Nutzer unter Angabe der Registriernummer der Gestaltung (die ihm vom Intermediär mitzuteilen ist) die weiteren Informationen selbst mitteilen.

Im Falle einer Mitteilungspflicht für rein innerstaatliche Steuergestaltungen soll die Mitteilung anonymisiert erfolgen, d.h. Informationen zum Nutzer der Steuergestaltung sind nach aktuellem Stand des Referentenentwurfs nicht vorgesehen. Auch soll der Nutzer bei innerstaatlichen Steuergestaltungen – im Gegensatz zur Mitteilungspflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen – nicht zur Angabe der Verwirklichung einer Steuergestaltung in seiner Steuererklärung (§ 138g Abs. 2 AO-E) verpflichtet werden.

Zeitliche Anwendbarkeit: Mitteilungspflichten der Steuergestaltungen

Die geplanten Vorschriften setzen die zeitlichen Vorgaben der DAC 6 grundsätzlich um und sind ab dem 1. Juli 2020 in allen Fällen anzuwenden, in denen der erste Schritt einer mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung nach dem 24. Juni 2018 umgesetzt wurde.

Die Mitteilungspflichten für innerstaatliche Steuergestaltungen sollen erstmalig ab dem 1. Juli 2020 auf Steuergestaltungen anzuwenden, bei denen der erste Schritt nach dem 30. Juni 2020 umgesetzt wird.

Wichtig und zu beachten ist, dass für grenzüberschreitende Steuergestaltungen im Übergangszeitraum zwischen Inkrafttreten der Richtlinie und deren Anwendungsbeginn eine rückwirkende Mitteilungspflicht gilt. D.h. wurde der erste Schritt einer mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung nach dem 24. Juni 2018 und noch vor dem 1. Juli 2020 umgesetzt, ist die Mitteilung innerhalb von zwei Monaten nach dem 30. Juni 2020, d.h. bis zum 31. August 2020 rückwirkend zu erstatten. Insoweit müssen sich betroffene Intermediäre und Steuerpflichtige bereits ohne das Vorliegen eines konkreten Umsetzungsgesetzes intensiv mit den Vorgaben der DAC 6 auseinandersetzen. Insbesondere sollten meldepflichtige oder potentiell meldepflichtige Gestaltungen schon heute vorsorglich (intern) dokumentiert werden, um den Nachmeldeobliegenheiten im Jahr 2020 ordnungsgemäß nachkommen zu können.

Verletzung der Mitteilungspflichten soll abschreckende Sanktionen nach sich ziehen

DAC 6 sieht vor, dass „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende″ Sanktionen für Meldepflichtverstöße durch die EU-Mitgliedsstaaten eingeführt werden müssen.

Der deutsche Gesetzgeber beabsichtigt derzeit, einen vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende und innerstaatliche Steuergestaltungen (auch bei nicht rechtzeitiger oder vollständiger Datenübermittlung) als Ordnungswidrigkeit zu erfassen und mit einer Geldbuße von bis zu EUR 25.000 zu belegen. Ordnungswidrig soll zudem auch der Steuerpflichtige handeln, der eine grenzüberschreitende Steuergestaltung verwirklicht hat und gegen die neu vorgesehene Verpflichtung verstößt, diese Steuergestaltung in der maßgeblichen Steuererklärung anzugeben.

Soweit grenzüberschreitende Gestaltungen betroffen sind, ist zu berücksichtigen, dass auch in anderen EU Mitgliedsstaaten ggfs. Meldepflichten zu befolgen sind und Verstöße hiergegen u.U. von dem jeweils zuständigen EU Mitgliedsstaat nicht nur als Ordnungswidrigkeit, sondern ggfs. als Straftat eingestuft werden. So hat z.B. Polen– als bislang erster EU Mitgliedsstaat – DAC 6 mit Wirkung zum 1. Januar 2019 umgesetzt und ahndet Verstöße gegen die Mitteilungspflichten mit Geldstrafe.

Keine verbindlichen Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Mitteilung

Verbindliche Rechtsfolgen hat eine ordnungsgemäß befolgte Meldung für den Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht. Die Tatsache, dass Steuerbehörden nicht auf eine gemeldete Gestaltung reagieren, soll ausdrücklich nicht die Anerkennung der Gültigkeit oder der steuerlichen Behandlung dieser Gestaltung implizieren. Derartiges kann nach wie vor nur über eine verbindliche Auskunft erreicht werden.

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