22. Oktober 2013
Arbeitsrecht Kanzleialltag

Deutschlands Arbeitsgerichte (15) – Detmold

Justizzentrum DetmoldFür einen ersten Eindruck vom Arbeitsgericht Detmold ist entscheidend, ob man sich dem Gericht von der Detmolder Innenstadt aus nähert oder von außerhalb über die Richthofenstraße, an deren Anfang das Gebäude liegt.

Wer sich aus der Innenstadt nähert, stößt auf eine beige-graue Betonfassade, die hinter einem Schotterparkplatz liegt und deren Anstrich hinter früheren Rankengerüsten verwaschen ist und abblättert. Die Fenster sind in verschiedensten Formaten und Größen unregelmäßig über die Fassade verteilt. Von hier aus bietet das Gericht eher den traurigen Eindruck einer Justizvollzugsanstalt.

Man ahnt nicht, was darin stecktDie eine Seite

Wer sich dagegen von der anderen Seite nähert, der stößt auf einen frisch renovierten, in den Jahren 1827–28 errichteten Verwaltungsbau, einen zur Straßenseite hin geöffneten U-Grundriss, der über eine zentrale, zweiteilige Freitreppe betreten wird. Von Traurigkeit ist hier nichts zu spüren.

Naturstein und PutzDie RückseiteHauptgebäude in Hauptansicht

Die Baugeschichte

Versuchen wir diese Unterschiede geschichtlich aufzuarbeiten: Das Gebäude besteht aus zwei Teilen, dem älteren Hauptgebäude und dem jüngeren Anbau. Das Hauptgebäude wurde als Strafwerkhaus unter dem in Detmold viel beschäftigten Baumeister Rackelmann errichtet.

Es handelt sich einen klassizistischen Bau, dessen Kanten und Fensterumrandungen aus Werkstein, dessen übrige Fassade aber verputzt ist. Das Hauptgebäude wurde ab 1870 bis 1945 als Kaserne und Zeughaus genutzt und wurde während dieser Zeit mit einem Mansardendach mit Fenstern versehen. Das im April 1945 in Brand geratene Hauptgebäude wurde in den 1950er Jahren wieder aufgebaut, das Mansardendachgeschoss wurde nun als drittes Obergeschoss errichtet und mit einem kleineren Satteldach versehen. Das gesamte Gebäude wurde von 1997 bis 2003 grundlegend saniert.

 Nördliche Ansicht

An der Ostseite, also der Rückseite dieses U-förmigen Hauptgebäudes, wurde in den 1930er Jahren ein zweigeschossiger Anbau errichtet. Dieser wurde bis 1945 als Wirtschaftsgebäude genutzt, sodann waren bis zum Ende der 50er Jahre Flüchtlingsfamilien darin untergebracht, bevor der Anbau um eine weitere Etage aufgestockt und für die staatliche Büchereistelle ausgebaut wurde.

 Anbau und Hauptgebäude

Das Arbeitsgericht zog 1993 in diesen Anbau und bildet seitdem mit dem Sozialgericht ein Justizzentrum. Die Historie des Gebäudes ist mit zahlreichen Bildern auf der Internetseite des Sozialgerichts dargestellt.

Der Anbau

Die eingangs beschriebene unschöne Südseite des Anbaus zur Innenstadt sollte eigentlich hinter zahlreich geplanten Gebäudeprojekten unterschiedlicher Nutzung auf dem Parkplatzgrundstück verschwinden. Auf ein Einkaufscenter, Kino- oder Veranstaltungssäle muss der Besucher aber weiter warten.

Vom Innenhof, den man durch eine Toreinfahrt oder Parkplatzschranke erreicht, zeigt sich der Anbau dagegen ganz versöhnlich. Allerdings können nur die Bediensteten das Arbeitsgericht von dieser Seite betreten. Der Innenhof ist idyllisch und frei vom Verkehrslärm der Innenstadt.

Viel Grün im InnenhofDer Anbau hinter BäumeTotale

In seiner schlichten aber strukturierten Art kann man diesem in den 1930er Jahren errichteten Gebäude Anleihen der Moderne des Bauhauses nicht absprechen. Erd- und erstes Geschoss sind jeweils durch eine Reihe schmaler, hoher Fenster unterbrochen, die einzelnen Etagen durch schmale Simse gegliedert. Der östlichste Teil des in drei „Blöcke“ aufgegliederten Anbaus steht risalitartig aus der Fluchtlinie des Baukörpers hervor.

OstendeDer Anbau vom Innenhof ausVerbindung zum Hauptgebäude mit Toreinfahrt

Zwischen dem westlichen und dem mittleren „Block“ werden die beiden Etagen durch die schmalen Fensterbänder eines Treppenhauses unterbrochen, dessen hofseitiger Eingang von einem hervorkragenden Flachdach geschützt wird.

 Treppenhaus des Anbaus

Die später zum Anbau hinzugekommene oberste Etage weicht von diesem Muster ab. Hier befinden sich der Durchgang vom Hauptgebäude, der mit schmalen Oberlichtern versehen ist, sowie die Sitzungssäle, die den ehemaligen Zeichensaal des Staatshochbauamts 1997 ersetzen und die mit breiten Fensterbändern erhellt werden.

Im Inneren des Justizzentrums

Bewegen wir uns ins Innere des Gebäudes:

Es wird durch das Hauptgebäude betreten. Der Besucher kann die Freitreppe benutzen, Rollstuhlfahrer müssen mit einem eher unwirtlichen Kellerdurchgang Vorlieb nehmen.

Barrierefreier ZugangDie Freitreppe

Im Inneren heißt es dann, der Beschilderung zum Arbeitsgericht zu folgen.

 Beschilderung 1Beschilderung 2

Hierfür nutzt man das mit schmiedeeisernem Geländer versehene Treppenhaus im Altbau, bevor der Durchgang zum Arbeitsgericht angezeigt wird.

 Treppenhaus HauptgebäudeGeländer

Dass der Anbau nicht von vorneherein für den Publikumsverkehr vorgesehen war, erkennt man leicht an der Beengtheit dieser Passage. Wer diese durch technische Aufrüstung barrierefreie Stelle passiert hat, gelangt jedoch in einen durch die oberen Fensterbänder erhellten Flur.

 Durchgang zum Anbau

Der steinernen Sitzbank, die sich an der gesamten Wand entlang durch den Flur erstreckt, liegt eine Sichtmauer gegenüber, in die die hellen Holztüren mit dunklem Rahmen eingelassen sind.

 Zu den Sälen

Auf dem Weg zu den Gerichtssälen passiert der Besucher eine schmale Sitzecke und weitere Sitzgelegenheiten. Die Besucherstühle sind eher im Look des öffentlichen Dienstes der 80er Jahre gehalten.

Sitzgelegenheiten 2Sitzgelegenheiten 1Stuhl, Modell öffentlicher Dienst NRW

Zum Zeitpunkt meines Besuches beherbergte das Gericht die Arbeiten zweier Künstler, Zeichnungen und Fotos von Arbeitswerkzeugen, derzeit findet der Besucher eine andere Ausstellung.

 Kunst 2Kunst 1

Die Sitzungssäle des Arbeitsgerichts ließen sich bei meinem Besuch nicht fotografieren. Insoweit bin ich auf einen Sitzungssaal des Sozialgerichts ausgewichen, der in seiner Ausstattung vergleichbar ist, wenngleich er – im Hauptgebäude gelegen – weniger hell und großzügig ist. Ansichten der Sitzungssäle des Arbeitsgerichts finden sich auch auf der Homepage des Gerichts. Ein vertäfelter Richtertisch mit dahinterliegender Wandvertäfelung und großzügige Tische für die Parteien prägen den Raum.

 Zugang zum Sitzungssaal des ArbeitsgerichtsSitzungssaal - allerdings im Hauptgebäude

Die 80er Jahre finden sich auch im separaten Treppenhaus für das Personal zwischen dem Erd- und dem ersten Geschoss.

Wendeltreppe

Das Besuchertreppenhaus des Anbaus zeigt mit seinem umlaufenden mehrteiligen Geländer und den Lampen, die an zwei Seilen von der Decke bis zum Boden aufgereiht sind, dagegen den Charme der 50er Jahre.

 Ganz oben Treppenhaus im Anbau

Die Beschilderung des Gebäudes ist in der Optik der 90er Jahre gehalten – ein besonderes Farbkonzept ist Arbeits- und Sozialgericht jedoch nicht zugeteilt. Der männliche Besucher nimmt die Raumnummer der Sanitäranlagen gern zur Kenntnis.

Schild 2Schild 3Schild 1

Alles in allem ist das Arbeitsgericht in Detmold ein gelungenes Beispiel für die Fortnutzung und -entwicklung öffentlicher Gebäude. Diese verlangt zwar den ein oder anderen Kompromiss, übt aber auch einen gewissen Charme aus, den es für den Besucher nur zu erkennen gilt.

Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung.

Hier geht es zu Teil 14, Hamburg, die vorhergehenden Teile finden Sie hier: Koblenz, KarlsruheDarmstadt, Duisburg, Ulm, Stuttgart, Berlin, Ravensburg, München, Saarbrücken, Köln, Siegburg, Frankfurt.

Tags: Arbeitsgericht Detmold Arbeitsgerichte Architektur Richthofenstraße 3 Serie