18. April 2019
EURIBOR hybride Berechnungsmethode
Banking & Finance

Neues vom EURIBOR – hybride Berechnungsmethode nimmt weiter Gestalt an

Die Reformen des EURIBOR gehen in die entscheidende Phase. Bald steht fest, ob der Zinssatz als Grundlage für zahllose Finanzinstrumente eine Zukunft hat.

Bereits vor einigen Monaten sind wir auf die Bemühungen eingegangen, den EURIBOR auf eine zukunftsfähige Berechnungsmethode umzustellen. Im Zentrum stand und stehen die Auswirkungen der sogenannten Benchmark-Verordnung (Verordnung (EU) 2016/1011) und die Reformbestrebungen des für die Publizierung verantwortlichen European Money Markets Institute (EMMI).

Nunmehr liegen die Ergebnisse des zweiten Konsultationsverfahrens vor, welche weitergehende Rückschlüsse erlauben, ob die Quotierung dieser wirtschaftlich wesentlichen Benchmark auch künftig gesichert ist.

Bisherige Entwicklung: Reformbedarf und -bemühungen

Die Frage, ob und wie eine Reform des EURIBOR möglich ist, welche den Vorgaben der Benchmark-Verordnung genügt, bewegt Marktteilnehmer und das EMMI bereits seit geraumer Zeit. Gefordert wird eine zuverlässige und manipulationssichere Ermittlung von Referenzzinssätzen, welche nicht mehr vorwiegend auf Modellberechnungen und professionellen Einschätzungen beruhen, sondern – soweit möglich – aus tatsächlichen Transaktionsdaten hergeleitet werden soll. Ein ausschließliches Rekurrieren auf aktuelle Transaktionsdaten ist mangels ausreichender Datenmenge jedoch faktisch nicht durchführbar. Wesentlich ist daher nicht nur die genaue Definition der Anforderungen an die zugrundeliegenden Transaktionsdaten, sondern auch die Vereinbarung klarer Regeln darüber, welche sekundären Daten auf welche Art und Weise in die Berechnung einfließen dürfen.

Nach umfangreichen und langjährigen Reformbemühungen hat das EMMI in einem ersten Konsultationspapier von März 2018 die Grundlagen einer hybriden Berechnungsmethode vorgestellt. Die Methode stützt sich auf der ersten Ebene auf tatsächliche Transaktionen, die den Anforderungen an Relevanz nach Art und Zeitraum genügen (Level 1; ‚eligible transactions‘). Auf der zweiten Ebene wird insbesondere auf interpolierte Zinssätze abgestellt sowie auf solche Transaktionen, die nur knapp außerhalb des relevanten Zeitraums liegen (Level 2). Die berücksichtigungsfähigen Transaktionen sind dabei nach einer festen Rangfolge und Priorität geordnet (Level 2.1 bis Level 2.3). Auf der dritten Ebene können weitere Informationen Berücksichtigung finden, etwa zusätzliche nach den ersten Ebenen irrelevante Transaktionen oder eine Kombination aus Modellierungstechniken und der professionellen Markteinschätzung der beteiligten Panel-Banken (Level 3).

In seinem zweiten Konsultationspapier von Oktober 2018 hat das EMMI das Bewertungssystem weiter ausgearbeitet. Insbesondere die Kriterien für relevante Transaktionen auf den ersten beiden Ebenen haben eine Konkretisierung erfahren. Zur Absicherung der praktischen Durchführbarkeit und Identifizierung möglicher Schwachstellen der Berechnung hat das EMMI zudem neun Fragen an die Stakeholder gestellt, zu denen diese bis Ende November 2018 Stellung beziehen konnten. Eine Frage bezieht sich auf den Umfang der Veröffentlichung der durch die Panel-Banken bereitgestellten Daten; fünf weitere Fragen widmen sich der Konkretisierung von Anforderungen an Level 1-Transaktionen; die übrigen drei Fragen haben die Auswahl der Level 2-Transaktionen zum Gegenstand.

Aktuelle Stellungnahmen aus der Praxis: Weitgehende Zustimmung

Am 12. Februar 2019 veröffentlichte das EMMI die Stellungnahmen der Stakeholder zu diesen neun (im zweiten Konsultationspapier) aufgeworfenen Fragen. Insgesamt gaben 37 Organisationen eine Stellungnahme ab. Die 18 namentlich genannten Stakeholder (die übrigen Einsendungen waren mit der Bitte um Anonymität versehen) setzen sich aus sechs Panel-Banken, sechs weiteren Finanzinstituten, vier Handelsverbänden sowie zwei Vermögensverwaltungen zusammen. Insgesamt sind die Reaktionen – auch in Detailfragen – grundsätzlich positiv und begrüßen die ausgearbeitete Methodik. Teilweise abweichende Ansichten zu einzelnen Aspekten der neuen Berechnungsmethodik liegen, nicht zuletzt angesichts erheblich variierender Einzelinteressen der Befragten, in der Natur der Sache.

Den Fragen zur konkreten Bestimmung der Level 1- und Level 2-Transaktionen ging eine allgemeine Frage zum Umfang der Veröffentlichung der bereitgestellten Daten voraus. Den Konflikt zwischen dem Erfordernis einer vertraulichen Behandlung der sensiblen Daten, die von den Panel-Banken bereitgestellt werden, sowie dem Transparenzgebot möchte das EMMI aufzulösen. Geplant ist eine monatliche, um einen Monat verzögerte, anonymisierte Veröffentlichung der Kennzahlen. Dies bedeutet, dass Veröffentlichungen mit Daten aus dem Monat Januar beispielsweise erst zu Beginn des Monats März veröffentlicht werden sollen. Dieser Ansatz stieß unter den Stakeholdern auf breite Zustimmung; einzelne Zweifel in puncto Frequenz der Veröffentlichung hat das EMMI nicht zum Anlass genommen, den Veröffentlichungsrhythmus zu ändern.

Auch die vorgeschlagenen ‚Filter‘ zur Bestimmung und Abgrenzung von Level 1-Transaktionen haben überwiegend breite Zustimmung erfahren. So hat die Mehrzahl der Stellungnahmen nicht nur die Auswahl der Zeitfenster zur Einteilung der Transaktionen nach Fälligkeitsdaten begrüßt, sondern dem EMMI auch darin zugestimmt, dass Geschäfte mit Nichtfinanzunternehmen keine Berücksichtigung finden sollen. Ebenso zustimmend äußerten sich die befragten Stakeholder mit Blick auf (i) die Einbeziehungsfähigkeit variabel verzinslicher Transaktionen gegen den unbesicherten Euro-Tagesgeldzinssatz, (ii) die Notwendigkeit eines Schwellenwerts für einzelne Transaktionen (mindestens 20 Millionen Euro) sowie (iii) das Absehen eines Schwellenwertes für die Anzahl einbeziehungsfähiger Transaktionen.

Die Reaktion auf vorgeschlagene Instrumente zur Würdigung der einbeziehungsfähigen zeitlich benachbarten Level 2-Transaktionen (Level 2.1) ist ebenfalls überwiegend positiv ausgefallen. Die Stakeholder haben lediglich angeregt, anhand von Beispielen verständlich zu machen, wann Transaktionen, die außerhalb des Fälligkeitszeitfensters von Level 1 liegen, auf Level 2 Berücksichtigung finden können (Level 2.2). Schließlich stimmten die Stakeholder auch der Methodik, anhand derer frühere Transaktionen, die weder Level 2.1 noch Level 2.2 unterfallen, beurteilt werden können, abgesehen von kleineren Bedenken zu.

Nächste Schritte: Erteilung der Zulassung als entscheidender Meilenstein

Das EMMI plant, noch im zweiten Quartal 2019 die Zulassung als sogenannter Administrator des EURIBOR zu beantragen (Fristablauf für die Zulassungsbeantragung ist der 31. Dezember 2019). Zuständig für die Erteilung der Zulassung ist gemäß Artikel 34 der Benchmark-Verordnung die Finanzmarktaufsichtsbehörde des Mitgliedstaats, in welchem der Administrator angesiedelt ist. Im Falle des in Brüssel ansässigen EMMI wird daher die belgische Financial Services and Markets Authority (FSMA) über die Zulassung zu entscheiden haben.

Parallel zum Zulassungsantrag ist für das zweite Quartal 2019 zudem die praktische Implementierung der neuen Hybridmethodik terminiert. Die aktuelle Entwicklung bietet Anlass für eine optimistischere Einschätzung der künftigen Rolle des EURIBOR. Nahezu parallel hat die EU-Kommission am 25. Februar 2019 bekanntgegeben, dass die in der Benchmark-Verordnung normierte und u.a. für den EURIBOR relevante Übergangsfrist ebenfalls um weitere zwei Jahre, nämlich bis zum 31. Dezember 2021, verlängert wird. Dies reduziert zwar den zeitlichen Druck, begründet jedoch auch ein gewisses Risiko für den EURIBOR. Aufgrund seiner überragenden wirtschaftlichen Bedeutung war eine Zulassung bislang faktisch alternativlos.

Die nunmehr verlängerte Übergangsfrist könnte die Diskussion wieder vermehrt auf grundsätzliche Alternativen zum EURIBOR lenken. Die weitere Diskussion um die Zukunftsfähigkeit der Referenzzinssätze wie EURIBOR und LIBOR sollten Marktteilnehmer sehr genau verfolgen und bereits jetzt drohenden rechtlichen Risiken durch eine proaktive Vertragsgestaltung begegnen.

Tags: EURIBOR hybride Berechnungsmethode Zinssatz