5. November 2010
ein Hoch auf das papierlose Büro
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Etwas angefault – Über Bäume und Informationsansprüche

Bäume sind Freunde des Menschen. Und für seine Freunde interessiert man sich natürlich. Manchmal kann sich beim Bürger aber auch aus anderen Gründen ein gewisser Informationsbedarf ergeben, etwa wenn Behörden nachlässig gegenüber städtischen Bäumen sind. Mit einem solchen Fall hatte sich das Verwaltungsgericht Berlin jüngst zu befassen (Urteil vom 07.10.2010 – 2 K 71.10).

In seinem Urteil hat das Gericht der Eigentümerin eines Fahrzeugs einen Anspruch auf Zugang zu Informationen zu den von der Stadt durchgeführten Baumkontrollen zugestanden.

Was war passiert?

Der Wagen der Klägerin war im Herbst 2009 in Berlin-Charlottenburg durch den herabfallenden Ast eines Straßenbaums erheblich beschädigt worden. Die zur Schadensaufnahme herbeigerufenen Polizeibeamten hatten in ihrem Tätigkeitsbericht vermerkt, der heruntergefallene Ast sei bereits „etwas angefault″ gewesen.

Die Klägerin machte daraufhin bei der Stadt einen Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend und forderte das zuständige Bezirksamt unter Hinweis auf das Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG Bln) dazu auf, „die Nachweise der Baumkontrollen für das Jahr 2009 vorzulegen„. Diese seien für die Einschätzung erforderlich, ob eine gerichtliche Weiterverfolgung des Schadensersatzanspruchs sinnvoll sei.

Das Bezirksamt indes mauerte und lehnte einen Anspruch auf Akteneinsicht ab, weil nach der besonderen Art der Verwaltungstätigkeit ein Bekanntwerden des Akteninhaltes mit einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung unvereinbar sei. Auch widerspreche die Gewährung von Akteneinsicht dem im Zivilrecht herrschenden Prinzip der Gleichrangigkeit von Anspruchsteller und Anspruchsgegner.

Dieser Argumentation erteilte das Verwaltungsgericht Berlin nun allerdings eine Absage. Nach den Regelungen des IFG Berlin habe jeder Mensch gegenüber öffentlichen Stellen einen Anspruch auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von dieser Stelle geführten Akten. Hierzu zählten auch die Vorgänge zu den Baumkontrollen auf dem Savignyplatz im Jahr 2009. Einer Akteneinsicht stünden auch keine Ausschlussgründe entgegen. Insbesondere könne die Akteneinsicht nicht wegen der Befürchtung der Beklagten verweigert werden, durch das Bekanntwerden des Akteninhalts könnten sich nachteilige Auswirkungen für das drohende zivilrechtliche Gerichtsverfahren ergeben.

Das Recht auf Akteneinsicht – so das Gericht – könne nur dann beschränkt werden, wenn ein vorzeitiges Bekanntwerden des Akteninhalts nach der besonderen Art der Verwaltungstätigkeit mit einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung unvereinbar sei. Hiervon seien lediglich solche Tätigkeiten umfasst, die sich von der Masse der gewöhnlichen Verwaltungstätigkeiten abheben, die also ihrer „besonderen Art″ nach bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geheim gehalten werden müssten, weil andernfalls ihr Erfolg in Frage gestellt würde.

Um eine solche – geheimhaltungsbedürftige – Verwaltungstätigkeit handele es sich bei der Baumkontrolle nicht. Nach Auffassung der Beklagten seien diese Vorgänge ausschließlich deshalb geheim zu halten, weil die Klägerin erwäge, einen Amtshaftungsprozess anzustrengen, so das Verwaltungsgericht. Bei dem Risiko von nachfolgenden Amtshaftungsprozessen handele es sich jedoch um eine allgemeine Gefahr, die einer Vielzahl von Verwaltungstätigkeiten anhafte und die einer Verwaltungstätigkeit nicht die erforderliche „besondere Art″ verleihen könne. Zu guter Letzt führe die von der Klägerin erstrebte Informationsgewährung zu keinerlei Erschwernissen bei der Baumkontrolle, deren Erfolg sei also in keinem Falle in Frage gestellt.

Die Klägerin darf also Einsicht in die Verwaltungsakten nehmen und kann auf Grundlage der erlangten Informationen den Streit vor den Zivilgerichten fortführen. Bäume sind schließlich keine Geheimnisträger…

Tags: Akteneinsicht Bäume Informationsfreiheit Informationsfreiheitsgesetz Prozessrecht Verkehrssicherungspflicht Verwaltungsgerichte