Produktfälscher nutzen extrem gestiegenen Bedarf an persönlicher Schutzausrüstung, Medizinprodukten und Arzneimitteln während COVID-19-Pandemie aus.
Die COVID-19-Pandemie hat in kürzester Zeit weltweit zu einem massiv erhöhten Bedarf an persönlicher Schutzausrüstung, Medizinprodukten und Arzneimitteln geführt. Insbesondere die Nachfrage nach Atemschutzmasken, Operationsmasken, Mund-Nasen-Schutz, Schutzkitteln-, -anzügen und -brillen, Gesichtsschutzschilden, Hauben, Einmalhandschuhen, Desinfektionsmitteln, Beatmungsgeräten und Test-Kits ist extrem gestiegen. Da in Bezug auf einige antivirale Medikamente und Präparate gegen Malaria-, Ebola- sowie HIV vermutet wird, dass sie auch gegen das Virus Sars-CoV-2 wirken könnten – was allerdings bisher noch nicht nachgewiesen wurde – sind diese ebenfalls besonders nachgefragt.
Produktfälscher nutzen erhöhte Nachfrage während der Coronakrise aus
Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt und sich finanzielle Bereicherungsmöglichkeiten bieten, lassen Produktfälscher leider oft nicht lange auf sich warten. Sie nutzen die Notsituation aus, indem sie Markenware anbieten, aber nur billige Imitate liefern. Teilweise stampfen Betrüger in Windeseile sogar Fake Shops aus dem Boden, in denen vermeintlich all das angeboten wird, was derzeit in Apotheken, Kliniken, Baumärkten und Onlineshops Mangelware ist. Die kriminelle Energie kennt hier keine Grenzen, denn die Not ist groß, das Angebot rar und die Zeit knapp.
Nicht ohne Grund werden an das Inverkehrbringen von persönlicher Schutzausrüstung, Medizinprodukten und Arzneimitteln strenge regulatorische Anforderungen gestellt. Fälscher ignorieren diese Vorgaben. Sie stellen Produkte her, die lediglich den Anschein erwecken, als hätten sie die regulatorischen Prozesse erfolgreich durchlaufen. Die von Produktfälschungen ausgehenden Gefahren sind gravierend und können im schlimmsten Fall zum Tode führen. Man stelle sich beispielsweise Atemschutzmasken vor, auf deren Schutzwirkung sich Ärzte verlassen, die aber tatsächlich das Virus nicht abhalten können, weil sie aus minderwertigem Material hergestellt wurden. Ihre Träger wiegen sich in falscher Sicherheit und laufen Gefahr, sich blind mit dem Virus Sars-CoV-2 zu infizieren.
Die Gewinnmargen beim Handel mit Produktfälschungen sind gerade im Kontext der COVID-19-Pandemie hoch, da die Notlage die kriminellen Machenschaften der Fälscher befeuert. Diese wittern ihre Chance, sich mit wenig Aufwand erheblich zu bereichern. Zum einen sind Einkäufer wegen der Knappheit der Güter neuerdings bereit, höhere Preise zu zahlen als bisher üblich und mangels Alternativen auch auf unbekannte Bezugsquellen zurückzugreifen. Zum anderen werden Angehörige von Risikogruppen im Zweifel eher überteuerte Atemschutzmasken, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel bestellen als ganz darauf zu verzichten. Dadurch ist es Kriminellen möglich, gefälschte Produkte zu hohen Preisen anzubieten. Während sich bei normaler Marktlage oftmals schon aufgrund des erheblich vergünstigten Preises eines Produktes im Verhältnis zum Original der Verdacht aufdrängt, dass es sich um eine Fälschung handeln könnte, fällt dieses Erkennungsmerkmal nun weg.
Zivilrechtliche Ansprüche der Originalhersteller im Falle von Produktfälschungen
Die Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung, Medizinprodukten und Arzneimitteln halten regelmäßig Markenrechte an Produktnamen, verschiedenen Ausstattungsmerkmalen der Produkte und deren Verpackungen sowie ihrem Unternehmensnamen.
Eine Marke gewährt ihrem Inhaber das exklusive Recht, das geschützte Zeichen zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Die Benutzung schließt insbesondere ein, das Zeichen auf Waren oder deren Verpackung anzubringen, unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen und das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.
Wer also eine fremde Marke im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers benutzt, begeht eine Markenverletzung. In zivilrechtlicher Hinsicht stehen dem Markeninhaber dann Unterlassungs-, Auskunfts-, Rückruf-, und Vernichtungsansprüche sowie bei fahrlässiger oder vorsätzlicher Begehung Schadensersatzansprüche gegen den Verletzer zu.
Verletzer sind zunächst die Hersteller und Anbieter von Waren, die ohne Zustimmung des Markeninhabers dessen Marken tragen. Das sind diejenigen, die z.B. Atemschutzmasken produzieren und darauf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers dessen markenrechtlich geschützten Produktnamen oder Unternehmensnamen anbringen. Das sind ferner diejenigen, die die gefälschten Masken online unter Verwendung des Produkt- oder Unternehmensnamens des Originalherstellers zum Kauf anbieten und bei Bestellung an ihre Kunden versenden.
Verletzer sind aber auch die Einführer und Weiterverkäufer von Waren, die ohne Zustimmung des Markeninhabers dessen Marken tragen. Das sind diejenigen, die z.B. widerrechtlich gekennzeichnete Atemschutzmasken nach Deutschland importieren, sie zum Weiterverkauf anbieten und hier in Verkehr bringen.
Sind die Fälscher im Ausland ansässig oder womöglich aufgrund der Verwendung von Briefkastenfirmen gar nicht erst ausfindig zu machen, so ist die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche oftmals sehr zeit- und kostenintensiv und mit erheblichen faktischen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden. Insofern liegt es auf der Hand, dass eher im Inland ansässige Händler in den Fokus der zivilrechtlichen Anspruchsdurchsetzung geraten.
Selbst wenn sich Händler damit verteidigen, dass sie Originalprodukte bestellen und weitervertreiben wollten und sich der Fälschungen nicht bewusst waren, müssen sie sich den verschuldensunabhängigen Ansprüchen des Rechtsinhabers, wie insbesondere auf Unterlassung, Auskunft, Rückruf und Vernichtung, ausgesetzt sehen. Aus der Anspruchsdurchsetzung im Abmahnwege oder mit gerichtlicher Hilfe resultieren dann zudem Kostentragungspflichten, die möglicherweise noch durch empfindliche Schadensersatzforderungen ergänzt werden können. Zwar trifft den Verletzer eine Schadensersatzpflicht nur bei Verschulden, also Vorsatz, d.h. wenn er wissen- und willentlich handelt, oder Fahrlässigkeit, d.h. wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Diesbezüglich ist aber zu beachten, dass die Rechtsprechung an die Sorgfaltspflicht einen strengen Maßstab anlegt. Daraus resultieren Prüfpflichten für Händler von Markenware. Sie müssen grundsätzlich die Echtheit der Ware überprüfen, wobei es regelmäßig nicht genügt, sich bloß vom Vorlieferanten die Echtheit bestätigen zu lassen. Vielmehr sind bei ersten Anhaltspunkten für Zweifel an der Echtheit besondere Nachforschungen anzustellen.
Letztlich kommt es auf den Einzelfall an, in welchem Umfang ein Händler Nachforschungen anstellen muss, um seiner Sorgfaltspflicht hinreichend nachzukommen. In der aktuellen Lage, in der klar ist, dass Fälscher auf den Markt drängen und gefälschte Produkte ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen, sind Händler in jedem Fall gut beraten, alles daranzusetzen, um vor dem Bezug der Waren deren Echtheit zweifelsfrei zu klären.
Strafrechtliche Auswirkungen bei Produktfälschungen
Neben zivilrechtlichen Ansprüchen drohen Produktfälschern und denjenigen, die vorsätzlich mit gefälschten Produkten Handel treiben, auch strafrechtliche Konsequenzen. Denn gemäß §§ 143, 143a StGB macht sich strafbar, wer im geschäftlichen Verkehr vorsätzlich eine nationale Marke oder eine Unionsmarke benutzt, obwohl der Markeninhaber der Benutzung nicht zugestimmt hat.
Der Grundtatbestand sieht als Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, der Qualifikationstatbestand bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Begehung Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Die einfache Markenverletzung erfordert für die Verfolgung einen Strafantrag oder ein besonderes öffentliches Interesse der Strafverfolgungsbehörden. Die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung wird von Amts wegen verfolgt. Bei Fälschern, die im großen Stil gefälschte persönliche Schutzausrüstung, Medizinprodukte oder Arzneimittel in Umlauf bringen, um daraus Profit zu schlagen, wird grundsätzlich von einer gewerbsmäßigen Begehung auszugehen sein. Jedenfalls dürfte wegen der erheblichen Gefahren, die durch gefälschte Güter drohen, ein öffentliches Interesse an der Verfolgung unschwer zu bejahen sein.
Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen können die Strafverfolgungsbehörden verdächtige Ware beschlagnahmen, um sie auf Ihre Echtheit hin untersuchen zu lassen. Bestätigt sich der Fälschungsverdacht, werden die Produktfälschungen letztlich eingezogen.
Originalhersteller, die beispielsweise darauf aufmerksam werden, dass Kriminelle im Internet Fälschungen der von ihnen produzierten, markenrechtlich geschützten Atemschutzmasken anbieten und vertreiben, sollten – ggfls. nach Verifizierung des Verdachts mithilfe eines Testkaufs – Strafanzeige erstatten. Sie können die Ermittlungsbehörden mit wertvollen Informationen zu Schutzrechten, Fälschungsmerkmalen und legalen Vertriebskanälen unterstützen. Sollte es zu einem Strafprozess in Deutschland kommen, können Rechtsinhaber als Verletzte im Hauptverfahren Nebenklage gemäß § 395 Abs.1 Nr. 6 StPO erheben und so an der Strafverfolgung aktiv mitwirken. Sie können aber auch im Strafverfahren ihre zivilrechtlichen Ansprüche im Wege des Adhäsionsverfahrens gemäß §§ 403 ff. StPO geltend machen, welches eine effiziente Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung bietet.
Zollrechtliche Beschlagnahme und Vernichtung
Eine bedeutende Rolle bei der Bekämpfung von Produktpiraterie kommt den Zollbehörden zu. Sie kontrollieren insbesondere Warensendungen, die in die EU eingeführt werden sollen, und können diese bei Verdacht der Verletzung von Marken oder anderen gewerblichen Schutzrechten anhalten.
Hat der Rechtsinhaber, also z.B. der Originalhersteller, der Markenschutz für den Produktnamen seiner Atemschutzmasken und seinen Unternehmensnahmen genießt, einen Grenzbeschlagnahmeantrag bei der Zentralstelle für Gewerblichen Rechtsschutz (ZGR) gestellt, setzt der Zoll solche Waren in der Überlassung aus, die in Verdacht stehen, die geschützten Marken zu verletzen. Anschließend informiert das Zollamt einerseits den Anmelder bzw. Besitzer der Waren und andererseits den Rechtsinhaber über die Warenanhaltung und fordert letzteren dazu auf, innerhalb von zehn Arbeitstagen zu erklären, ob die Waren rechtsverletzend sind und er der Vernichtung zustimmt. Der Anmelder bzw. Besitzer hat die Möglichkeit, innerhalb von zehn Arbeitstagen der Vernichtung zu widersprechen. Hat der Rechtsinhaber die angehaltenen Produkte als Fälschungen identifiziert, den Zoll fristgerecht informiert, der Vernichtung zugestimmt und ist kein Widerspruch gegen die Vernichtung eingelegt worden, so werden die Fälschungen unter zollamtlicher Überwachung auf Kosten des Rechtsinhabers vernichtet. Widerspricht der Anmelder bzw. Besitzer der Waren jedoch der Vernichtung, ist es an dem Rechtsinhaber, ein Verfahren zur Feststellung einer Rechtsverletzung einzuleiten, um schließlich die Vernichtung der Waren auf markenrechtlicher Grundlage zu erreichen.
Das Grenzbeschlagnahmeverfahren bietet eine effektive Möglichkeit, um zu verhindern, dass Produktfälschungen aus Drittstaaten eingeführt und in Deutschland in Verkehr gebracht werden. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass die Zollbehörden in die Lage versetzt werden, eine Warensendung als verdächtig zu beurteilen. In Zeiten der COVID-19-Pandemie ist davon auszugehen, dass die Zollbehörden einen besonderen Fokus auf die Kontrolle von Warensendungen mit persönlicher Schutzausrüstung, Medizinprodukten und Arzneimitteln legen werden, um der Überschwemmung des Marktes mit Fälschungen entgegenzuwirken.
Sollte ein Rechtsinhaber keinen Grenzbeschlagnahmeantrag gestellt haben, obwohl er z.B. für den Produktnamen seiner Atemschutzmasken und seinen Unternehmensnamen Markenrechtsschutz genießt, können die Zollbehörden auch von Amts wegen eine ihnen verdächtig vorkommende Warensendung vorübergehend anhalten. Sie informieren dann den Rechtsinhaber und geben ihm die Gelegenheit, innerhalb von vier Arbeitstagen einen Grenzbeschlagnahmeantrag zu stellen. Tut er dies, folgt das bereits erläuterte Prozedere, an dessen Ende die Vernichtung gefälschter Waren steht.
Im Falle von größeren Aufgriffen gefälschter Waren leiten die Zollfahndungsämter regelmäßig strafrechtliche Ermittlungen ein. Es ist aber auch den Originalherstellern, deren Marken verletzt wurden, unbenommen, Strafanzeige zu stellen und auf Basis der Informationen, die sie im Rahmen des Zollverfahrens insbesondere über den Versender und den Empfänger der gefälschten Waren erhalten haben, zivilrechtliche Schritte zu ergreifen.
Fazit: Rechtliche Instrumentarien zur Fälschungsbekämpfung während COVID-19-Pandemie von besonderer Relevanz
Die COVID-19-Pandemie hat durch den enorm gestiegenen Bedarf an persönlicher Schutzausrüstung, Medizinprodukten und Arzneimitteln Produktfälschern neue Betätigungsbereiche mit erheblichen Gewinnmargen eröffnet. Daraus resultieren immense Risiken: in tatsächlicher Hinsicht für diejenigen, die unwissend gefälschte Produkte, wie z.B. Atemschutzmasken, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel verwenden, in rechtlicher Hinsicht aber auch für diejenigen, die in den Handel mit derartigen Produkten neu einsteigen.
Das deutsche Recht hält auf zivilrechtlicher, strafrechtlicher und zollrechtlicher Ebene diverse effektive Instrumente zur Fälschungsbekämpfung bereit, die sich in anderen Produktfeldern bewährt haben und nun im Rahmen der COVID-19-Pandemie besondere Bedeutung entfalten.
In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tips Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtliche) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüsse. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte.
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