6. April 2020
Corona Genossenschaft
Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft Corporate / M&A

COVID-19-Pandemie: Erleichterungen für Genossenschaften

Gesetzgeber beschließt Erleichterungen für Genossenschaften zur Aufrechterhaltung von deren Handlungsfähigkeit.

Bereits am 27. März 2020 wurde das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie″ (Gesetz) verkündet, das Bundestag und Bundesrat im Eilverfahren verabschiedet hatten.

Neben Erleichterungen für die Einberufung und Durchführung von Hauptversammlungen sieht das das Gesetz auch Erleichterungen für Genossenschaften vor; hierdurch soll die Handlungsfähigkeit der Organe der Genossenschaften in Zeiten der eingeschränkten Versammlungsmöglichkeiten gewährleistet werden.

Folgende Erleichterungen sieht das Gesetz vor:

Virtuelle General- bzw. Vertreterversammlung

Beschlüsse der Mitglieder können auch ohne entsprechende Regelung in der Satzung schriftlich oder elektronisch gefasst werden. Damit müssen Mitglieder nicht mehr physisch an Präsenzversammlungen teilnehmen, sondern können schriftlich oder in elektronischer Form abstimmen.

Darüber hinaus geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine General- bzw. Vertreterversammlung (Versammlung)auch als rein virtuelle Versammlung ohne physische Präsenz durchgeführt werden kann.  Die Zulässigkeit einer solchen virtuellen Versammlung bei der Genossenschaft ist in der juristischen Literatur (bislang) umstritten. Dennoch ist aufgrund des eindeutigen gesetzgeberischen Willens – jedenfalls in der aktuellen Situation – von der Zulässigkeit einer reinen Online Versammlung auszugehen.

Anders als bei der Ermächtigung zur Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung stellt der Gesetzgeber keine weiteren Erfordernisse an die Durchführung einer virtuellen Versammlung oder die schriftliche bzw. elektronische Stimmabgabe auf oder schränkt diese ein. Der Vorstand muss nach dem Gesetz lediglich dafür sorgen, dass die Versammlungsniederschrift ein Verzeichnis der Mitglieder, die an der Beschlussfassung mitgewirkt haben, beinhaltet. Bei jedem abstimmenden Mitglied ist zudem die Art der Stimmabgabe zu vermerken. Entsprechendes gilt für die Stimmabgabe durch Vertreter.

Einschränkungen der Anfechtungsmöglichkeiten

Um Genossenschaften zu ermutigen, von der Möglichkeit einer virtuellen Generalversammlung Gebrauch zu machen, sind die Anfechtungsmöglichkeiten der Mitglieder eingeschränkt: Eine Anfechtung aufgrund technischer Störungen ist ausgeschlossen, es sei denn der Genossenschaft kann Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden; die Beweislast liegt damit beim klagenden Mitglied.

Einberufung der Versammlung

Die Einberufung der Versammlung ist auch ohne entsprechende Regelung in der Satzung über die Internetseite der Genossenschaft oder durch unmittelbare Benachrichtigung der Mitglieder bzw. Vertreter in Textform, d.h. etwa per E-Mail, möglich. Die Einberufungsfrist von zwei Wochen bleibt demgegenüber unverändert und ist für eine fehlerfreie Einberufung zwingend einzuhalten (Ausnahme: Vollversammlung).

Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat

Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen sowie gemeinsame Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat können auch ohne Grundlage in der Satzung oder in der jeweiligen Geschäftsordnung im Umlaufverfahren in Textform oder als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden. Eine entsprechende Möglichkeit hat das Genossenschaftsgesetz bislang nur für Sitzungen des Aufsichtsrats vorgesehen.

Feststellung des Jahresabschlusses

Anstelle der Generalversammlung kann auch der Aufsichtsrat den Jahresabschluss feststellen. Mit dieser Erleichterung schafft der Gesetzgeber einen doppelten Boden für den Fall, dass trotz der Möglichkeit einer virtuellen Versammlung keine Versammlung abgehalten werden kann. Auch will er so Nachteile durch die Nicht-Feststellung des Jahresabschlusses, z.B. für die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens oder den Anspruch auf die Auszahlung des Gewinnanteils, verhindern. Die Regelungen von § 48 Abs. 2 und 3 GenG gelten weiter fort.

Abschlagszahlungen auf Auseinandersetzungsguthaben und Dividenden

Auch ohne Ermächtigung in der Satzung kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats nach pflichtgemäßem Ermessen Abschlagszahlungen auf zu erwartende Auszahlungen auf ein Auseinandersetzungsguthaben oder die zu erwartende Dividende beschließen. Sollte es nicht zu einer Versammlung kommen, sollen hierdurch mögliche Liquiditätsengpässe bei (ausscheidenden) Mitgliedern vermieden werden.

Amtsdauer von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern

Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder bleiben auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Ferner darf die Anzahl der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats gegenwärtig geringer als die durch Gesetz oder Satzung bestimmte Mindestzahl sein. Diese Erleichterung dient in erster Linie der Entlastung der Gerichte, die vor zahlreichen Notbestellungen geschützt werden sollen.

Zeitliche Geltung des Gesetzes

Das Gesetz findet vorerst auf die im Jahr 2020 stattfindenden Versammlungen, festzustellenden Jahresabschlüsse, zu leistenden Abschlagszahlungen sowie ablaufenden Bestellungen von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern und Sitzungen des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats Anwendung. Abzuwarten bleibt, ob der Gesetzgeber die Geltungsdauer des Gesetzes verlängern wird. Eine Verlängerung wäre durch Rechtsverordnung bis zum 31. Dezember 2021 möglich.

Virtuelle Versammlung im Einzelfall abzuwägen

Die vom Gesetzgeber beschlossenen Erleichterungen zielen in erster Linie auf eine kurzfristige und möglichst reibungslose Vorbereitung und Durchführung präsenzloser Versammlungen ab. Insbesondere durch die vorübergehenden Kompetenzverlagerungen soll die Notwendigkeit für Versammlungen auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Da die Durchführung einer Präsenzversammlung derzeit ausgeschlossen scheint, sollten bereits einberufene Präsenzversammlungen abgesagt werden.

Die Durchführung virtueller Versammlungen stellt einen nicht zu unterschätzenden organisatorischen und technischen Aufwand dar. Sofern es die Situation der Genossenschaft zulässt, könnte es sich daher anbieten, Versammlungen zunächst zu verschieben und die weitere Entwicklung abzuwarten. Eine Verletzung des Sechsmonatsfrist des § 48 Abs. 1 S. 3 GenG soll nach dem Willen des Gesetzgebers weder Sanktionen zur Folge haben noch soll die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung in Zweifel gezogen werden können. Die Entscheidung zur Einberufung und Durchführung einer virtuellen Versammlung gilt es im Einzelfall abzuwägen; entscheidend für die Frage der Verschiebung ist das Interesse der Genossenschaft, was auch das Mitgliederinteresse umfasst.

Anders als bei den entsprechenden Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen hat der Gesetzgeber (leider) keine Aussage dazu getroffen, welche Voraussetzungen an die Durchführung von virtuellen Versammlung zu stellen sind; insbesondere  hat er nicht ausdrücklich Rechte von Mitgliedern in der Versammlung, wie etwa das Auskunftsrecht oder das Rederecht, eingeschränkt. Da dennoch der gesetzgeberische Wille zu erkennen ist, in Zeiten der Corona-Krise möglichst reibungslos und ohne Aufwand Versammlungen von Genossenschaften durchzuführen, müssen pragmatische Lösungen für die Abhaltung von General- und Vertreterversammlungen entwickelt werden, die sich teils an den Gepflogenheiten bei Hauptversammlungen orientieren könnten.

In unserer Blogreihe „Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft″ informieren wir Sie über die getroffenen Hilfsmaßnahmen, deren Wirksamkeit und die sonst zu berücksichtigenden unternehmerischen „Stolpersteine″, die das Coronavirus mit sich gebracht hat. Bisher erfolgt sind Beiträge zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und wie dies bei M&A-Transaktionen hilft, zum CoVInsAG, zum Kurzarbeitergeld und der Kurzarbeitergeldverordnung sowie den Auswirkungen auf Kreditverträge. Es folgten Beiträge zu den steuerlichen Auswirkungen, zur EU-Beihilfemöglichkeiten, zum Schutz vor Kündigungen von Wohn- und Geschäftsräumen und Mietverhältnissen allgemein sowie zum Wirtschaftsstabilisierungsfond und damit verbundenen, offenen Fragen zum WSF. Weiter beschäftigten wir uns mit dem Erlass des BMI zu bauvertraglichen Fragen, mit Finanzhilfen für Unternehmen, den Fördermöglichkeiten und mit den steuerliche Maßnahmen, mit Cash-Pooling und dem Gesetz zum Darlehensnehmerschutz sowie den alternativen Wegen zur Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen.


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