Schlaglicht auf die wesentlichen Aspekte der Fusionskontrolle bei Joint Ventures.
Mit der Gründung eines Joint Ventures lassen sich häufig erhebliche Synergieeffekte erzielen. Damit einher geht aber auch eine – zumindest teilweise – Zusammenarbeit zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen.
Das ruft naturgemäß die Kartellbehörden auf den Plan. Aus der Sicht der Fusionskontrolle besteht die Gefahr, dass die Marktstruktur nachteilig für den Wettbewerb verändert wird. Um dies ex ante zu prüfen, können sowohl die Gründung eines Joint Ventures als auch eine spätere Veränderung der Gesellschafterstruktur unter die Fusionskontrolle fallen.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen fusionskontrollrechtlichen Aspekte.
Joint Ventures sind bei den Kartellbehörden anzumelden, sobald die formellen Anmeldevoraussetzungen erfüllt sind
Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Joint Venture Gründung oder die Veränderung der Gesellschafterstruktur der Fusionskontrolle unterliegt, sind regelmäßig die folgenden drei formellen Aspekte relevant:
- Liegt ein Zusammenschlusstatbestand im Sinne des jeweiligen Fusionskontrollrechts vor?
- Handelt es sich bei dem Gemeinschaftsunternehmen um ein Vollfunktions- oder ein Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen?Überschreiten die Parteien die relevanten Schwellenwerte?
Die Transaktion muss die Voraussetzungen eines „Zusammenschlusses“ erfüllen
Nicht jede Transaktion ist auch ein fusionskontrollrechtlich relevanter Zusammenschluss. Die EU-Fusionskontrolle stellt allein darauf ab, ob ein oder mehrere Unternehmen aufgrund der Transaktion Kontrolle über das Joint Venture erwerben bzw. ob es zu einer Veränderung der Kontrollstruktur kommt.
Auch das deutsche Recht folgt grundsätzlich diesem Ansatz. Darüber hinaus liegt nach dem GWB aber – und zwar unabhängig von Änderungen in der Kontrollstruktur – auch ein Zusammenschluss vor, wenn ein Unternehmen erstmalig mindestens 25 % des Kapitals oder der Stimmrechte des Joint Ventures erwirbt. In Ausnahmefällen kann sogar der Erwerb von weniger als 25 % des Kapitals oder der Stimmrechte einen Zusammenschlusstatbestand nach deutschem Recht erfüllen.
In der Praxis werden Joint Ventures – zumindest bei einer geringen Gesellschafterzahl – häufig durch die Mütter gemeinsam kontrolliert. Gemeinsame Kontrolle liegt im fusionskontrollrechtlichen Sinne bereits dann vor, wenn mehrere Mütter nur gemeinsam das strategische Wirtschaftsverhalten des Joint Ventures bestimmen können (sog. gemeinsame negative Kontrolle). Typische Fälle von gemeinsamer negativer Kontrolle sind 50/50 Joint Ventures, in welchen beide Mütter gleiche Stimmrechte halten. Jedes der beiden Mutterunternehmen kann dann strategische geschäftspolitische Entscheidungen blockieren, so dass ein Einigungszwang zwischen den Mutterunternehmen besteht.
Auf EU-Ebene müssen grundsätzlich nur Joint Ventures mit Vollfunktion angemeldet werden
Auf Ebene der EU-Fusionskontrolle besteht grundsätzlich nur dann eine Anmeldepflicht, wenn es sich bei dem Joint Venture um ein sog. Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen handelt. Vollfunktion besteht dann, wenn das Joint Venture dauerhaft alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt. Dafür muss das Joint Venture eine auf Dauer angelegte Wirtschaftstätigkeit entfalten, ausreichende Ressourcen für eine eigenständige Marktpräsenz aufweisen und eine aktive Rolle im Markt unabhängig von seinen Müttern spielen. Wann genau diese Kriterien erfüllt sind, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht statisch beantwortet werden. Mit dem Kriterium der Vollfunktion grenzt die EU-Fusionskontrolle eine Kooperation von Unternehmen in Form von sog. Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen ab, bei der das Joint Venture weniger konzentrative Züge aufweist.
Das Kriterium der Vollfunktion findet sich in vielen, aber nicht allen nationalen Rechtsordnungen. Wichtige Ausnahmen sind insbesondere die Fusionskontrollvorschriften in Deutschland, Österreich und Polen, die auch Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen erfassen.
Die beteiligten Unternehmen müssen die (Umsatz-)Schwellenwerte überschreiten
In den meisten Jurisdiktionen kommt es neben dem Vorliegen eines Zusammenschlusses (und ggfs. dem Vorliegen der Vollfunktion) für die Frage der Anmeldepflicht zusätzlich darauf an, dass die beteiligten Unternehmen bestimmte Umsatz-, Asset- oder Marktanteilsschwellen überschreiten. Bei der Prüfung der Schwellen kommt es in der Regel nicht auf das jeweils an der Transaktion unmittelbar beteiligte Unternehmen an, sondern auf die komplette Unternehmensgruppe, der das Unternehmen angehört.
Gleichklang zwischen geographischem Tätigkeitsbereich des Joint Ventures und Anmeldepflichten?
Für die Frage der formellen Anmeldepflicht spielt es nicht automatisch eine Rolle, ob ein Joint Venture in einem Land oder einer spezifischen Region tätig werden soll oder tätig ist. Die Schwellenwerte können durch die konzernweiten Umsätze der Mutterunternehmen „gerissen“ werden, selbst wenn diese mit Tätigkeiten erzielt werden, die in keinem Zusammenhang zum Joint Venture stehen. Eine Anmeldepflicht in Deutschland kann ausnahmsweise wieder entfallen, wenn die Transaktion keine hinreichenden Inlandsauswirkungen hat. Auf EU-Ebene gibt es demgegenüber keine entsprechende Ausnahme, auch die Gründung eines Joint Ventures in Asien, das keine Tätigkeiten in Europa entfalten soll, kann bspw. bei der Europäischen Kommission anmeldepflichtig sein, wenn die Mutterunternehmen die relevanten Schwellenwerte überschreiten.
Kein Vollzug vor Freigabe bei Vorliegen der Aufgreifvoraussetzungen
Anmeldepflichtige Transaktionen dürfen nicht vor Freigabe der relevanten Kartellbehörden vollzogen werden (sog. Vollzugsverbot). Ein Vollzug vor Freigabe bspw. durch die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens mit entsprechender Anteilsverteilung kann mit einem empfindlichen Bußgeld geahndet werden. Reine Vorbereitungshandlungen sind demgegenüber erlaubt, die Abgrenzung zwischen unzulässigem (Teil-)Vollzug und zulässiger Vorbereitungshandlung kann im Einzelfall jedoch schwierig sein.
Materielle Prüfung: Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs und Koordinierung auf Mutterebene
In einem Joint Venture rücken unabhängige Unternehmen wirtschaftlich näher zusammen. Das Bundeskartellamt und die Europäische Kommission prüfen daher im Rahmen der Fusionskontrolle, ob durch die Transaktion wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das Gemeinschaftsunternehmen eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. Die Europäische Kommission untersucht im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens darüber hinaus, inwiefern das Joint Venture zu der Gefahr führt, dass die Muttergesellschaften ihr Marktverhalten außerhalb des Joint Ventures abstimmen.
Wettbewerbsbehinderung durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
Legen zwei unabhängige, zueinander im Wettbewerb stehende Unternehmen ihre jeweiligen Marktaktivitäten durch Gründung eines Joint Ventures (teilweise) zusammen, kann dies zu einer Konzentration führen, die die Schwelle von Marktmacht erreicht oder überschreitet. Eine marktbeherrschende Stellung wird in Deutschland gemäß § 18 Abs. 4 GWB ab einem Marktanteil von 40 % vermutet. Auf EU-Ebene gilt ein vergleichbarer Richtwert, ohne dass es eine dem § 18 Abs. 4 GWB entsprechende gesetzliche Vermutung gibt.
Sonstige Wettbewerbsbehinderungen: Insbesondere Abschottung im Vertikalverhältnis
Sind die Muttergesellschaften auf einem dem Joint Venture vor- bzw. nachgelagerten Markt tätig, prüfen die Kartellbehörden, ob eine Kundenabschottung (customer foreclosure) oder eine Abschottung von Einsatzmitteln (input foreclosure) zu erwarten ist. Eine Kundenabschottung liegt vor, wenn die vorgelagerten Wettbewerber durch die Beschränkung des Zugangs zu einem ausreichenden Kundenstamm abgeschottet werden. Eine Abschottung von Einsatzmitteln ist gegeben, wenn die Kosten der nachgeordneten Wettbewerber erhöht werden, indem ihr Zugang zu wichtigen Einsatzmitteln beschränkt wird. Hierbei müssen jeweils die Fähigkeit zur Abschottung, der Anreiz zur Abschottung und die Gesamtauswirkung auf den wirksamen Wettbewerb berücksichtigt werden.
Auf EU-Ebene wird auch eine mögliche Koordinierung der Muttergesellschaften geprüft
Durch die Zusammenarbeit im Joint Venture kann zudem die Gefahr bestehen, dass die Mütter ihr Wettbewerbsverhalten zum Schaden des Wettbewerbs koordinieren (sog. Spill-Over-Effekte). Voraussetzung hierfür ist, dass mindestens zwei Mütter auf einem Markt tätig sind, der mit dem Markt in Zusammenhang steht, auf dem das Joint Venture tätig ist.
Bleiben mindestens zwei Mütter auf demselben sachlichen und örtlichen Markt wie das Joint Venture tätig (Horizontalverhältnis), kann ein starker Anreiz bestehen, das jeweilige Wettbewerbsverhalten auf diesem Markt anzupassen. Insbesondere könnten die Mütter versuchen, durch abgestimmte Verhaltensweisen eine Kannibalisierung ihrer jeweiligen Verkäufe zu unterbinden.
Sind mindestens zwei Muttergesellschaften auf einem dem Joint Venture vor- bzw. nachgelagerten Markt tätig (Vertikalverhältnis), kann bspw. die Gefahr bestehen, dass die Muttergesellschaften über die Zusammenarbeit im Joint Venture wettbewerblich sensible Informationen erlangen, die es ihnen ermöglichen, ihr Wettbewerbsverhalten auf dem vor- bzw. nachgelagerten Markt anzupassen.
Die fusionskontrollrechtliche Freigabe des Bundeskartellamts erfasst nicht das Kartellverbot
Das Bundeskartellamt prüft im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens grundsätzlich nicht, ob eine Gefahr der Koordinierung zwischen den Müttern des Joint Ventures besteht. Die Freigabeentscheidung bezieht sich allein auf die Prüfung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Sinne von § 36 GWB. Das Kartellverbot aus Art. 101 AEUV, § 1 GWB bleibt daneben anwendbar und das Amt hat die Möglichkeit, bei entsprechenden Bedenken einen möglichen Verstoß gegen Art. 101 AEUV, § 1 GWB separat zu prüfen. Die Freigabe im Fusionskontrollverfahren entfaltet insoweit grundsätzlich keine „Sperrwirkung“.
Frühzeitige Analyse von Anmeldepflichten schafft Klarheit über Kosten und Timing
Die frühzeitige Identifizierung möglicher fusionskontrollrechtlicher Anmeldepflichten ist wichtig, um Klarheit über die Kosten und den Zeitplan der Gründung eines Joint Ventures zu schaffen. Liegen Anmeldepflichten vor, hängt wegen des Vollzugsverbots das Closing oftmals entscheidend vom Vorliegen der notwendigen Freigaben ab. Es sollten daher schon möglichst früh – typischerweise bereits vor Abschluss des Joint Venture Agreements – Anmeldepflichten geprüft werden. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist es ratsam und üblich, im Joint Venture Agreement das Vorliegen aller als relevant identifizierten Freigaben als eine sog. closing condition aufzunehmen.
Dem Auftakt zu unserer Serie „Joint Ventures“ folgten die Beiträge zur Geschäftsleitung, zur initialen Ausstattung eines Joint Ventures, zu Finanzierungsstrategien und zu asymmetrischen Joint Ventures. Anschließend kamen Beiträge zum Deadlock im Joint Venture, zu Pattsituationen und zur Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen. Zuletzt wurden Beiträge zu Ausgestaltungsmöglichkeiten für F&E-Partnerschaften, zu Joint Ventures im Infrastrukturbereich und zu E-Mobility Joint Ventures veröffentlicht.