10. Januar 2022
Schnellladeinfrastruktur Autobahn
Environment and Climate Change (ESG)

Deutschlandnetz Teil 2: Schnellladeinfrastruktur an Autobahnen

Wettbewerb um 200 Schnellladestandorte an Bundesautobahnen eröffnet: Das Verfahren zur Vergabe der Verträge für den zweiten Teil des Deutschlandnetzes ist auf den Weg gebracht.

Mit dem Deutschlandnetz soll eine flächendeckende, bedarfsgerechte und zuverlässige Schnellladeinfrastruktur geschaffen werden, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Nach dem Beginn des Verfahrens für 900 regionale Schnellladestandorte im November 2021 hat der Bund mit Veröffentlichung des Verfahrens über die Autobahnlose nunmehr den zweiten Schritt gemacht. 

Das Vergabeverfahren für weitere 200 Schnellladestandorte auf unbewirtschafteten Rastanlagen an Bundesautobahnen wurde noch kurz vor Jahresende 2021 auf den Weg gebracht. Bieter können ihren Teilnahmeantrag bis zum 25. Januar 2022 einreichen.

Transformation des Verkehrssektors 

Der Verkehrssektor steht vor einem grundlegenden Transformationsprozess. Die neue Regierung will Deutschland zum Leitmarkt der Elektromobilität entwickeln. Stand heute sind ca. eine halbe Million rein elektrisch betriebene Fahrzeuge in Deutschland zugelassen. Im Jahr 2030 sollen es mindestens 15 Millionen PKW sein. Auf diese Weise soll auch der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten.

Zentraler Baustein für die Erreichung des Ziels ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Nach dem Willen der Regierungsparteien werden bis zum Jahr 2030 eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte in Deutschland vorhanden sein. Den Schwerpunkt bilden dabei die Schnellladepunkte. Der Ausbau soll dem Bedarf vorausgehen. Im Dezember waren bei der Bundesnetzagentur etwas über 50.000 Ladepunkte gemeldet, davon ca. 7.500 Schnellladepunkte. Einen ersten Schritt, um diese Zahl zu erhöhen, stellt das Deutschlandnetz dar. Mit diesem bereits von der alten Bundesregierung gestarteten Projekt soll ein flächendeckendes Schnellladenetz (High Power Charging – HPC) geschaffen werden. 

Ausbau an Bundesautobahnen im Fokus

Das nunmehr gestartete Vergabeverfahren betrifft die Planung, Errichtung und den Betrieb von HPC-Schnellladepunkten auf unbewirtschafteten Rastanlagen an den Bundesautobahnen. Die Anlagen sind ausschließlich an Autobahnen gelegen, um auch die Autobahninfrastruktur mit Schnellladestandorten zu erschließen. Dies unterscheidet das Verfahren von den Regionallosen der ersten Ausschreibung vom Oktober 2021 für 900 Schnellladestandorte abseits der Bundesautobahnen. Das Verfahren der Regionallose bildet jedoch die Blaupause für das nunmehr laufende Verfahren für die Autobahnlose. 

Ausschreibung in sechs Losen 

Das Vergabeverfahren wird von der Autobahn GmbH des Bundes durchgeführt. Wie im Fall der Regionallose ist das Verfahren als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb konzipiert. Ausgeschrieben sind insgesamt sechs Lose. Jedes Los beinhaltet eine vergleichbare Anzahl an Schnellladestandorten und -punkten. Im Einzelnen verteilen sich diese sich wie folgt:

LosSchnellladestandorteSchnellladepunkte
134154
234158
332158
433160
534156
633166
Gesamt200952

Anders als bei den Regionallosen sind nicht mehr nur Suchräume vorgegeben, sondern bereits konkrete Standorte an den Bundesautobahnen festgelegt. Die Bieter müssen daher keine Standorte akquirieren. Vorgesehen ist, dass Ladeeinrichtungen über Ladepunkte verfügen, die eine Maximalleistung von 300 kW abgeben können. Bei mehreren gleichzeitigen Ladevorgängen ist eine Ladeleistung von 200 kW zu gewährleisten.

Die Bieter erhalten für die Errichtung und den Betrieb der Schnellladeinfrastruktur u.a. ein pauschales Errichtungsentgelt sowie ein jährliches Betreiberentgelt. Anders als bei den Regionallosen ist das Betreiberentgelt jedoch nicht explizit an die Verfügbarkeit der Schnellladepunkte gekoppelt. Der Bund erhält auch im zweiten Verfahren eine Entgeltbeteiligung in Höhe von voraussichtlich 15,45 ct (brutto) je abgegebener kWh Ladestrom. Ausgeschrieben wird der Vertrag für zunächst 96 Monate. Er kann um zwei Jahre verlängert werden. Möglich ist, dass sich die Verlängerung auf einzelne Standorte beschränkt. 

Frist für Teilnahmeanträge: 25. Januar 2022 

Mit der Auftragsbekanntmachung wurde der Teilnahmewettbewerb eröffnet. Bis zum 25. Januar 2022 können Bieter ihren Teilnahmeantrag abgeben. Ein Bieter kann für jedes Los einen Teilnahmeantrag einreichen. Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ist der Nachweis über die Errichtung und den Betrieb von mindestens 30 öffentlich zugänglichen Ladepunkten mit 50 kW oder von zehn öffentlich zugänglichen Ladepunkten mit mindestens 100 kW vorzulegen. Die Anforderung ist höher als bei den Regionallosen und unterstreicht, dass Adressaten des Verfahrens nunmehr größere Bieter und nicht mehr primär kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind. 

Bei den vorzulegenden Unterlagen fällt erneut auf, dass Darstellungen zur Konzernstruktur des Bieters oder des jeweiligen Mitgliedes einer Bewerbergemeinschaft gefordert werden. Bieter müssen die Beteiligungsverhältnisse an ihrem Unternehmen und ihre eigenen Beteiligungen vollständig wiedergeben. Dies umfasst eine Liste aller verbundenen Unternehmen. Hintergrund ist die Zuschlagslimitierung, die auch andere Konzernunternehmen erfasst.

Bieterauswahl 

Es ist beabsichtigt, losübergreifend acht geeignete Bieter zur Abgabe eines Erstangebotes aufzufordern. Über alle Lose hinweg sollen dabei die acht geeignetsten Bieter ermittelt werden. Dies erfolgt über die technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Anhand eines Punkteschemas werden die acht Bieter bestimmt. Das Schema umfasst als Kategorien die Erfahrung bei der Errichtung und dem Betrieb von Ladepunkten allgemein sowie von Schnellladepunkten und Schnellladehubs. Daneben fließt als weitere Kategorie die allgemeine Erfahrung bei der Planung und dem Bau von Zubehör/Nebenanlagen ein. Soweit mehrere Bieter die gleiche Punktzahl aufweisen, entscheidet das Los. Ob ein solcher Losentscheid für die Bieterauswahl im Teilnahmewettbewerb zulässig ist, ist in der Literatur umstritten. Aufgrund der ausdifferenzierten Wertungsmatrix ist jedoch zweifelhaft, ob diese Frage letztlich überhaupt beantwortet werden muss.

Zuschlag bereits auf Erstangebot möglich

Die so ermittelten Bieter werden zur Abgabe eines Erstangebotes aufgefordert. Im Vorhinein erhalten sie die finale Leistungsbeschreibung für die Errichtung. Diese ist noch nicht Gegenstand des Teilnahmewettbewerbs. Bislang wurden lediglich Eckpunkte bekanntgegeben. 

Für jedes Los kann ein Angebot abgegeben werden. Es ist möglich, dass bereits auf das Erstangebot der Zuschlag erteilt wird. Verhandlungen würden dann nicht stattfinden. Der öffentliche Auftraggeber betont jedoch bereits in der Auftragsbekanntmachung, dass es sich um eine komplexe Ausschreibung mit einem innovativen Charakter des Leistungsgegenstandes handle. Umfangreiche Bieterverhandlungen seien daher möglich. Dies deutet darauf hin, dass der Zuschlag erst nach Verhandlungen mit den Bietern erfolgen wird. Der Zuschlag wird daher auch nicht vor dem 3. Quartal 2022 erwartet. 

Zuschlagslimitierung 

Wie bei den Regionallosen ist eine Zuschlagslimitierung vorgesehen. Die Bieter können zwar für jedes Los ein Angebot abgeben. Jeder Bieter kann am Ende aber nur den Zuschlag für ein Los erhalten. Die Limitierung wird im Rahmen der Angebotswertung umgesetzt. Ihr Ziel ist es, den Wettbewerb abzusichern.

Die Zuschlagslimitierung gilt unabhängig davon, ob ein Unternehmen sein Angebot als alleiniger Bieter oder im Rahmen einer Bietergemeinschaft abgibt. Daneben wird auch berücksichtigt, wenn er als Unterauftragnehmer anderer Bieter einen maßgeblichen Einfluss auf die Leistungserbringung hat oder sich eines Unterauftragnehmers bedient, der diesen Einfluss ausübt. Ein maßgeblicher Einfluss soll vorliegen, wenn ein Unterauftragnehmer Betreiber oder Eigentümer der Ladeninfrastruktur ist oder die Höhe des Zugangsentgeltes bzw. der Zugangsbedingungen mitbestimmen kann.

Darüber hinaus erstreckt sich die Zuschlagslimitierung auf sämtliche Unternehmen innerhalb eines Konzerns. Miteinander verbundene Unternehmen werden dabei als ein Bieter behandelt. Im Grundsatz kann daher nur ein Los pro Konzern vergeben werden.

Die Zuschlagslimitierung gilt jedoch nicht absolut. Der Auftraggeber behält sich vor, den Zuschlag ohne Geltung der Zuschlagslimitierung für das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, wenn unter Anwendung der Zuschlagslimitierung für ein Los keine zuschlagsfähigen Angebote verbleiben. Hintergrund der Regelung ist es, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, auch wenn dies zu Lasten des Wettbewerbs geht. 

Wertungsmechanismus 

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot je Los erteilt. Die Zuschlagskriterien unterscheiden sich in Teilen von denen der Regionallose. Zunächst ist die Gewichtung des Preises mit 70 % höher, während die Qualität lediglich zu 30 % in die Wertung einfließt. Das Qualitätsmerkmal ist wiederum in zwei Unterkriterien aufgeteilt. Es umfasst die Bewertung des Errichtungskonzepts und die des Betriebskonzepts.

Die Wertung der Angebote erfolgt nach einem festgelegten Verfahren. Es wird zunächst bestimmt, dass die Wertung der Lose nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erfolgt. Diese ermittelt sich aus der Anzahl der Ladepunkte, der Anzahl der Angebote und der Summe der Leistungspunkte aller Angebote für das konkrete Los. Begonnen wird mit dem Los, das die höchste wirtschaftliche Bedeutung aufweist. Sodann werden die Lose in der Reihenfolge der absteigenden wirtschaftlichen Bedeutung gewertet. Bei der Wertung der einzelnen Angebote muss beachtet werden, dass ein Bieter nur für maximal ein Los den Zuschlag erhalten darf. Für den Fall, dass unter Beachtung der Zuschlagslimitierung kein zuschlagsfähiges Angebot verbleibt, kann von der Limitierung abgesehen werden. 

Flexible Preisobergrenze für Nutzer 

Wie bei den Regionallosen ist bei den Autobahnlosen im Vertragswerk eine flexible Preisobergrenze für das Laden vorgesehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist geplant, dass die Grenze bei 44 ct/kWh inkl. Umsatzsteuer liegt. Die Preisobergrenze kann mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe angepasst werden, um sie mit dem Wert der Regionallose zu synchronisieren und damit einen Gleichlauf herzustellen. 

Das Vertragswerk enthält zudem eine Innovationsklausel. Erfasst sind technische Neuerungen wie auch Innovationen im Bereich der Umgebungseinrichtungen, die den Komfort während des Ladevorgangs betreffen. Der Auftraggeber ist berechtigt, solche Maßnahmen testweise zu beauftragen. Auch muss der Betreiber die Schnellladeeinrichtungen während der Vertragslaufzeit technisch und mit Blick auf die Software weiterentwickeln und verbessern.

Mit der Ausschreibung der Autobahnlose ist der zweite Schritt zum Deutschlandnetz gemacht. Es bleibt abzuwarten, ob der gewählte Rahmen ausreichenden Wettbewerb ermöglicht. Für die Verkehrswende kommt dem Verfahren eine hohe Bedeutung zu. Es bleibt aber spannend. Angesichts der ambitionierten Ziele der Ampelkoalition ist damit zu rechnen, dass mit dem Deutschlandnetz noch nicht der Schlusspunkt im Bereich der Schnellladeinfrastruktur gesetzt ist.

In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal″, den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft und der Wasserstoffstrategie in Ungarn. Anschließend sind wir auf das Fit-for-55-Maßnahmenpaket und die Entwicklungen in der nationalen Wasserstoffstrategie der Türkei, auf die Beschaffungen des Bundes sowie die Auswirkungen der Sondierungsgespräche auf die Immobilienbranche eingegangen.

Tags: Autobahn Schnellladeinfrastruktur