21. Januar 2022
Gebäuderichtlinie Fit-for-55
Environment and Climate Change (ESG)

„Fit for 55“: Verschärfung der Gebäuderichtlinie geplant

Wie kann der Gebäudebestand in der EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden? Die Kommission schlägt eine umfassende Anpassung der Gebäuderichtlinie vor.

Die EU-Kommission hat am 15. Dezember 2021 einen Vorschlag für eine umfassende Überarbeitung der Gebäuderichtlinie vorgelegt. Mit den Neuregelungen soll das gesetzliche Rahmenwerk für die Klimaneutralität aller Gebäude in der EU bis zum Jahr 2050 geschaffen werden. 

Die Anpassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive – EPBD) ist Teil des „Fit for 55“-Pakets. Dieses im Juli 2021 von der Kommission vorgestellte Maßnahmenpaket hat eine nachhaltige Umgestaltung der europäischen Wirtschaft im Sinne des European Green Deal zum Ziel. Die Gebäuderichtlinie spielt dabei eng mit der Energieeffizienzrichtlinie zusammen. Letztere gibt die sektorenübergreifende Richtschnur für die europäische Energieeffizienzpolitik vor; ihre Novellierung ist ebenfalls im Zuge von „Fit for 55“ geplant.

Die EU-Kommission will nunmehr durch die Überarbeitung der Gebäuderichtlinie die CO2-Emissionen und den Endenergieverbrauch im Gebäudesektor in der Europäischen Union bis 2030 verringern. Zudem soll im Hinblick auf die angestrebte Klimaneutralität der EU im Jahr 2050 eine langfristige Vision für Gebäude geschaffen werden. Um diese Ziele zu erreichen, soll die Rate und Tiefe von Gebäudesanierungen erhöht, die Informationslage über die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit von Gebäuden verbessert und sichergestellt werden, dass alle Gebäude den Anforderungen an die Klimaneutralität im Jahr 2050 entsprechen. 

Der Vorschlag der Kommission für die Anpassung der Gebäuderichtlinie sieht im Einzelnen folgende Regelungen vor: 

Neubau: Nur noch Null-Emissions-Gebäude ab 2030

Neubauten sollen ab dem Jahr 2030 als sog. „zero emission buildings“ errichtet werden. Dies sind Gebäude mit einer sehr hohen Gesamtenergieeffizienz, die ihren geringen Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Quellen decken, sofern dies technisch möglich ist. Die Energieerzeugung soll dabei vorzugsweise durch Anlagen vor Ort oder aus Abwärme aus einem Fernwärme- und Fernkältesystem erfolgen.

Für öffentliche Gebäude sollen diese Bestimmungen aufgrund ihrer Vorbildfunktion bereits ab dem Jahr 2027 gelten. Im privaten Sektor soll bis zum Jahr 2030 zunächst der Standard des Niedrigstenergiegebäudes („nearly zero energy building“) für Neubauten maßgeblich bleiben. Ab 2030 gilt sodann ebenfalls das Leitbild des „zero emission building“.

Zudem soll für Neubauten die Pflicht eingeführt werden, deren Emissionen über den gesamten Lebenszyklus („life-cycle Global Warming Potential“ – GWP) auszuweisen. Da diese Emissionen insbesondere für große Gebäude relevant sind, soll die Verpflichtung zur Ausweisung des GWP für Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 2.000 Quadratmetern bereits ab dem Jahr 2027 gelten. Für alle anderen Gebäude gilt sie ab 2030.

Bestand: Gebäude der Effizienzklasse G müssen bis 2027 renoviert sein

Der Vorschlag der Kommission beinhaltet nicht nur für den Neubau ambitionierte Ziele. Auch die Energieeffizienz von Bestandsimmobilien soll deutlich verbessert werden.

Die Kommission will dabei den Fokus zunächst auf die 15 % der am wenigsten energieeffizienten Gebäude eines jeden Mitgliedstaates legen; nach einer Schätzung des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW beträfe dies in Deutschland drei Millionen Bestandsgebäude. Nichtwohngebäude sollen nunmehr bis zum Jahr 2027 und Wohngebäude bis zum Jahr 2030 von der Energieeffizienzklasse G im Zuge einer energetischen Sanierung auf mindestens die Energieeffizienzklasse F angehoben werden. In einem weiteren Schritt soll dann eine weitere Hochstufung auf die Energieeffizienzklasse E erfolgen, die für Nichtwohngebäude bis 2030 und für Wohngebäude bis 2033 abgeschlossen sein soll.

Die Mitgliedstaaten sollen außerdem in nationalen Gebäuderenovierungsplänen spezifische Fristen für die Erreichung höherer Energieeffizienzklassen jeweils bis 2040 und 2050 festlegen. Diese müssen nachweislich dazu beitragen, die Umwandlung des nationalen Gebäudebestands in Null-Emissions-Gebäude zu erreichen. 

Energieausweise werden harmonisiert

Um die Transparenz im Gebäudesektor zu erhöhen, soll europaweit bis zum Jahr 2025 eine harmonisierte Skala für Energieausweise eingeführt werden. Die Skala soll in allen Mitgliedstaaten von der Klasse A bis zur Klasse G reichen. Die Werte für die jeweiligen Klassen der Gesamtenergieeffizienz sollen sich an der Vision eines Null-Emissions-Gebäudebestands bis 2050 unter Berücksichtigung der nationalen Unterschiede im Gebäudebestand orientieren: Die höchste Klasse A steht dabei für ein Null-Emissions-Gebäude, während die niedrigste Klasse G die bereits erwähnten 15 % der Gebäude mit den schlechtesten Werten in den nationalen Gebäudebeständen umfasst.

Der Indikator, auf dessen Grundlage die Gebäude bewertet werden (Primärenergieverbrauch in kWh/(m2.y)), soll unverändert bleiben, wird jedoch durch einen Indikator für betriebliche Treibhausgasemissionen und erneuerbare Energien ergänzt. Andere Indikatoren können die Mitgliedstaaten weiterhin zwecks Anpassung an die nationalen Gegebenheiten auf freiwilliger Basis auswählen.

Die Gültigkeit der Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz der unteren Klassen D bis G soll auf fünf Jahre verkürzt werden, um die Anreize für eine energetische Sanierung weiter zu erhöhen.

Des Weiteren soll die Pflicht zur Erstellung eines Energieausweises ausgeweitet werden auf Gebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, Gebäude, für die ein Mietvertrag verlängert wird, und alle öffentlichen Gebäude. Diese Erweiterung soll erreichen, dass die Energieeffizienz des Gesamtgebäudebestands in einem Mitgliedstaat mittels der Erstellung von Energieausweisen möglichst lückenlos erfasst wird.

Für Gebäude, die zur Vermietung oder zum Verkauf angeboten werden, soll zum Zwecke der Transparenz gegenüber Verbrauchern* ein Ausweis vorgelegt und die Energieeffizienzklasse in allen Anzeigen angegeben werden. 

Schließlich sollen die Mitgliedstaaten nationale Datenbanken aufbauen, in denen die Energieausweise für Gebäude erfasst werden.

Förderung der E-Mobilität

Der Vorschlag der EU-Kommission enthält neben den Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden auch gebäudebezogene Vorgaben zur Förderung von klimafreundlichen Mobilitätsformen. Diese gelten sowohl für Neubauten als auch für Gebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden. 

Zum einen soll eine Vorverkabelung, die eine spätere Installation von Ladestationen ermöglicht, Pflicht werden. Zum anderen sollen in neuen und renovierten Bürogebäuden verstärkt betriebsbereite Ladestationen eingerichtet werden und die Mitgliedstaaten sollen die Hindernisse für die Einrichtung von Ladestationen in Wohngebäuden beseitigen, indem auf Seiten der Nutzer ein „right to plug“ gewährleistet wird. Schließlich soll die Gewährleistung von Fahrradstellplätzen obligatorisch werden. 

Realisierung der Maßnahmen durch verstärkten Einsatz von Förderinstrumenten

Die Umsetzung des Vorschlags für die Novellierung der Gebäuderichtlinie will die Kommission durch vermehrte finanzielle Förderung entsprechender Maßnahmen erleichtern. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten insbesondere auf, Finanzierungsanreize und -mechanismen zu schaffen, die einen energieeffizienten Gebäudebestand fördern und insbesondere die dafür notwendigen Renovierungen und Sanierungen in den Blick nehmen. Dies schließt auch die Abkehr von solchen Fördermaßnahmen ein, die den Wandel hin zu einem energieeffizienten Gebäudebestand behindern.

Vor diesem Hintergrund sollen ab 2027 von mitgliedstaatlicher Seite keine Subventionen mehr für Heizkessel, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, gewährt werden. Daneben soll den Mitgliedstaaten sogar die rechtliche Möglichkeit gewährt werden, diese Heizkessel vollständig zu verbieten.

Auf Seiten der positiven Fördermaßnahmen lässt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten einigen Gestaltungsspielraum. Eine beispielhafte Option, die nach Ansicht der EU-Kommission die Erhöhung der Gebäudeeffizienz in den Mitgliedstaaten substantiell fördern würde, wäre die Schaffung eines „Hypothekenportfolio-Standards“ („mortgage portfolio standard“). Dieser Mechanismus soll Kreditgebern einen Anreiz zur Verbesserung der Energieeffizienz ihres Gebäudeportfolios bieten und potenzielle Kunden dazu bewegen, ihre Immobilien energieeffizienter zu gestalten. 

Nächste Schritte: Einigung auf EU-Ebene und Umsetzung in nationales Recht erforderlich

Der Vorschlag der Kommission für die Anpassung der Gebäuderichtlinie wird nun von den Mitgliedstaaten sowie dem Europäischen Parlament diskutiert. Ähnlich wie bei der geplanten Novellierung der Energieeffizienzrichtlinie ist dabei mit Gegenwind insbesondere aus denjenigen Mitgliedstaaten zu rechnen, die bisher über einen geringen Bestand an energieeffizienten Gebäuden verfügen. 

Auch in Deutschland werden jedoch einige Anpassungen des nationalen Rechts im Zuge eines Umsetzungsrechtsakts notwendig werden, sobald auf EU-Ebene eine Einigung erzielt und die Gebäuderichtlinie angepasst wurde. Das insoweit maßgebliche Regelwerk ist das Gebäudeenergiegesetz. Dieses wurde erst Ende 2020 umfassend überarbeitet – ebenfalls aufgrund einer Anpassung der Gebäuderichtlinie.

Unabhängig von der finalen Ausgestaltung der Gebäuderichtlinie im Einzelnen steht fest, dass sich die Regelungen für die Energieeffizienz sowohl für Neubauten als auch für Bestandsimmobilien in Deutschland in den nächsten Jahren erheblich verschärfen werden. Diese Zielsetzung hat kürzlich auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden: Dieser sieht eine deutliche Anhebung der Energieeffizienzanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes in der nächsten Legislaturperiode vor. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen die Ampelkoalition letztlich implementieren wird, um den europäischen Anforderungen an die Gebäudeeffizienz gerecht zu werden.

In der Serie „Environment and Climate Change“ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal“, den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft und der Wasserstoffstrategie in Ungarn. Anschließend sind wir auf das Fit-for-55-Maßnahmenpaket und die Entwicklungen in der nationalen Wasserstoffstrategie der Türkei, auf die Beschaffungen des Bundes sowie die Auswirkungen der Sondierungsgespräche auf die Immobilienbranche eingegangen.

Tags: E-Mobilität Fit-for-55 Gebäuderichtlinie Nachhaltigkeit Real Estate & Public