13. Oktober 2011
Gesetzesentwurf für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit vorgelegt
Vergaberecht

Gesetzesentwurf für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit vorgelegt

Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verteidigungsvergaberichtlinie (2009/81/EG) in einer elektronischen Vorabfassung vorgelegt. Hierbei handelt es sich um den zwischenzeitlich als Bundesrats-Drucksache (464/11) eingebrachten Entwurf, der gegenüber dem 1. Entwurf (wir berichteten) einige Änderungen, hauptsächlich redaktioneller Art, vorsieht. In der nunmehr veröffentlichten Fassung sind die Äußerungen des Bundesrates zu dem Gesetzesentwurf und die Gegenäußerung der Bundesregierung enthalten.

Streit um das Zuschlagsverbot

Der Bundesrat hatte einige redaktionelle Änderungen in § 100  GWB-E vorgesehen, die von der Bundesregierung mit Abstrichen angenommen wurden. Keine Einigung konnte hingegen bei der Anpassung des § 115 Abs. 4 GWB erzielt werden, in dem der Wegfall des Zuschlagsverbots geregelt ist, erzielt werden.

Informiert die Vergabekammer den öffentlichen Auftraggeber über den Eingang des  Nachprüfungsantrags eines Bieters, darf kein Zuschlag für den öffentlichen Auftrag erteilt werden, bis die Vergabekammer über den Antrag entschieden hat und die Beschwerdefrist abgelaufen ist (§ 115 Abs. 1 GWB). Eine Ausnahme von dieser Wartefrist sieht § 115 Abs. 4 GWB vor, um den nunmehr der Streit entbrannt ist. Hiernach entfällt das Zuschlagsverbot zwei Kalendertage nach Zustellung eines Schriftsatzes, in dem das Vorliegen eines geheimhaltungsbedürftigen und sicherheitsrelevante Auftrags gemäß  § 100 Abs. 2 lit d) GWB geltend gemacht wird. In der Sache bedeutet der Wegfall des Zuschlagsverbots für die Bieter in einem Vergabeverfahren eine einschneidende Rechtsbeschränkung, da die Bieter keine Chance mehr haben, den ausgeschriebenen Auftrag zu erhalten, wenn der Zuschlag einmal erfolgt ist. Im Fall einer rechtswidrigen Vergabe können Sie dann allenfalls noch Schadenersatz geltend machen.

Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.06.2011, Az.: VII – Verg 49/11) hatte in einer jüngeren Entscheidung die Auffassung vertreten, dass der Wegfall des Zuschlagsverbots nicht gelten kann, wenn es sich um Aufträge im Anwendungsbereich der Verteidigungsvergaberichtlinie (2009/81/EG) handelt, weil dort eine Zuschlagssperre vorgesehen ist.

Der Bundesrat hatte deshalb die Streichung von § 115 Abs. 4 GWB gefordert. Denn die Tatbestände des § 100 Abs. 2 lit d) aa)-cc) GWB sind mit wenigen Änderungen in den Gesetzesentwurf (§ 100 Abs. 8 Nr. 1-3 GWB-E) eingeflossen. Dem ist die Bundesregierung nicht gefolgt. Sie ist der Auffassung, dass eine Anpassung nicht notwendig sei, weil der neue Gesetzesentwurf den Wegfall des Zuschlagsverbots nur für Fälle vorsehe, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Verteidigungsvergaberichtlinie (2009/81/EG) lägen. Zur Stärkung der Rechtsschutzmöglichkeiten befürwortet die Bundesregierung eine Verlängerung des Zuschlagsverbots von zwei Kalendertagen auf fünf Werktage.

Bewertung

Der Bundesregierung ist zuzugeben, dass insoweit ein Verstoß gegen die  Verteidigungsvergaberichtlinie (2009/81/EG) nicht zu befürchten ist. Die Diskussion macht die Schwierigkeiten deutlich, die die Umsetzung der verschiedenen europäischen Rechtsgrundlagen mit sich bringen. Ob die vorgesehenen Ausnahmetatbestände tatsächlich im Einklang mit dem übrigen Europarecht etwa der Vergabekoordinierungsrichtlinie (2004/18/EG) stehen, wird dagegen noch zu klären sein. Zweifel ergeben sich insbesondere für die Rechtfertigung der Tatbestände von § 100 Abs. 8 Nr. 3 GWB-E. Die ″Beschaffung von Informationstechnik″ und „Telekommunikationsanlagen″ ist danach etwa vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts und damit auch vom Zuschlagsverbot ausgenommen, wenn die „Nichtanwendung des Vergaberechts geboten ist″. Eine Rechtfertigung für einen derart weiten und unbestimmten Ausnahmetatbestand ist in der Vergabekoordinierungsrichtlinie (2004/18/EG) nicht ersichtlich. In der aktuell geltenden Fassung des § 100 Abs. 2 lit. d) cc) GWB müssen im Unterschied dazu „wesentliche Sicherheitsinteressen″ bei der  Beschaffung von Informationstechnik und Telekommunikationsanlagen die Nichtanwendbarkeit des Kartellvergaberechts gebieten. Da eine Beschränkung auf sicherheitssensible Beschaffung von Informationstechnik und Telekommunikationsanlagen nicht erfolgt, dürfte auch eine Rechtfertigung über Artikel 36, 51, 52, 62, 346 AEUV, die die nationalstaatliche Souveränität im Sicherheitsbereich schützen, nicht in Betracht kommen.

Der deutsche Gesetzgeber geht hier ohne Not das Risiko eines Verstoßes gegen Europarecht ein. Auch im Interesse des Rechtsschutzes von Bietern bleibt daher zu hoffen, dass im Gesetzgebungsverfahren noch eine Anpassung erfolgt.

Tags: Bundesrat Informationstechnik Oberlandesgerichte Verteidigungsvergaberichtlinie VII - Verg 49/11 Zuschlagsverbot