19. Dezember 2017
Maßnahmenpaket Binnenmarkt
Vergaberecht

Neues Maßnahmenpaket zur Stärkung des EU-Binnenmarktes

Grenzüberschreitende Auftragsvergaben: Vom Vertrauen in die Nachprüfbarkeit der Vergabeentscheidungen bis hin zum Mut zur internationalen Zusammenarbeit.

Auf ca. 2 Billionen EUR schätzt die EU-Kommission die gesamten öffentlichen Ausgaben die binnen eines Jahres in der EU für Bauaufträge, Waren und Dienstleistungen getätigt werden. Dies entspricht etwa 14 % des BIP der gesamten EU. Direkte grenzüberschreitende Aufträge machen bislang nur 3,5 % des EU-Binnenmarkts für öffentliche Aufträge aus, wobei der Wert deutlich steigt, wenn Aufträge über ausländische Tochterunternehmen einbezogen werden. Solche indirekten grenzüberschreitenden Aufträge haben einen Anteil von über 20 %.

Auch wenn die Schaffung des EU-Binnenmarkts zweifellos eine große Errungenschaft ist, konstatiert die EU-Kommission, dass die durchschnittliche Zahl der Angebote je Ausschreibung zurückgehe. Der Zugang zu Beschaffungsmärkten, insbesondere der grenzüberschreitende Zugang, sei somit in den letzten Jahren deutlich schwieriger geworden.

Prioritäten der EU-Kommission für 2018

In ihrer Mitteilung zu einer funktionierenden öffentlichen Auftragsvergabe in und für Europa vom 03. Oktober 2017 erklärt die EU-Kommission ihre Entschlossenheit bis Ende 2018 ein Maßnahmenpaket mit sechs Prioritäten umzusetzen:

  • Förderung einer strategischen öffentlichen Auftragsvergabe
  • Professionalisierung öffentlicher Käufer
  • Verbesserung des Zugangs zu Märkten für öffentliche Aufträge
  • Mehr Transparenz, Kohärenz und bessere Datenqualität
  • Verstärkte Digitalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe
  • Zusammenarbeit bei der Auftragsvergabe

Handelsabkommen wie CETA verbessern Marktzugang für öffentliche Aufträge

Ein verbesserter Marktzugang lässt sich durch Handelsabkommen mit Drittländern erreichen. Dies demonstriert beispielsweise das Comprehensive Economic and Trade Agreement im Verhältnis zwischen Kanada und der EU. Das seit dem 21. September 2017 vorläufig anwendbare Abkommen führt erstmals zu einer Öffnung des Marktzugangs für Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowohl auf Bundes- als auch auf Provinz- und Gemeindeebene in Kanada.

Vertrauen in unabhängiges und effizientes Rechtsbehelfssystem stärken

Unter einer Verbesserung des Marktzugangs versteht die EU-Kommission auch eine Stärkung des Rechtsbehelfssystems. Ein stärkeres Vertrauen der Marktteilnehmer in faire und effiziente Möglichkeiten zur Problemlösung und unabhängige Überprüfung der Vergabeentscheidungen soll die Teilnahme an Ausschreibungen erhöhen.

Konkret ist geplant, die Vernetzung der erstinstanzlichen Nachprüfungsinstanzen voranzutreiben und Leitlinien für Rechtsbehelfe zu erstellen. Die CMS Public Procurement Toolbox of Remedies gibt heute schon eine Übersicht, welche Rechtsschutzmöglichkeiten sich Unternehmen in 33 Ländern bieten.

Vergaben von Auftraggebern aus verschiedenen Mitgliedstaaten

Die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf Auftraggeberseite genießt bei der EU-Kommission ebenfalls Priorität. In Betracht kommt hier insbesondere:

  • Grenzüberschreitende Nutzung zentraler Beschaffungsstellen
  • Grenzüberschreitende gemeinsame Beschaffung
  • Gründung einer gemeinsamen Einrichtung nach nationalem oder Unionsrecht, wie etwa eines Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit.

Sonderfall EU-Verteidigungs-Binnenmarkt

Besonders drastisch ist die Situation auf dem EU-Verteidigungs-Binnenmarkt. Um der Fragmentierung entgegenzuwirken, hat die EU-Kommission den Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan aufgelegt. Inzwischen befindet sich der Verordnungsentwurf zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds, dessen Mittel auch für öffentliche Auftragsvergaben zur Verfügung stehen sollen, im Gesetzgebungsverfahren.

Weiteres Wesensmerkmal des Aktionsplans ist der Ausbau des Binnenmarkts für Verteidigungsgüter. Die EU-Kommission hat angekündigt, ihr Augenmerk auf die tatsächliche Anwendung der Richtlinien über die Vergabe im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (2009/81/EG) und über die Verbringung innerhalb der EU (2009/43/EG) zu richten und durchzusetzen.

Zudem ist eine stärkere Verzahnung mit anderen Politikbereichen, insbesondere den EU-Raumfahrtprogrammen, beabsichtigt. Neben dem stärkeren Engagement der EU-Kommission ist die faire und effiziente Nachprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen auf Betreiben der Bieter ein Eckpfeiler, um die Beteiligung an – grenzüberschreitenden – Vergabeverfahren zu erhöhen.

Um den EU-Binnenmarkt für öffentliche Aufträge auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben und seine Vorteile voll auszuschöpfen, sollten sich sowohl Auftraggeber als auch Bieter international aufstellen. Die Vergabe- und Rechtsbehelfssysteme sollten dem in sie gesetzten Vertrauen gerecht werden und den unternehmerischen Mut honorieren, sich direkt oder indirekt an ausländischen Ausschreibungen zu beteiligen. Für Auftraggeber lassen sich Risiken bei grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit anderen Auftraggebern beherrschen, so dass auch hier bei vielen Projekten die Chancen überwiegen.

Tags: Binnenmarkt Maßnahmenpaket Vergabeverfahren