Es gibt viele Gründe für die Auflösung einer Gesellschaft. Doch die Auflösung kommt als ultima ratio auch bei einem Gesellschafterstreit in Betracht.
Die Regelungen zur OHG und zur KG sowie das GmbH-Gesetz nennen zahlreiche Gründe für die Auflösung einer Gesellschaft. Die meisten dieser Gründe haben mit dem Thema dieser Blog-Serie – dem Gesellschafterstreit – wenig gemein. Dies gilt etwa für die Auflösung der Gesellschaft durch Zeitablauf oder durch (unstreitigen) Gesellschafterbeschluss.
Wenn von der Auflösung der Gesellschaft als ultima ratio die Rede ist, dann ist damit zuvorderst eine streitige Situation gemeint, in der insbesondere die Auflösungsklage nach § 61 GmbHG beziehungsweise § 133 HGB eines Minderheitsgesellschafters aus wichtigem Grund im Mittelpunkt steht. Die Auflösung der Gesellschaft erfolgt in diesen Fällen sodann durch rechtskräftiges Urteil.
Auflösungsklage ist subsidiäres Notrecht
Nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 61 GmbHG und § 133 HGB) ist die klageweise Auflösung der Gesellschaft im Recht der Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) sowie im GmbH-Recht lediglich als ultima ratio, d.h. als eine Art Notrecht, ein subsidiäres oder gar das letzte bzw. äußerste Mittel ausgestaltet.
Daher ist stets im Sinne der allgemeinen Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob ein milderes Mittel – etwa eine im GmbH-Recht nicht geregelte, aber von der Rechtsprechung unter Vorliegen besonderer Voraussetzungen anerkannte Austritts- oder Ausschlussklage – die Auflösung der Gesellschaft zu vermeiden vermag. Jene Lösungen, die den Fortbestand der Gesellschaft sichern, haben grundsätzlich Vorrang. Dies gilt etwa für den Fall, dass der Ausschluss des Auflösungsklägers ebenfalls durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt wäre.
Grund für Auflösung muss „in den Verhältnissen der Gesellschaft“ liegen
Laut § 61 Abs. 1 GmbHG muss der Auflösungsgrund „in den Verhältnissen der Gesellschaft″ liegen. Würde es der Realität entsprechen, dass sämtliche Gesellschafter stets das Interesse der Gesellschaft im Blick und darüber hinaus das gleiche Verständnis in Bezug auf dieses Interesse haben, dann würde statt einer Auflösungsklage immer auch ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss über die Auflösung der Gesellschaft in Betracht kommen. Dies ist aber nicht der Fall. Rechtstatsächlich geht es daher weniger um die im Gesetz genannten Verhältnisse der Gesellschaft, sondern mehr um einen Streit zwischen den Gesellschaftern.
Das Recht der Personenhandelsgesellschaften ist in diesem Punkt näher an der Rechtswirklichkeit, wenn es heißt, dass ein wichtiger Grund insbesondere dann vorliegt,
wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird.
Im Rahmen eines Gesellschafterstreits werden immer auch Pflichtverletzungen eines Mitgesellschafters vorgetragen, mittels derer die Abberufung als Geschäftsführer, der Ausschluss als Gesellschafter oder ein sonstiges Begehren, etwa die Auflösung der Gesellschaft, begründet wird.
Auflösungsklage als Gestaltungsklage
Bei der Auflösungsklage handelt es sich um eine Gestaltungsklage. Sie erfolgt regelmäßig als Widerklage, etwa als Reaktion auf eine Ausschlussklage. Klagebefugt ist in den Personenhandelsgesellschaften jeder einzelne Gesellschafter, während die Klage gemäß § 61 Abs. 2 GmbHG durch 10 % des Stammkapitals unterstützt werden muss.
Beklagte sind bei Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich alle anderen Gesellschafter und bei der GmbH die Gesellschaft selbst. Ist ein OHG- oder KG-Gesellschafter mit der Auflösung der Gesellschaft einverstanden, kann dieser sich den Kosten und Anstrengungen, die mit einem gerichtlichen Verfahren verbunden sind, entziehen. Dazu muss er sich lediglich rechtsverbindlich mit der Auflösung der Gesellschaft einverstanden erklären. Die Auflösung der Gesellschaft erfolgt mit der Rechtskraft des Urteils.
Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Auflösungsklage
In einem einführenden Beitrag zu dieser Blog-Serie wurde bereits auf die besondere Bedeutung lösungsorientierter Regelwerke hingewiesen. Dabei ist im Zusammenhang mit der Auflösungsklage zu berücksichtigen, dass diese Klagemöglichkeit weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden darf.
In diesem Rahmen bewegen sich etwa Satzungsregelungen, die den wichtigen Grund für eine Auflösung klarstellend definieren oder gar erweitern. Eine sinnvolle Vereinfachung besteht des Weiteren darin, im Gesellschaftsvertrag der OHG oder KG zu regeln, dass die Auflösungsklage gegen die Gesellschaft selbst zu richten ist; (bei Publikumsgesellschaften wird einer solchen Regelung teilweise nur klarstellende Bedeutung beigemessen). Auch eine Schiedsklausel ist zulässig.
Auf Rechtsfolgenseite sind ebenfalls Modifikationen zulässig, wie zum Beispiel Fortsetzungsklauseln, wonach das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht zur Auflösung der Gesellschaft, sondern bloß zur Ausschließung eines einzelnen Gesellschafters – bei finanziellem Ausgleich in derselben Höhe – führt, sofern sich dahinter keine mittelbaren Beschränkungen des Auflösungsrechts verbergen. Nicht zuletzt wirkt sich auch die Implementierung sonstiger Konfliktlösungsmechanismen, etwa eines Austrittrechts – ebenfalls bei finanziellem Ausgleich in derselben Höhe –, auf das Recht zur Auflösung der Gesellschaft aus. Denn der Gesellschafter, der die Auflösung begehrt, kann in größerem Umfang auf mildere Mittel verwiesen werden.
Auflösungsklage als ultima ratio – oftmals gibt es einfachere Wege
Die Gestaltungsmöglichkeiten, die sich im Rahmen einer Auflösungsklage bieten, sollten vor dem Hintergrund des konkreten Einzelfalls, d.h. der einzelnen Gesellschaft, geprüft werden. In einem kleinen Gesellschafterkreis mit größeren Beteiligungen je Gesellschafter können sich beispielsweise ganz andere Möglichkeiten als sinnvoll und vorteilhaft erweisen als in einem größeren Gesellschafterkreis mit kleineren Beteiligungen.
Die aktive Nutzung dieser Gestaltungsmöglichkeiten schafft nicht nur Transparenz. Die gerichtliche Auflösung ist auch mit hohen Kosten verbunden und führt häufig zu beiderseitig unbefriedigenden Ergebnissen. Nicht zuletzt werden mit der streitigen Auflösung einer Gesellschaft immer auch Werte vernichtet, sodass alleine schon aus diesem Grund alternative – im Ergebnis günstigere Möglichkeiten – qua Gesellschaftsvertrag geschaffen werden sollten.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um das Thema Gesellschafterstreitigkeiten. Bereits erschienen sind Beiträge zur Entstehung von Gesellschafterkonflikten, die mögliche Steuerung durch Gestaltung der Gesellschafterverträge und wie streitige Gesellschafterversammlungen vorbereitet und durchgeführt werden können. Anschließend haben wir uns mit der Teilnahme von Beratern an Gesellschafterversammlungen, der Beschlussfassung in der streitigen Gesellschafterversammlungsowie der Besetzung der Geschäftsführung befasst. Ebenso eingegangen sind wir auf Streit über Maßnahmen der Geschäftsführung, über die Abfindung ausscheidender Gesellschafter und über die Wahrnehmung von Informationsrechten. Weiter haben wir über den Gesellschafterausschluss als letztes Mittel, den Beirat und seine Funktion im Gesellschafterkonflikt sowie über die gerichtliche Klärung von Beschlussmängeln in einer GmbH und Personenhandelsgesellschaften berichtet. Zuletzt sind wir auf den einstweiligen Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht und der Stellung des Beraters eingegangen.