5. Februar 2018
Corporate / M&A

Die Stellung des Beraters im Gesellschafterstreit

In gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen finden sich Beteiligte auf verschiedenen Ebenen. Der Berater muss den Überblick behalten, wessen Interessen er vertritt. Sonst kann er schnell gegen berufsrechtliche Pflichten verstoßen.

Ein Gesellschafterstreit betrifft nicht nur die Gesellschafter, sondern regelmäßig auch das Unternehmen und seine Organe wie Geschäftsführer und Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglieder. Jeder dieser Beteiligten oder Betroffenen kann eigene Interessen haben, die nicht notwendig mit den Interessen der Gesellschafter identisch sind. Dies ist zu beachten, wenn man als Rechtsbeistand in einem Gesellschafterstreit mandatiert wird.

Nicht nur ist es berufsrechtlich geboten, sich Klarheit über den eigenen Mandanten und dessen Interessen zu verschaffen, die man letztlich als Rechtsanwalt berät und vertritt. Vielmehr und leider ist es in jüngerer Zeit verstärkt in Mode gekommen, nicht genehme Berufskollegen, die „auf der anderen Seite stehen″, mit berufsrechtlichen Mitteln anzugreifen oder sogar aus einem Mandat zu drängen. Der Hebel hierfür ist das berufsrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 BORA), das in seiner schärfsten Form strafrechtlich als Parteiverrat (§ 356 StGB) sanktioniert ist.

Interessenlagen in der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung

Gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen sind vielfältig und komplex. Es handelt sich nicht immer nur um den Streit eines Gesellschafters mit einem anderen Gesellschafter. Es kann auch ein Gesellschafter mit der Gesellschaft oder einem Geschäftsführer streiten, die Gesellschaft mit einem ihrer Geschäftsführer oder Leitungs- und Aufsichtsorgane untereinander. In jedem der Fälle sind verschiedene Interessenlagen zu berücksichtigen.

Auf Ebene der Gesellschafter wird oft darüber gestritten, was ein Gesellschafter beanspruchen kann, entweder von der Gesellschaft oder von Mitgesellschaftern. Es kann auch darum gehen, Mitgesellschafter aus dem Unternehmen zu drängen, oder jemanden in einer Doppelfunktion als Gesellschafter und Organ der Gesellschaft  zur Verantwortung bei Pflichtverletzungen zu ziehen.

Über die Frage, ob die Gesellschaft als solche eigene Interessen hat, die von dem Willen und den Interessen der Gesellschafter unabhängig sind, kann lange gestritten werden. Jedenfalls sind Gesellschaften entweder rechtsfähige Gebilde oder gar juristische Personen mit eigenem Pflichtenkreis und eigenen Rechten. Entsprechend besteht für sie regelmäßig eigener Beratungsbedarf, insbesondere wenn nicht die Gesellschafter auch die Geschäfte führen, sondern sogenannte Fremdgeschäftsführer hierfür verantwortlich sind.

Weiter haben die Organvertreter wie Fremdgeschäftsführer und Aufsichts- oder Beiratsmitglieder persönlich Beratungsbedarf, denn auch sie treffen Rechte und Pflichten, die es in einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung zu beachten gilt. Hier geht es oft darum, wem gegenüber Geschäftsführer und Beiratsmitglieder eigentlich verantwortlich und verpflichtet sind – sind dies das Unternehmen und die Gesellschaft, oder sind es die Gesellschafter?

In diesem Geflecht ist es für den Rechtsberater notwendig, den Überblick zu behalten und insbesondere zu wissen, wer in welcher Funktion oder Eigenschaft beraten wird. Das gilt insbesondere bei der Beratung eines Gesellschaftergeschäftsführers, der sich mit einem Mitgesellschafter streitet, oder bei der Beratung des Unternehmens bzw. der Gesellschaft, die durch einen Fremdgeschäftsführer vertreten wird. So besteht beispielsweise die Gefahr, dass man aus dem Blick verliert, ob es sich bei Angriffen aus dem Gesellschafterkreis um solche gegen die Gesellschaft oder gegen den Geschäftsführer persönlich handelt.

Die Vertretung widerstreitender Interessen

Angesichts der beschriebenen unterschiedlichen Interessenlagen und Rollen von Beteiligten steht bei der Beratung in gesellschafterrechtlichen Auseinandersetzungen schnell die Frage im Raum, ob widerstreitende Interessen im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO vertreten werden. Um dies zu beurteilen, sind folgende Fragen zu beantworten:

  • Handelt es sich um dieselbe Rechtssache?
  • Sind die Betroffene Parteien in derselben Rechtssache?
  • Haben die Parteien widerstreitende Interessen?

Dieselbe Rechtssache ist dabei ein

einheitlicher historischer Vorgang, bei dem der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Interessen, also das anvertraute materielle Rechtsverhältnis, bei natürlicher Betrachtungsweise auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen ist!

Die sperrige Definition deutet schon an, dass die Entscheidung darüber, ob es sich um dieselbe Rechtssache handelt, nicht immer einfach ist. Auszugehen ist aber von einem weiten Begriff. Das Gesellschaftsverhältnis der oben genannten möglichen Betroffenen zu- und untereinander wird häufig dazu führen, dass in einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung von derselben Rechtssache auszugehen ist, selbst wenn es sich um verschiedene Streitigkeiten in wechselnden Konstellationen über einen langen Zeitraum handelt.

Partei im Hinblick auf ein etwaiges Interessenkollisionsverbot ist jede an derselben Rechtssache rechtlich beteiligte Person. Dies sind bei einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung regelmäßig die oben genannten Betroffenen: Gesellschafter, Gesellschaft und Organmitglieder wie Geschäftsführer und Aufsichtsrat / Beirat.

Ein Interessenwiderstreit zeigt sich, wenn die maßgeblichen rechtlichen Interessen gegenläufig, widersprüchlich oder unvereinbar sind. Das eine Interesse kann also nicht verwirklicht werden, ohne dass das andere Interesse zurücksteht oder nicht erfüllt werden kann. Ob und inwieweit die Parteien widerstreitende Interessen haben, kann nicht pauschal beantwortet werden. Jedenfalls ist es aber nicht per se so, dass sie unterschiedliche Interessen haben müssen. So können eine Gesellschaftergruppe und ein Fremdgeschäftsführer das gleiche Interesse haben, Angriffe einer anderen Gesellschaftergruppe abzuwehren. Es ist aber auch in einem solchen Fall Vorsicht geboten, denn im Laufe einer sich lange hinziehenden Auseinandersetzung muss der anfängliche Gleichlauf der Interessen sich nicht immer fortsetzen und es sollte das Potential im Blick behalten werden, dass sich zwischen verschiedenen Gruppen, die zunächst an einem Strang ziehen, später unterschiedliche Interessen herausbilden. Die Übernahme der Beratung von mehreren Beteiligten in einer Auseinandersetzung ist daher eher zu vermeiden. Besser ist es, wenn mehrere voneinander unabhängige Berater von den verschiedenen Beteiligten beauftragt werden, die gerne in Abstimmung mit ihren jeweiligen Mandanten das Gemeinsame ausloten, einschließlich eines gemeinsamen Vorgehens im Streit.

Keine Möglichkeit zum Einverständnis!

Es muss nicht immer der Berater sein, der mehreren potentiellen Mandanten vorschlägt, er könne sie auch im Fall widerstreitender beraten, wenn sie nur ihr Einverständnis dazu erklärten. Es kommt durchaus auch vor, dass mehrere Beteiligte eines Streits den Wunsch äußern, ein anwaltlicher Berater möge sie doch alle beraten und aus dem Streit führen – ohne dass damit eine Mediation gemeint ist. In diesen Fällen wird oft gedacht, ein Einverständnis der Streitbeteiligten in die Beratung aller durch einen Rechtanwalt schließe einen Verstoß gegen das genannte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen aus. Hier wird in der Regel falsch gedacht! Ein solches Einverständnis ist unerheblich, wenn es nicht dazu führt, dass die bestehenden Interessengegensätze dadurch tatsächlich aufgehoben werden. Das wird nur in Ausnahmefällen so sein, so dass auch hier zu raten ist: Finger weg von der Vertretung mehrerer Beteiligter mit unterschiedlichen Interessen.

Interessenkonflikt im Beschlussmängelstreit?

Im Beschlussmängelstreit stellen sich besondere Fragen im Zusammenhang mit dem Verbot widerstreitender Interessen. Hier wird nicht selten vorschnell argumentiert, der Rechtsanwalt verstoße gegen das Verbot aus § 43a Abs. 4 BRAO. Besonders eifrige Kollegen greifen dann auch gerne zu der „Waffe″, den jeweils anderen Kollegen mit Beschwerde zur Kammer zu bedrohen oder zu konfrontieren. Worum geht es hier?

In einer Beschlussmängelstreitigkeit streiten die Gesellschafter über Fragen der Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Nun darf man annehmen, dass die jeweils streitenden Gesellschafter auch Parteien eines gerichtlichen Streitverfahrens sind. Für die Personengesellschaft stimmt das auch. Gesellschafter müssen bei Streit über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen Anfechtungs- oder Feststellungsklage gegen die jeweils anderen Gesellschafter erheben.

Anders ist dies bei einer Streitigkeit von Gesellschaftern einer GmbH. Hier ist die Beschlussmängelklage nicht gegen die Mitgesellschafter zu richten, sondern gegen die Gesellschaft selbst, mithin die GmbH. Damit stellt sich die Frage, wer die GmbH – immerhin eine eigenständige juristische Person – vor Gericht vertritt und sie berät. In diesem Fall ist letztlich anerkannt, dass die GmbH von dem Rechtsanwalt beraten und vertreten werden kann, der ansonsten die Gesellschafter berät, die sich im Streit mit den angreifenden Gesellschaftern befinden. Die GmbH ist zwar eine eigenständige Person und kann durchaus eigene Interessen haben, die von denen abweichen, die die beteiligten Gesellschafter verfolgen. Sie ist in dem Beschlussmängelstreit aber letztlich nur formal die Beklagte, während die maßgeblichen Interessen, die sie zu vertreten hat, die der Gesellschafter sind, die sich gegen die Beschlussmängelklage wehren wollen. Der mit der Verteidigung in der Beschlussmängelstreitigkeit beauftragte und sonst für bestimmte Gesellschafter tätige Rechtsanwalt vertritt dann keine widerstreitenden Interessen, denn es kommt nicht auf etwaige autonome Interessen der GmbH an, sondern auf die die Gesellschafterbeschlüsse verteidigenden Gesellschafter.

Interessenkollisionen sind zu vermeiden

Der Rechtsberater hat bei Mandatsannahme und bei der Mandatsbetreuung zu prüfen, ob er sich in einer Situation der Vertretung widerstreitender Interessen befindet. In gesellschafterrechtlichen Auseinandersetzungen sind eine Vielzahl von Beteiligten mit unterschiedlichen, sich ständig entwickelnden und ändernden Interessen zu finden. Das macht die Antwort auf die Frage, ob man mehr als einen Beteiligten beraten und vertreten darf, nicht einfach.

Im Zweifel sollte der Berater weiteren Beteiligten, die einem ein Mandat antragen, raten, einen anderen Berater zu beauftragen. Das macht das Streiten zwar komplexer, weil noch mehr Personen beteiligt sind. Man kann aber guten Gewissens davon ausgehen, dass die Interessen der Beteiligten gewahrt werden – so sich denn die Berater darum aufrichtig kümmern.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um das Thema Gesellschafterstreitigkeiten. Bereits erschienen sind Beiträge zur Entstehung von Gesellschafterkonflikten, die mögliche Steuerung durch Gestaltung der Gesellschafterverträge und wie streitige Gesellschafterversammlungen vorbereitet und durchgeführt werden können. Anschließend haben wir uns mit der Teilnahme von Beratern an Gesellschafterversammlungen, der Beschlussfassung in der streitigen Gesellschafterversammlungsowie der Besetzung der Geschäftsführung befasst. Ebenso eingegangen sind wir auf Streit über Maßnahmen der Geschäftsführung, über die Abfindung ausscheidender Gesellschafter und über die Wahrnehmung von Informationsrechten. Weiter haben wir über den Gesellschafterausschluss als letztes Mittel, den Beirat und seine Funktion im Gesellschafterkonflikt sowie über die gerichtliche Klärung von Beschlussmängeln in einer GmbH und Personenhandelsgesellschaften berichtet. Zuletzt sind wir auf den einstweiligen Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht eingegangen. 

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