21. November 2018
Brexit Austrittsabkommen
Brexit

Brexit – der Entwurf des Austrittsabkommens

Neues zum Brexit, dem Entwurf des Austrittsabkommens und wie die Aussichten seines Inkrafttretens stehen.

Eine wichtige Hürde der Austrittsverhandlungen scheint genommen. Am 14. November 2018 haben sich das Vereinigte Königreich und die EU auf den Entwurf eines Austrittsabkommens geeinigt. Hierin gab es folgende Änderungen zu den Entwürfen aus März und Juni 2018:

Austrittsabkommen beim Brexit: Verlängerungsmöglichkeit der Übergangsphase

Mit Ablauf des 29. März 2019 wird sich der EU Austritt vollziehen. Die Übergangsphase, in der das Vereinigte Königreich weiter Zugang zum Binnenmarkt erhält und an der Zollunion teilnimmt, endet weiter mit Ablauf des Jahres 2020. Die EU hat aber im neuen Entwurf dem Antrag des Vereinigten Königreichs auf eine Verlängerungsoption entsprochen.

Hintergrund ist, dass aus Sicht des Vereinigten Königreichs ohne eine Möglichkeit der Verlängerung die Gefahr eines ungeordneten Brexits nur auf den Ablauf der Übergangsphase verschoben wäre, weil unklar ist, ob es den Verhandlungsparteien gelingen wird bis zum 31. Dezember 2020 ein Handelsabkommen abzuschließen. Nunmehr enthält der Entwurf in Artikel 132 eine weitere Bestimmung, die bis zum Ablauf des 31. Juni 2020 eine einmalige Verlängerung der Übergangsphase ermöglicht. Die Entscheidung zur Verlängerung der Übergangsphase wird vom Joint Committee, das sich aus Vertretern aus der EU und des Vereinigten Königreichs zusammensetzt, getroffen. Ein dahingehender Antrag des Vereinigten Königreichs bedarf also einer Zustimmung von Seiten der EU.

Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs bleibt für die Übergangsphase bestehen

Klarheit wurde hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs („EuGH″) geschaffen. Der EuGH ist weiterhin für alle Verfahren, die während der Übergangsphase von oder gegen das Vereinigte Königreich eingeleitet werden zuständig (Artikel 86) und seine Entscheidungen sind im Vereinigten Königreich verbindlich (Artikel 89 Absatz 1).

Der EuGH wird damit weiter Vorabentscheidungen über während der Übergangsphase eingereichte Anträge von britischen Gerichten treffen. Seine Zuständigkeit erstreckt sich auf alle Phasen des Verfahrens, einschließlich des Berufungsverfahrens vor dem EuGH und des Verfahrens vor dem nationalen Gericht nach Rücküberweisung einer Rechtssache (Artikel 86).

Künftige Landesgrenze zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich

Ein noch nicht gelöster Knackpunkt bleibt das Thema „künftige Landesgrenze zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in Irland″. Das Thema wurde von den Verhandlungsparteien als wichtig genug eingestuft, um dazu ein eigenes Protokoll zum Entwurf des Austrittsabkommens zu verabschieden, denn die Schaffung einer EU-Außengrenze würde eine ernste Bedrohung für Frieden und Stabilität in Nordirland darstellen.

Das Protokoll über Irland/Nordirland verpflichtet nunmehr die EU und das Vereinigte Königreich, sich nach besten Kräften darum zu bemühen, bis zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2020 ein Abkommen über die künftigen Beziehungen abzuschließen. Wenn ein solches rechtzeitig abgeschlossen wird, könnte dies verhindern, dass die sogenannte Backstop-Option in Kraft tritt.

Die Backstop-Option zur Vermeidung einer harten Grenze in Irland sieht vor, dass Nordirland in der Zollunion verbleibt und dass Nordirland ein gemeinsamer Regelungsraum zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich wird. Die Verhandlungsparteien haben aber hierzu in einer Stellungnahme klargestellt, dass sie dies als suboptimale Handelsregelung für beide Seiten und damit als nicht wünschenswert erachten.

Wie stehen die Chancen eines Inkrafttretens des Austrittsabkommens?

Zunächst muss die Austrittsvereinbarung noch vom britischen Parlament genehmigt werden. Hierfür benötigt Theresa May die Unterstützung von mindestens 320 Abgeordneten. Die Konservativen zählen 315 Abgeordnete in ihren Reihen und ihr Koalitionspartner, die DUP verfügt über 10 Sitze. Nicht alle konservativen Abgeordneten werden jedoch mit der Regierung stimmen. Die DUP wird vermutlich wegen der aus ihrer Sicht unbefriedigend gelösten Nordirland Thematik dagegen stimmen. Theresa May ist damit zwingend auf die Unterstützung von Mitgliedern der Labour Party angewiesen, die wiederum ihrerseits bereit sein müssen, sich der eigenen Fraktionsdisziplin zu widersetzen.

Wie sich die Stimmung in den nächsten Wochen vor der entscheidenden voraussichtlich Mitte Dezember stattfindenden Abstimmung entwickelt, ist derzeit noch nicht wirklich abzusehen. Wenn das Austrittsabkommen genehmigt wird, wird das Vereinigte Königreich mit Ablauf des 29. März 2019 die EU verlassen und in die vorstehend beschriebene Übergangsphase eintreten. Dies setzt natürlich voraus, dass das Europäische Parlament und der Europäische Rat dem Austrittsabkommen ihre Zustimmung geben.

Was passiert wenn das Austrittsabkommen vom Unterhaus abgelehnt wird?

Wenn aber das Austrittsabkommen vom Unterhaus abgelehnt wird, sind mehrere Szenarien denkbar. Das Vereinigte Königreich könnte versuchen, die Vertragsbedingungen mit der EU neu zu verhandeln und den Entwurf dann zur weiteren Abstimmung an das Unterhaus zurückgeben. Sofern bis zum 21. Januar 2019 kein Deal genehmigt wurde, ist das Unterhaus selbst berechtigt, Anweisungen gegenüber der Regierung in den Brexit Verhandlungen auszusprechen. Dann wäre wahrscheinlich ein Punkt erreicht, an dem Theresa May die Kontrolle verlieren könnte.

Was aber könnte das Parlament anders machen? Es könnte ebenfalls eine Neuverhandlung anordnen oder die Regierung auffordern, eine Verlängerung der Frist nach Artikel 50 EUV zu beantragen, die wiederum der Zustimmung der EU bedarf. Alternativ könnte das Parlament die britische Regierung auffordern, die Austrittsmitteilung nach Artikel 50 EUV zurückzuziehen. Die Entscheidung darüber, ob ein einseitiger Rückzug der Austrittsmitteilung seitens des Vereinigten Königreichs rechtlich möglich ist, steht aber noch aus und wird in Kürze vom EuGH erwartet (der Antrag wird am 27. November 2018 behandelt).

Doch kein Austrittsabkommen? – Das No-Deal-Szenario

Am wenigsten wünschenswert wäre das sogenannte No-Deal-Szenario, welches einen ungeordneten Brexit nach sich zieht, bei dem das Vereinigte Königreich mit Ablauf des 29. März 2019 kein EU Mitgliedsstaat mehr ist und sich auch keine Übergangsphase anschließt. Unternehmen und Bürger auf beiden Seiten wären dann einer Situation ausgesetzt, in der die Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit in unzähligen Bereichen entfällt. Das hieße, z.B. vom einen auf den anderen Tag kein Zugang zum europäischen Luftverkehrsbinnenmarkt, Beschränkungen grenzüberschreitender Logistik, keine automatische rechtliche Anerkennung, keine Regelung zu Bürgerrechten. Auf beiden Seiten würden Maßnahmen ergriffen, um die Folgen dieses Szenarios abzumildern, aber es wären reine Feuerwehrmaßnahmen.

Ein Regierungswechsel im Vereinigten Königreich, sei es durch einen Wechsel des Premierministers, den die Konservative Partei allein durchführen könnte (denken Sie daran, wie Theresa May David Cameron ersetzt hat) oder durch eine Parlamentswahl, ist ebenfalls möglich. Die erste Alternative könnte relativ schnell organisiert werden. Eine Neuwahl würde dagegen viel Zeit in Anspruch nehmen und würde zum anderen wieder einen Entscheidungsstillstand nach sich ziehen. Im Übrigen wird sich jede wie auch immer gebildete neue Regierung mit den gleichen Problemen und Entscheidungen konfrontiert sehen. Ein zweites Referendum ist vermutlich das unwahrscheinlichste aller Szenarien. Es würde einen Regierungswechsel oder eine Anweisung des Unterhauses erfordern. Ein dafür erforderliches Parlamentsgesetz würde Zeit benötigen, so dass eine Verlängerung der Frist aus Artikel 50 EUV erforderlich wäre. Und was wäre, wenn das Ergebnis wieder für Brexit lautet?

Dass der Brexit kommt, ist derzeit das Einzige, was halbwegs sicher scheint. Mit Ablauf des 29. März 2019 oder des 31. Dezember 2020 oder zu einem anderen Datum. Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen vorbereitet ist!

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