10. Mai 2017
Brexit Schutzrechte
Brexit Gewerblicher Rechtsschutz

Brexit: Handlungsbedarf bei gewerblichen Schutzrechten, IP-Strategie und (Lizenz-)Verträgen?

Der Brexit könnte erhebliche Auswirkungen auf gewerbliche Schutzrechte, IP-Strategie und (Lizenz-)Verträge haben. Ein frühzeitiges Handeln ist daher oftmals ratsam. Schon jetzt bestehen Handlungsmöglichkeiten.

Mit dem förmlichen EU-Austrittsgesuch Großbritanniens am 29. März 2017 begann ein Zeitfenster von zwei Jahren. In diesem Zeitfenster werden Großbritannien und die EU über die Bedingungen und Folgen des Austritts Großbritanniens verhandeln. Ob eine (angemessene) Einigung zu allen Verhandlungspunkten des Austritts erzielt werden kann, bleibt abzuwarten.

Was aber bedeutet der Brexit für die gewerblichen Schutzrechte, die IP-Strategie und (Lizenz-)Verträge von Unternehmen? Gibt es überhaupt relevante Auswirkungen? Von dieser Frage hängt es entscheidend ab, ob und welcher Handlungsbedarf für Unternehmen besteht, die nicht ausschließlich auf ein angemessenes Verhandlungsergebnis vertrauen möchten.

Keine unmittelbaren Auswirkungen auf Urheberrechte, Knowhow und Patente

Urheberrechte und Patente sind nationale Rechte. Der Brexit hat somit keine unmittelbaren Auswirkungen auf diese gewerblichen Schutzrechte.

Dies gilt grundsätzlich auch für das Knowhow der Unternehmen. Allerdings harmonisiert die EU-Richtlinie (EU) 2016/943 den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Ob diese noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 9. Juni 2018 in britisches nationales Recht umgesetzt wird, ist jedoch äußerst fraglich.

Auch das europäische „Bündelpatent“ wird nicht unmittelbar vom Brexit betroffen sein. Denn dieses ist kein einheitliches EU-Schutzrecht, sondern nur ein „Bündel″ nationaler Schutzrechte in den beanspruchten Staaten.

Interessant ist die Entwicklung des geplanten EU-Einheitspatents und des Einheitlichen Patentgerichts (UPC) angesichts des Brexits. Die Frage, ob Großbritannien als Nicht-EU-Mitglied in spe rechtlich überhaupt am vorgesehenen System partizipieren kann, wird vorerst unbeantwortet bleiben.

Grundsätzlich besteht für Unternehmen – angesichts des Brexits – kein unmittelbarer Handlungsbedarf bezüglich der Urheberrechte, des Knowhows und den Patenten.

Ungewissheit bei EU-Marken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern

Bei nationalen Marken und Designs (Geschmacksmustern) wirkt sich der Brexit nicht unmittelbar auf diese Schutzrechte aus. Bei EU-Marken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern besteht allerdings nach wie vor Ungewissheit (unseren früheren Artikel zu den möglichen Folgen eines ungeregelten Brexit finden Sie hier).

Die Unionsmarke und das Gemeinschaftsgeschmacksmuster beruhen auf EU-Verordnungen. Diese verlieren mit dem Austritt Großbritanniens grundsätzlich ihre Wirkung für das britische Hoheitsgebiet. Mit dem Austritt würde der Schutzbereich der Unionsmarke und des Gemeinschaftsgeschmacksmusters also territorial um Großbritannien reduziert.

Unternehmen würden folglich ihr Prioritätsdatum in Großbritannien verlieren. Ein möglichst weit zurückreichendes Prioritätsdatum ist aber wichtig, um gegen jüngere Marken(-anmeldungen) Dritter vergehen zu können, die identisch oder ähnlich sind (also „störende Marken(-anmeldungen)″). Auch die neue Anmeldung einer nationalen britischen Marke vermag insoweit keine Abhilfe zu leisten.

Es bleibt zu hoffen, dass im Rahmen der Brexit-Verhandlungen ein Mechanismus zur Weitergeltung der Unionsmarke und des Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Großbritannien vereinbart wird. Will man aber nicht auf dieses „Prinzip Hoffnung″ setzen, so müssen Vorkehrungen getroffen werden.

Wahrung des Schutzes in Großbritannien bei Unionsmarken: zwei Optionen

Insbesondere zwei der möglichen Handlungsoptionen könnten sich bei Unionsmarken anbieten:

Umfassende Markenrecherche vor dem Brexit

Eine umfassende Markenrecherche für Großbritannien könnte aufzeigen, ob störende Marken(-anmeldungen) in Großbritannien bestehen. Rechtzeitig vor dem Austritt Großbritanniens müssten diese auf Grundlage der bestehenden Unionsmarke angegriffen werden. Gleichzeitig sollte durch die Anmeldung einer nationalen britischen Marke Markenschutz für die Zukunft ersucht werden.

Sicherer: Umwandlung der Unionsmarke in nationale Marken

Die umfassende Markenrecherche könnte allerdings als Option wegfallen, sofern die Löschungsverfahren gegen die identifizierten störenden Marken den Zeitpunkt des Austritts Großbritanniens überdauern. Mit dem Austritt würde Großbritannien als Schutzgebiet der Unionsmarke und damit die Grundlage für das britische Löschungsverfahren wegfallen.

Will man deshalb auf Nummer sicher gehen, kann es sich anbieten, die Unionsmarke rechtzeitig vor dem Brexit prioritätswahrend in identische nationale Rechte umzuwandeln. Die Folge wären 26 nationale Marken mit dem Prioritätsdatum der Unionsmarke (26 und nicht 28 nationale Marken, da das Gebiet der Benelux-Staaten mit nur einer Marke abgedeckt wird).

Die nationale britische Marke und deren Schutzrechte bestehen dann – auch nach dem Brexit – weiter. Zur Senkung von Kosten und administrativem Aufwand der 25 neuen nationalen Marken in den verbleibenden EU-Staaten kann für die Zukunft eine neue identische Unionsmarke angemeldet werden. Diese sollte die Zeitränge der besagten nationalen Marken (= das Prioritätsdatum der ursprünglichen Unionsmarke) in Anspruch nehmen. Die nationalen Marken können sodann fallengelassen werden.

In Anbetracht des Brexits könnte Handlungsbedarf zur Wahrung des Schutzes in Großbritannien bei Unionsmarken bestehen. Ob und in welcher Form hängt wesentlich von der IP-Strategie und der Wichtigkeit des britischen Marktes im Einzelfall ab.

Wahrung des Schutzes in Großbritannien bei eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern: Notlösung Markenanmeldung

Eine Umwandlungsmöglichkeit gibt es bei Gemeinschaftsgeschmacksmustern nicht. Eine neue nationale Anmeldung des betroffenen Geschmacksmusters für Großbritannien scheitert allerdings in den meisten Fällen an der erforderlichen Neuheit des Geschmacksmusters.

Bei Gemeinschaftsgeschmacksmustern ist also notwendigerweise auf das „Prinzip Hoffnung″ zu setzen. Sollte ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster aber auch die Anforderungen einer nationalen britischen Markenanmeldung erfüllen, so könnte die Neuanmeldung als britische Marke eine Notlösung darstellen.

Nachverhandlung einer Brexit-Regelung bei Lizenzverträgen

Im Blick zu behalten sind außerdem Lizenzverträge. Zu prüfen wäre zum Beispiel, ob bestehende Lizenzverträge die Europäische Union als Territorium für die erlaubte Benutzung ausweisen. Enthalten bestehende Lizenzverträge bereits klare Regelungen (z.B. „Gebiet der EU in ihrer jeweiligen Ausdehnung″), so könnte kein Handlungsbedarf bestehen, wenn diese Regelungen auch den Fall der Reduktion des Gebiets der EU abdecken. Haben die Parteien aber bei Vertragsschluss einen möglichen Austritt eines Mitgliedsstaats gar nicht bedacht (was wohl oft der Fall sein könnte), könnte der Brexit ein Änderungs-, Anpassungs- und Kündigungsrecht mit sich ziehen.

Es ist ratsam, dieser Problematik zunächst durch Nachverhandeln bestehender Verträge zuvorzukommen. Bei dem Neuabschluss von Lizenzverträgen ist zu raten, unmittelbar angemessene und ausdrückliche Regelungen mit in den Vertrag aufzunehmen.

Mit guter Vorbereitung böse Überraschungen vermeiden

Der Brexit könnte erhebliche Auswirkungen auf Unionsmarken, Gemeinschaftsgeschmacksmuster und Lizenzverträge haben. Für Unternehmen, die nicht ausschließlich auf das „Prinzip Hoffnung″ vertrauen möchten, könnte (schon jetzt) erheblicher Handlungsbedarf bestehen.

Ob dies der Fall ist und in welchem Umfang Handlungsbedarf besteht, ist allerdings – wie so oft – eine Frage des Einzelfalls. Es empfiehlt sich aber, diese Einzelfälle bereits frühzeitig „unter die Lupe zu nehmen″. Unter Umständen können Unternehmen sich auf diese Weise bereits jetzt eine Strategie für den Brexit zurechtlegen und notwendige Vorkehrungen treffen, um nachteilige Auswirkungen auf ihre Schutzrechte und (Lizenz-)Verträge zu vermeiden.

Sollte bis Juli 2018 kein Mechanismus zur Weitergeltung von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern in Großbritannien feststehen, so sollten sich Unternehmen bei identifizierten relevanten Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern für eine der in diesem Artikel aufgezeigten Handlungsoptionen entscheiden.

Unternehmen, die dies nicht tun, sondern den Brexit einfach abwarten, könnten sich ungewollt Handlungsoptionen abschneiden. Ein dann notwendig werdendes Nachbessern könnte zu erheblichen Mehrkosten führen. Darum gilt auch hier: Mit einer guten Vorbereitung können böse Überraschungen vermieden werden.

Hier im Blog informieren wir Sie über weitere Neuigkeiten zum Brexit, unter anderem zum Datenschutz, zu der Bedeutung des Art. 50 EUV, Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und was bei einer Limited oder einer Sitzverlegung von Unternehmen zu beachten ist. Weitere rechtliche Aspekte finden Sie auch auf cms.law sowie eine „Checkliste Brexit″ in unserem internationalen Angebot Law-Now.

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