25. März 2020
Corona Bauvertrag
Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft Real Estate

BMI veröffentlicht einen Erlass zum Umgang mit der Corona (COVID-19) Pandemie in bauvertraglichen Fragen

Keine unmittelbare Anwendung für die Privatwirtschaft, aber wichtige Anhaltspunkte zum bauvertragsrechtlichen Umgang mit den Auswirkungen der Krise.  

Am 23. März 2020 hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) einen Erlass zu bauvertraglichen Fragen im Zusammenhang mit der derzeit global bestehenden Corona (COVID-19) Pandemie veröffentlicht. Der Erlass gilt mit sofortiger Wirkung und ist auf Vertragsverhältnisse der Bundesbehörden unmittelbar anzuwenden. Auf die Privatwirtschaft hat dieser Erlass keine verpflichtenden Auswirkungen, gibt jedoch wichtige Anhaltspunkte, deren Einhaltung auch in rein privatwirtschaftlichen Vertragsverhältnissen zu empfehlen wäre.

Die Baustellen des Bundes sollen grundsätzlich weiter betrieben werden. Eine besondere Verantwortung zur Minimierung der Ansteckungsgefahr soll hier dem Sicherheits- und Gesundheitskoordinator (SiGeKo) nach § 3 BaustellenV zukommen. Er ist anzuweisen, baustellenspezifische Regelungen aufzustellen und deren Einhaltung zu gewährleisten. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft gibt hierzu Empfehlungen, an denen sich der SiGeKo orientieren kann.

Das BMI ordnet ausdrücklich an, den Baustellenbetrieb erst dann einzustellen, wenn dies unumgänglich ist, z.B. bei konkreten Betretungsverboten oder Arbeitsunfähigkeiten aufgrund von Quarantänemaßnahmen im Betrieb des Auftragnehmers.

Corona Virus kann höhere Gewalt darstellen

Laut BMI ist die Corona-Pandemie grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt zu erfüllen, dies bedarf aber stets der Betrachtung der konkreten Auswirkungen der Pandemie auf den Einzelfall. Es gibt keinen Anlass, eine generelle Einschränkung der bauvertraglichen Leistungsfähigkeit durch die Corona Pandemie anzunehmen.

Derjenige, der sich auf Umstände höherer Gewalt beruft, muss diese darlegen und beweisen. Das bedeutet, er muss zumindest eine nachvollziehbare Begründung dafür liefern, aus welchen Gründen und in welchem Umfang er sich aufgrund der Corona Pandemie außerstande sieht, seinen Leistungspflichten weiterhin nachzukommen.

Corona-Pandemie als höhere Gewalt auf Seiten des Auftragnehmers

In erster Linie wird in Betracht kommen, dass sich der Auftragnehmer eines Bauvertrags auf höhere Gewalt beruft. Mögliche Gründe könnten z.B. sein:

  • der Großteil der Beschäftigten des Auftragnehmers ist unter Quarantäne gestellt und er kann auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer keinen Ersatz finden;
  • seine im Ausland ansässigen Beschäftigten oder Subunternehmer können die Baustelle aufgrund von Reisebeschränkungen nicht erreichen und er findet keinen Ersatz;
  • er kann aufgrund (temporärer) Schließungen von Zulieferern kein Baumaterial beschaffen.

Eine Berufung auf höhere Gewalt kann stets nur die letzte Maßnahme sein. Es ist erst dann von einem Leistungshindernis aufgrund von höherer Gewalt auszugehen, wenn dem Auftragnehmer selbst Ersatzmaßnahmen objektiv unmöglich sind. Es ist für den Auftragnehmer sogar zumutbar, Kostensteigerungen zur Beschaffung von adäquaten Ersatzmitteln hinzunehmen. Der Auftragnehmer hat alles zu unternehmen was ihm möglich ist, um seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Diese unternommenen Maßnahmen muss der Auftragnehmer dem Auftraggeber darlegen.

Angesichts der derzeitigen Überlastung von Behörden und dem Rückgang der Geschäftstätigkeit in der Privatwirtschaft sollten dem Auftragnehmer nach Ansicht des BMI der Nachweis des Vorliegens höherer Gewalt jedoch nicht allzu schwer gemacht werden. Der Nachweis ist als erbracht anzusehen, wenn man das Vorliegen von höherer Gewalt aufgrund der Begründung des Auftragnehmers als überwiegend wahrscheinlich betrachtet und keine begründeten Zweifel für den Auftraggeber übrigbleiben. Der Auftraggeber sollte auch Verständnis dafür aufbringen, wenn eventuelle Nachweise etwas mehr Zeit erfordern.

Corona-Pandemie als höhere Gewalt auf Seiten des Auftraggebers

Auch der Auftraggeber kann aufgrund der Corona Pandemie von Leistungseinschränkungen betroffen sein, so zum Beispiel, wenn die Projektleitung unter Quarantäne gestellt wird und der Auftraggeber dadurch nicht mehr seinen vertraglichen Kooperations- und Überwachungspflichten nachkommen kann.

Hier gelten die gleichen Anforderungen, die an den Auftragnehmer gestellt werden. Der Auftraggeber kann eine Leistungseinstellung aufgrund höherer Gewalt erst erfolgreich geltend machen, wenn er darlegt und nachweist, dass Ersatzmaßnahmen, wie beispielsweise Homeoffice oder die Beschaffung einer Vertretung nicht möglich waren.

Auswirkungen der Einstufung des Coronavirus als höhere Gewalt

Können sich die Vertragsparteien erfolgreich auf das Vorliegen höherer Gewalt berufen, kann dies insbesondere folgende Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis haben:

  • Der Auftragnehmer ist für die Dauer der Behinderung von seinen Leistungspflichten befreit;
  • Ausführungsfristen verlängern sich um die Dauer der Behinderung zzgl. eines angemessenen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten (§ 6 Abs. 4 VOB/B);
  • Der Auftraggeber kann gegenüber dem Auftragnehmer keine Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche aufgrund der entstehenden Verzögerung geltend machen;
  • Eine eventuelle Vertragsstrafe wird durch Überschreitung der ursprünglichen Vertragsfristen nicht verwirkt;
  • Kann der Auftraggeber die für die Vertragsleistungen erforderlichen Mitwirkungen nicht erbringen, gerät er nicht in Annahmeverzug, sodass der Auftragnehmer keine Entschädigungsansprüche gem. § 642 BGB geltend machen kann. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Vorgewerk aufgrund von höherer Gewalt nicht fertiggestellt werden kann und der nachfolgende Unternehmer deswegen Ansprüche wegen Behinderung gegen den Auftraggeber geltend macht.

Erst wenn aufgrund der Corona-Pandemie eine Leistungseinstellung ausweglos ist, dem Vertragspartner unverzüglich Mitteilung geben

Wenn Leistungshindernisse auf Seiten des Auftraggebers oder Auftragnehmers aufgrund der Corona Pandemie bestehen, sollte zunächst nach Ersatzmaßnahmen oder Ersatzbeschaffungen gesucht werden. Hier sind auch Ersatzmaßnahmen vorzunehmen, die erhöhte Kosten verursachen. Unter keinen Umständen sollte die vertragliche Leistung unter Berufung auf die Corona Pandemie einfach eingestellt werden.

Erst wenn feststeht, dass eine Leistungseinstellung unumgänglich ist, sollte dem Vertragspartner die Behinderung unverzüglich unter Darlegung der entsprechenden Gründe mitgeteilt werden. Werden Nachweise verlangt, sind diese schnellstmöglich zu beschaffen. Hier ist auch an die Kooperationsbereitschaft des Vertragspartners zu appellieren, um eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung für die Zeit während und nach der Behinderung zu finden. Besteht die Behinderung aufgrund der Coronakrise über mehrere Monate fort und ist der Zustand finanziell untragbar, könnte eine Möglichkeit auch darin bestehen, über eine (einvernehmliche) Kündigung des Vertrages zu sprechen und gegenseitig nur die bis dahin ausgeführten Leistungen abzurechnen. Oft ist in Bauverträgen ein derartiges außerordentliches Kündigungsrecht bereits ausdrücklich vorgesehen.

Es sollte nun außerdem zu den Prioritäten zählen, offene Rechnungen zu prüfen und diese zu begleichen bzw. deren Begleichung kurzfristig einzufordern. So kann einem Forderungsausfall aufgrund von Insolvenz des Vertragspartners vorgebeugt werden.

In unserer Blogreihe „Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft″ informieren wir Sie über die getroffenen Hilfsmaßnahmen, deren Wirksamkeit und die sonst zu berücksichtigenden unternehmerischen „Stolpersteine″, die das Coronavirus mit sich gebracht hat. Bisher erfolgt sind Beiträge zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und wie dies bei M&A-Transaktionen hilft, zum  CoVInsAG, zum Kurzarbeitergeld und der Kurzarbeitergeldverordnung sowie den Auswirkungen auf Kreditverträge. Es folgten Beiträge zu den steuerlichen Auswirkungen, zur EU-Beihilfemöglichkeiten, zum Schutz vor Kündigungen von Wohn- und Geschäftsräumen und Mietverhältnissen allgemein sowie zum Wirtschaftsstabilisierungsfond und damit verbundenen, offenen Fragen zum WSF. Weiter beschäftigten wir uns mit dem Erlass des BMI zu bauvertraglichen Fragen, mit Finanzhilfen für Unternehmen, den Fördermöglichkeiten und mit den steuerliche Maßnahmen, mit Cash-Pooling und dem Gesetz zum Darlehensnehmerschutz sowie den alternativen Wegen zur Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen.


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Tags: Bauvertrag BMI Coronavirus Erlass