3. September 2020
Aussetzung Insolvenzantragspflicht
Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft Restrukturierung und Insolvenz

Teilweise Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht über den 30. September 2020 hinaus – Update #1

Der Koalitionsausschuss hat am 25. August 2020 eine Verlängerung der Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie beschlossen.

Bereits im März 2020 wurde mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht. Jetzt hat der Koalitionsausschuss beschlossen, die dort getroffenen Maßnahmen infolge der weiter anhaltenden und zuletzt sogar steigenden Fallzahlen zu verlängern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat angekündigt, am 26. August 2020 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in das Bundeskabinett einzubringen.

+++ Update +++ 3. September 2020 +++ Update +++

Der Vorschlag des Koalitionsausschusses sieht vornehmlich eine Verlängerung der getroffenen Maßnahmen zum Kurzarbeitergeld, eine Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge sowie eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragsflicht für den Insolvenzgrund der Überschuldung vor. Der Koalitionsausschuss möchte weiterhin das Überbrückungshilfen-Programm für kleine und mittlere Betriebe sowie die Regelung, dass Minijobs generell anrechnungsfrei sind, bis Ende des Jahres 2020 verlängern.

Die Bundesregierung hat am 2. September 2020 die von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Gesetzentwurf zur Änderung des COVInsAG beschlossen.

Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung bis 31. Dezember 2020 ausgesetzt

Nach bisheriger Fassung des § 1 COVInsAG ist die nach § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Diese Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll nun für den Tatbestand der insolvenzrechtlichen Überschuldung nach § 19 Abs. 1 InsO bis zum 31. Dezember 2020 verlängert werden. Nach dem COVInsAG ist die Insolvenzantragspflicht nicht ausgesetzt, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht und keine Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht. Eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auch wegen Zahlungsunfähigkeit ist nicht vorgesehen. Das bedeutet, dass Unternehmen, welche zahlungsunfähig sind, spätestens ab dem 1. Oktober 2020 wieder gesetzlich dazu verpflichtet sind, einen Insolvenzantrag zu stellen.

Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht war schon im COVInsAG angelegt und könnte per Verordnung von der Bundesregierung bis längstens zum 31. März 2020 umgesetzt werden. Von dieser Ermächtigung wird nun kein Gebrauch gemacht. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, die Verlängerung von Gesetzes wegen zu beschließen und die Ermächtigung der Bundesregierung zu einer etwaigen Verlängerung zu streichen. Dies bedeutet, dass eine weitere Verlängerung des Aussetzungszeitraums über den 31. Dezember hinaus ebenfalls nur per Gesetz verabschiedet werden kann.

Neben der Verlängerung des Aussetzungszeitraums für den Insolvenzgrund der Überschuldung werden auch die bislang geregelten Folgen der Aussetzung im Fall der weiteren Aussetzung bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. So bleiben Zahlungsverbote, nach denen Geschäftsführer für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich haften, bei Vorliegen der Voraussetzungen weiterhin gelockert. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, gelten dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar und lösen keine Haftung aus. Sinnvoll wäre es außerdem gewesen, wenn auch das derzeit bestehende Risiko der Organe wegen Eingehungsbetrugs sowie der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft für Erfüllungsschäden einschränkt würde. Dies sieht der Gesetzesentwurf allerdings nicht vor.

Kurzarbeitergeld und damit verbundene Erleichterungen verlängert

Der Koalitionsausschuss hat sich in seinem Beschluss vornehmlich mit den Regelungen zur Kurzarbeit beschäftigt. Geplant ist, die Bezugsdauer für Betriebe, die bis zum 31. Dezember 2020 Kurzarbeit eingeführt haben, auf bis zu 24 Monate zu verlängern. Längstens soll die Bezugsdauer bis zum 31. Dezember 2021 möglich sein.

Von der geplanten Verlängerung sind auch die Regelungen zum erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld umfasst. Danach ist kein Aufbau negativer Arbeitszeitsalden erforderlich und es müssen nur 10 Prozent der Belegschaft eines Betriebes von einem Entgeltausfall betroffen sein. Diese Regelung gilt bis zum 31. Dezember 2020 und für alle Betriebe, die bis zum 31. März 2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben.

Weiterhin sollen die Regelungen zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 70 bzw. 77 Prozent ab dem 4. Monat und 80 Prozent bzw. 87 Prozent ab dem 7. Monat bis zum 31. Dezember 2021 verlängert werden. Dies gilt nur, wenn der Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2021 entstanden ist. Das reguläre Kurzarbeitergeld beträgt 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns.

Die im Zuge der COVID-19-Pandemie eingeführte Steuererleichterung für Arbeitgeberzuschüsse auf das Kurzarbeitergeld soll ferner bis zum 31. Dezember 2021 verlängert werden. Die Koalition greift tief in die Tasche und will auf die Rückforderung der von der Bundesagentur für Arbeit gewährten Bundeshilfen in der Höhe der zusätzlich durch das so verlängerte Kurzarbeitergeld entstehenden Kosten verzichten. Insgesamt hat der Koalitionsausschuss bereits angekündigt, über weitere Anpassungen und Verlängerungen des Kurzarbeitergeldes bei Bedarf zu beraten. Es ist demnach möglich, dass jetzt beschlossene Maßnahmen noch nicht das Ende der Corona-Hilfen darstellen werden.

Die Unternehmen sollen weiterhin durch eine Entlastung bei der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen unterstützt werden. Sozialversicherungsbeiträge müssen grundsätzlich auch bei Kurzarbeit gezahlt werden. Die Koalition plant nun, dass Sozialversicherungsbeiträge bis zum 30. Juni 2021 vollständig erstattet werden sollen. Vom 1. Juli 2021 bis höchstens 31. Dezember 2021 sollen für alle Betriebe, die bis zum 30. Juni 2021 Kurzarbeit eingeführt haben, die Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte erstattet werden. Diese hälftige Erstattung kann auf 100 Prozent erhöht werden, wenn eine Qualifizierung während der Kurzarbeit erfolgt. Voraussetzung ist, dass ein Weiterbildungsbedarf besteht, die Maßnahme einen Umfang von mehr als 120 Stunden hat und sowohl der Träger als auch die Maßnahme zugelassen ist.

Verlängerungen der Regelungen zu anrechnungsfreien Minijobs, des Überbrückungshilfen-Programms und Zugang in die Grundsicherungssysteme sowie Hilfen für Künstler, Kleinunternehmer und Soloselbstständige

Des Weiteren soll von den bestehenden befristeten Hinzuverdienstmöglichkeiten die Regelung, dass Minijobs bis 450 Euro generell anrechnungsfrei sind, bis zum 31. Dezember 2021 verlängert werden.

Die Laufzeit des Überbrückungshilfen-Programms für kleine und mittelständische Unternehmen in der Corona-Krise soll bis zum 31. Dezember 2020 verlängern werden. Zusätzlich will die Koalition den erleichterten Zugang in die Grundsicherungssysteme bis zum 31. Dezember 2020 verlängern. Auch soll es besondere Regelungen für Künstler, Soloselbstständige und Kleinunternehmen durch eine geeignete Ausgestaltung des Schonvermögens geben.

Fazit: Weitere Entlastung für Unternehmen über den 30. September 2020 hinaus

Der Gesetzgeber reagiert erneut schnell und deutlich vor Ablauf der bereits beschlossenen Maßnahmen auf die weiter anhaltenden Schwierigkeiten für Unternehmen. Man setzt dabei auf bewährte Kriseninstrumente.

Insbesondere die Aussetzung der Überschuldung dürfte für viele Unternehmen eine weitere wertvolle Atempause bieten. Die Regelungen zum Kurzarbeitergeld und den Sozialversicherungsbeiträgen entlasten viele Betriebe. Den betroffenen Unternehmen wird Zeit gegeben, um eine Sanierungslösung zu finden. Sanierungsmaßnahmen (operative Maßnahmen, Stakeholder-Beiträge, Förderdarlehen oder Staatshilfen) müssen individuell erarbeitet werden. Unternehmen, die bereits an einem Sanierungskonzept arbeiten und noch in Verhandlungen sind, müssen dieses zum 31. Dezember 2020 finalisieren.

Die Praxis hat gezeigt, dass viele Unternehmen trotz der zwischenzeitlichen Lockerungen noch mitten in der Krise stecken. Ob danach noch eine weitere Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht kommt, bleibt abzuwarten. Es zeigt sich aber, dass sich bereits Widerstand regt und befürchtet wird, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht über den 31. Dezember 2020 hinaus mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. Mit den Folgen der COVID-19-Pandemie werden Unternehmen noch lange zu kämpfen haben. Insofern bleibt zu hoffen, dass schnellstmöglich neben dem Insolvenzrecht auch der präventive Restrukturierungsrahmen als Sanierungsinstrument zur Verfügung steht. Damit würde sich eine weitere Option ergeben zur Schuldenbereinigung und Restrukturierung.

Am 17. September 2020 findet zum Thema „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – teilweise Verlängerung über den 30.09.2020 hinaus″ ein Online-Seminar statt. Sollten Sie Interesse an einer Teilnahme haben, kommen Sie gerne auf uns zu.

In unserer Blogreihe „Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft″ informieren wir Sie über die getroffenen Hilfsmaßnahmen, deren Wirksamkeit und die sonst zu berücksichtigenden unternehmerischen „Stolpersteine″, die das Coronavirus mit sich gebracht hat. Bisher erfolgt sind Beiträge zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und wie dies bei M&A-Transaktionen hilft, zum CorInsAG, zum Kurzarbeitergeld und der Kurzarbeitergeldverordnung sowie den Auswirkungen auf Kreditverträge. Es folgten Beiträge zu den steuerlichen Auswirkungen, zu EU-Beihilfemöglichkeiten, zum Schutz vor Kündigungen von Wohn- und Geschäftsräumen und Mietverhältnissen allgemein sowie zum Wirtschaftsstabilisierungsfond und damit verbundenen, offenen Fragen zum WSF. Weiter beschäftigten wir uns mit dem Erlass des BMI zu bauvertraglichen Fragen, mit Finanzhilfen für Unternehmen, den Fördermöglichkeiten und mit den steuerliche Maßnahmen, mit Cash-Pooling und dem Gesetz zum Darlehensnehmerschutz sowie den alternativen Wegen zur Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen.


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Tags: Aussetzung Insolvenzantragspflicht Grundsicherungssystem Kurzarbeitergeld Minijobs Überbrückungshilfe-Programm