21. September 2023
Einheits-GmbH & Co. KG
Modernisierung des Personengesellschaftsrechts

Künftige Regelung zur Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG

Der Entwurf des § 170 Abs. 2 HGB n.F. löst das Grundproblem der Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG. Detailfragen sollten aber weiterhin vertraglich geregelt werden.

Am 1. Januar 2024 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft. § 170 Abs. 2 HGB n.F. enthält eine neue Regelung zur Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG – einem rechtlichen Grundproblem dieser Gesellschaftsform. Nach dem MoPeG nehmen künftig grundsätzlich die Kommanditisten die Rechte der Kommanditgesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin wahr.

Rechtliches Grundproblem der Einheits GmbH & Co. KG

Die Besonderheit und rechtliche Problematik der Einheits-GmbH & Co. KG – die in diesem Beitrag stellvertretend für alle Einheitsgesellschaften behandelt wird – besteht darin, dass die KG zugleich Alleingesellschafterin ihrer eigenen Komplementärin ist (in der typischen Einheits-GmbH & Co. KG also Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH): Übt die Komplementärin als gesetzliche Vertreterin der KG ihre Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin aus und wird dabei von ihren Geschäftsführern vertreten, besteht die Gesellschafterversammlung der Komplementärin letztlich aus ihren Geschäftsführern. Das ist insbesondere problematisch bei der Überwachung der Geschäftsführer, ihrer Abberufung und Entlastung sowie bei der Erteilung von Weisungen.

Trotz dieser rechtlichen Schwierigkeiten ist die Einheits-GmbH & Co. KG weit verbreitet, da sie gegenüber der klassischen beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG zwei wesentliche praktische Vorteile hat: Zum einen ist aufgrund ihrer Konstruktion automatisch die übereinstimmende wirtschaftliche Beteiligung der Gesellschafter an der Komplementärin und an der KG gesichert. Zum anderen genügt für die Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung die nicht formbedürftige Abtretung der KG-Anteile, so dass der Kostenaufwand der notariellen Beurkundung entfällt.

MoPeG löst Grundproblem der Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG

Mit der Neuregelung löst der Gesetzgeber ein Grundproblem der Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG (und allen Einheitsgesellschaften) und weist den Kommanditisten die Kompetenz zu, die Kommanditgesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin zu vertreten. Damit weicht der Gesetzgeber von dem Lösungsansatz der Rechtsprechung ab, nach der es dabei bewenden sollte, dass die Komplementärin als gesetzliche Vertreterin der KG sich in ihrer Gesellschafterversammlung selbst vertritt.

Die gesetzgeberische Lösung ist allerdings nur eine Auffangregelung und gilt nur, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht eine abweichende Gestaltung trifft. So ist es ohne weiteres möglich, die Zuständigkeit auf einen Beirat zu übertragen – oder aber, die Zuständigkeit grundsätzlich bei der Kommanditgesellschaft zu belassen und z.B. punktuell in Bezug auf einzelne Beschlussgegenstände die Kommanditisten zu bevollmächtigen.

Detailfragen zur Einheits-GmbH & Co. KG nicht gesetzlich geregelt

So sehr die gesetzliche Neuregelung allgemein begrüßt wird, bleiben doch einige praktische Detailfragen, die das Gesetz nicht regelt:

  • Willensbildung unter den Kommanditisten:

Zunächst stellt sich die Frage, wie die Willensbildung unter den Kommanditisten erfolgen soll, vor allem, mit welchen Mehrheiten die Kommanditisten jeweils über die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte in der Komplementärin entscheiden sollen.

  • Umsetzung der Beschlüsse der Kommanditisten:

Weiterhin besteht in der Praxis oftmals das Interesse, dass ein Kommanditist allein die Beschlüsse der Kommanditisten in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin umsetzen kann. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 170 Abs. 2 HGB n.F. gibt das allerdings nicht her (″… die Rechte… [werden] von den Kommanditisten wahrgenommen″).

  • Umgang mit Interessenkonflikten:

Auch bei Zuständigkeit der Kommanditisten können Interessenkonflikte auftreten, und zwar immer dann, wenn die von einer Beschlussfassung betroffenen Geschäftsführer der Komplementärin zugleich Kommanditisten in der KG sind: vordringlich bei der Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund, aber auch im Übrigen bei Beschlussfassungen über die Bestellung, Anstellung, Abberufung und Entlastung sowie über sonstige den Geschäftsführer betreffende Entscheidungen.

Gestaltungsempfehlungen 

Zunächst haben sich die Gesellschafter die Frage zu stellen, ob sie (i) der von § 170 Abs. 2 HGB n.F. vorgezeichneten Lösung folgen wollen, ob sie (ii) eine Beiratslösung favorisieren, oder ob (iii) grundsätzlich die KG, vertreten durch ihre Komplementärin, zur Ausübung der Gesellschafterrechte in der Komplementärin zuständig sein soll.

In letzterem Fall ist zu vermeiden, dass ein Geschäftsführer der Komplementärin etwa über seine eigene Abberufung oder Entlastung entscheidet: Entweder sollte entsprechend dem Lösungsansatz der Rechtsprechung klargestellt werden, dass derartige Angelegenheiten die Mitgeschäftsführer des betroffenen Geschäftsführers entscheiden, oder es sollten für diese Fälle die Kommanditisten bevollmächtigt werden. Diese Vollmacht sollte möglichst im Gesellschaftsvertrag als grundsätzlich unentziehbares Sonderrecht ausgestaltet werden.

Sollen die Kommanditisten entsprechend der Neuregelung in § 170 Abs. 2 HGB n.F. die Rechte der Kommanditgesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin wahrnehmen, ist empfehlenswert, die im Gesetz nicht behandelten Fragen im Gesellschaftsvertrag der KG zu regeln:

  • Willensbildung unter den Kommanditisten:

Die Willensbildung unter den Kommanditisten im Hinblick auf die bei der Komplementärin zu behandelnden Gegenständen sollte so gestaltet werden, wie die Kommanditisten es auch für Gesellschafterbeschlüsse auf Ebene der KG für angemessen halten: mit einfacher Mehrheit, für wesentliche Maßnahmen aber mit einer bestimmten qualifizierten Mehrheit der Kommanditisten. Dies dürfte regelmäßig grundlegende Strukturmaßnahmen auf Ebene der Komplementärin einschließlich Satzungsänderungen, weiterhin die Bestellung, Anstellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer sowie den Erlass einer Geschäftsordnung und die Zustimmung zu wichtigen Geschäftsführungsmaßnahmen betreffen. Für das Verfahren der Willensbildung kann auf die Regelungen zur Beschlussfassung auf Ebene der KG verwiesen werden.

  • Umsetzung der Beschlüsse der Kommanditisten:

Zur Umsetzung der Beschlüsse der Kommanditisten in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin sollten praktischerweise im Gesellschaftsvertrag alle Kommanditisten ermächtigt werden, und zwar je nach Wunsch einzel- oder gesamtvertretungsberechtigt. Zugleich sollte der Gesellschaftsvertrag klarstellen, dass im Innenverhältnis nur die Kommanditisten zur Ausübung berechtigt sein sollen, die im konkreten Fall aufgrund der Beschlussfassung der Kommanditisten dazu bestimmt werden.

  • Umgang mit Interessenkonflikten:

Sollte es bei Entscheidungen der Kommanditisten aufgrund der Personenidentität zwischen einem Kommanditisten und betroffenen Geschäftsführer der Komplementärin zu Interessenkonflikten kommen, dürfte § 47 Abs. 4 GmbHG nicht unmittelbar anwendbar sein, da die Kommanditisten selbst nicht Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind. Allerdings sollten Entscheidungen in diesen Fällen nicht an Eigeninteressen eines (befangenen) Kommanditisten ausgerichtet sein. Deshalb sollte im Gesellschaftsvertrag klargestellt werden, dass von Interessenkonflikten betroffene Kommanditisten einem Stimmverbot entsprechend § 136 AktG, § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegen.

Gesellschaftsvertrag sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung der Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG überprüft werden

§ 170 Abs. 2 HGB n.F. bietet Anlass, um zu überprüfen, wie die Gesellschafter sich die Willensbildung in der betreffenden Einheits-GmbH & Co. KG vorstellen. Die künftige Neuregelung kann in einigen Fällen angemessen und ausreichend sein. So sehr sie allseits begrüßt wird, ist aber dennoch Vorsicht geboten, und die Gesellschafter sind gut beraten, sich Gedanken zu machen, ob sie abweichende Regelungen zum gesetzlichen Vorbild treffen wollen. Wenn sie der gesetzlichen Neuregelung folgen, empfiehlt es sich, einzelne praktische Detailfragen im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zu regeln.

Die Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler und weitere Themen werden wir in unserer Blogreihe zum „MoPeG″ erörtern. Gestartet sind wir mit einer Übersicht zum Regierungsentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, den Änderungen im Recht der GbR sowie dem Gesellschaftsregister. Weiter ging es mit einem Beitrag zum Auslandssitz der GmbH & Co. KG, zur Actio pro Socio sowie den Auswirkungen auf die Immobilienbranche. Zuletzt haben wir einen Blick auf die Gesetzesentstehung und auf allgemeine Änderungen im Recht der OHG/KG sowie Künftige Regelung zur Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG geworfen.

Tags: Einheits-GmbH & Co. KG Einheitsgesellschaft MoPeG Willensbildung