9. März 2022
fossile Brennstoffe Bauplanungsrecht Verbot
Environment and Climate Change (ESG)

Ausschluss fossiler Brennstoffe durch Bauplanungsrecht

Klimaschutz durch ein Verbot fossiler Brennstoffe zu Heizzwecken in der Bauleitplanung?

Mit der durch das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in Auftrag gegebenen Handreichung „Muster-Festsetzungen für ein Verbot fossiler Brennstoffe in Bebauungsplänen“ möchte das Land Niedersachsen den Kommunen Möglichkeiten aufzeigen, (auch) im Rahmen ihrer Bauleitplanung Klimaschutzziele zu verfolgen. Unter bestimmten Voraussetzungen – so das Ministerium – könne die Nutzung fossiler Brennstoffe zu Heizzwecken verboten werden.

Grundlage für ein Verbot fossiler Brennstoffe: § 9 Abs. 1 Nr. 23a Baugesetzbuch (BauGB)

Den Rahmen für den Inhalt von Bebauungsplänen legt § 9 BauGB fest. Dort ist abschließend geregelt, welchen Inhalt ein Bebauungsplan haben darf (sog. Festsetzungen). In § 9 BauGB nicht vorgesehene Festsetzungen sind unwirksam. 

Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz ist der Auffassung, dass klimaschutzpolitische Gesichtspunkte über ein Verbot fossiler Brennstoffe zu Heizzwecken auf Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB verfolgt werden können. Dort heißt es, dass 

im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen Gebiete festgesetzt werden können, in denen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes bestimmte luftverunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen.

Nach der Handreichung betreffe die Regelung in ihrer ursprünglichen Konzeption nur sog. Luftreinhaltegebiete, die frei von „luftverunreinigenden Stoffen“ bleiben sollen. Ausdrücklich zählt hier das Bundesimmissionsschutzgesetz in § 3 Abs. 4 Stoffe wie Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe auf.

Doch auch der CO2-Ausstoß – so die Handreichung – verändere die Zusammensetzung der Luft, sodass die Voraussetzungen für eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB in einem Bebauungsplan erfüllt seien. Das folge bereits daraus, dass durch die Klimaschutznovelle aus 2011 Veränderungen im Baugesetzbuch zu Gunsten des Klimaschutzes vorgenommen worden seien. So werde mit dieser Novelle in § 1 Abs. 5 S. 2 und § 1a Abs. 5 BauGB ausdrücklich geregelt, dass die Bauleitplanung auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll.

Eine Regelung anlagebezogener Sachverhalte hingegen, also z.B. ein Ausschluss bestimmter Feuerungsanlagen oder eine Regelung bestimmter technischer oder baulicher Anforderungen, komme auf Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB nach der Handreichung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz nicht in Betracht.

Verbot fossiler Brennstoffe vorrangig in Neubaugebieten durchzusetzen

Aus der Handreichung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz ergibt sich weiter, dass entsprechende Festsetzungen vor allem für Neubaugebiete, die Wohnzwecken dienen, von Kommunen in Betracht gezogen werden sollen. 

Grund dafür sei, dass § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB zunächst nur Festsetzungen für einzelne „Gebiete“ und damit nicht für die Gemeinde insgesamt zulässt. Hinzu komme, dass die satzungsgebende Kommune die unterschiedlichen Belange im Rahmen einer umfassenden Abwägung im Einzelfall gerecht berücksichtigen muss (§ 1 Abs. 7 BauGB). Deshalb seien die örtlichen Gegebenheiten, unterschiedliche Vorbelastungssituationen, Kostenaspekte und Ähnliches in die Entscheidung der Kommune mit einzubeziehen, was in einem bereits bebauten Gebiet naturgemäß mehr Konfliktpotenzial biete.

Für Gewerbe(neubau)gebiete soll die Möglichkeit derartiger Festsetzungen auch gegeben sein, wenn und soweit dort nur bestimmte Arten von gewerblichen Nutzungen angesiedelt werden sollen. Dies ist jedoch problematisch, wenn bereits Beschränkungen für Anlagen bestehen, die dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) unterliegen. Aufgrund vorrangigen Bundes- und Unionsrechts ist es den Kommunen in diesem Fall untersagt, die Verwendung fossiler Brennstoffe auszuschließen oder einzuschränken (BVerwG, Urteil v. 14. September 2017 – 4 CN 6.16).

Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen unklar

Nach der Rechtsprechung müssen die ausgeschlossenen Stoffe, als zusätzliche Voraussetzung, einen hinreichenden Bezug zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen haben und sich dabei auf eine konkrete Schädlichkeit beziehen (VGH München, Urteil v. 25. November 2015 – 22 BV 13.1686). Ganz allgemeine Verwendungsverbote, z.B. für Abfälle oder Reststoffe, genügen nicht, weil sie sich nicht auf den Schutz vor konkreten schädlichen Umwelteinwirkungen beziehen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 7. Dezember 2011 – 1 C 11407/10.OVG). 

Aber auch diesbezüglich spreche nach der niedersächsischen Handreichung die Klimaschutznovelle von 2011 dafür, dass ein Ausschluss fossiler Brennstoffe zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen mit dem Schutz des Klimas hinreichend konkrete schädliche Umwelteinwirkungen betreffe und damit in die Bauleitplanung Eingang finden dürfe. Flankiert werde dies durch die in der Rechtsprechung anerkannte Zulässigkeit des Beitrags der Bauleitplanung zum vorsorgenden Umweltschutz.

Bei der Lektüre der Handreichung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz fällt zum einen ins Auge, dass sie trotz dieser bisher durch die Rechtsprechung nicht geklärten Rechtsfragen – auf die die Handreichung selbst hinweist – Kommunen Verbote der Nutzung fossiler Brennstoffe zu Heizzwecken durch eine Festsetzung im Bebauungsplan nahelegt. Zum anderen ist auffällig, dass die Handreichung bereits Beispiele für eine Begründung einer solchen Festsetzung in einem Bebauungsplan enthält. 

Festsetzungen in einem Bebauungsplan können einer direkten Überprüfung im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vor einem Oberverwaltungsgericht oder Verwaltungsgerichtshof oder einer indirekten Prüfung, bspw. in einem gegen eine Versagung einer Baugenehmigung gerichteten Verfahren, vor einem Verwaltungsgericht unterzogen werden. Dabei sind die Rügefristen nach §§ 214 f. BauGB zu beachten, weil andernfalls bspw. Abwägungsmängel einer richterlichen Überprüfung entzogen wären. 

Klimapolitische Ziele in der kommunalen Bauleitplanung weitestgehend ungeklärt und Umsetzung einzelfallabhängig

Neben Niedersachsen haben andere Bundesländer vergleichbare Handreichungen für Kommunen bisher nicht herausgegeben. Das mag auch daran liegen, dass – wie die niedersächsische Handreichung selbst betont – einige Rechtsfragen rund um die Berücksichtigung klimapolitischer Ziele in der kommunalen Bauleitplanung noch nicht geklärt sind.

Letztlich kommt es darauf an, in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob Klimaschutz auch wirklich Eingang in die kommunale Bauleitplanung finden kann. Ob und wie die Kommunen ein Verbot fossiler Brennstoffe zu Heizzwecken bauplanungsrechtlich umsetzen werden, bleibt daher abzuwarten.

In der Serie „Environment and Climate Change“ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal“, den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft und der Wasserstoffstrategie in Ungarn. Anschließend sind wir auf das Fit-for-55-Maßnahmenpaket und die Entwicklungen in der nationalen Wasserstoffstrategie der Türkei, auf die Beschaffungen des Bundes, die Auswirkungen der Sondierungsgespräche auf die Immobilienbranche sowie 10 Punkte des BMWK für nachhaltigen Wettbewerb eingegangen.

Tags: Bauplanuntsrecht Brennstoffe fossile Real Estate & Public Verbot