15. Dezember 2011
Vergaberecht

Neues Vergaberecht im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich in Kraft

Gestern ist mit erheblicher Verspätung das Gesetz zur Änderung des Vergaberechts für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit vom 07.12.2011 in Kraft getreten. Damit ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der Verteidigungsvergaberichtlinie getan.

Die Verteidigungsvergaberichtlinie ist Teil des 2009 verabschiedeten Verteidigungspakets. Deren Ziel ist die Öffnung des Wettbewerbs auch im Sicherheits- und Verteidigungssektor. In der Vergangenheit haben sich die Auftraggeber überwiegend auf die Ausnahme nach Artikel 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) (früher Artikel 296 EG-Vertrag) gestützt und gar nicht ausgeschrieben. Das soll sich jetzt ändern.

Da eine rechtzeitige Umsetzung durch den deutschen Gesetz- und Verordnungsgeber nicht erfolgte, ist die Richtlinie seit 21.08.2011 unmittelbar anwendbar. Dem haben das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) mit Erlass vom 26.07.2011 und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) mit Rundschreiben vom 26.07.2011 Rechnung getragen und entsprechende Handlungsanweisungen für die öffentlichen Auftraggeber festgelegt (mehr dazu hier). Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Vergaberechts für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit wurde ein Teil dieser Verwaltungsvorschriften gegenstandslos.

Das Gesetz ändert insbesondere das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch Einfügung von Vorschriften über die Anwendung des Kartellvergaberechts auf Aufträge aus den Bereichen Verteidigung und Sicherheit sowie die Anpassung von Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren sowie das Vergabeverfahren. Im Einzelnen betreffen die Änderungen insbesondere

  • die Erweiterung der Liste der öffentlichen Aufträge nach § 99 GWB um die verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträge, die in den neuen Absätzen  7 bis 9 in Anlehnung an die Definitionen der Verteidigungsvergaberichtlinie geregelt sind;
  • die Neuregelung der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts, die nunmehr auf § 100 Abs. 2 bis 8 GWB (besondere Vertragstypen sowie besonders sicherheitsrelevante Aufträge), §. 100a GWB (finanzielle Dienstleistungen, Dienstleistungen aufgrund ausschließlichen Rechts und Telekommunikationsdienstleistungen), §. 100b GWB (Ausnahmen im Sektorenbereich) und §. 100c GWB (Ausnahmen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich) verteilt sind;
  • die Regelung zur Aufbewahrung vertraulicher Unterlagen im Nachprüfungsverfahren (§. 110a GWB);
  • die Ermächtigung in § 127 Nr. 3 GWB zum Erlass von Vergaberegelungen für verteidigungs- und sicherheitsrelevante öffentliche Aufträge.

Das Gesetz enthält zudem als Folgeregelung die Ausnahme verteidigungs- und sicherheitsrelevanter Aufträge vom Anwendungsbereich der Sektorenverordnung (SektVO) und der Vergabeverordnung (VgV). Eine direkte Anwendung dieser Verordnungen auf diese Aufträge ist damit nicht mehr möglich, obwohl noch keine Vergaberegeln für den Verteidigungs- und Sicherheitsbereich in Kraft gesetzt wurden. Unklar bleibt, ob die Umsetzung im Wege einer eigenen Verordnung nach dem Modell der Sektorenverordnung erfolgt, wie in dem Rundschreiben des BMWi angekündigt, oder ob die Regeln als Abschnitt 3 der Vergabeordnungen umgesetzt werden. Die Europäische Kommission hat auf jeden Fall bereits die Formulare mit Durchführungsverordnung (EU) Nr. 842/2011 vom 19.08.2011 angepasst.

Im Übrigen bleibt es bei der unmittelbaren Anwendbarkeit der Verteidigungsvergaberichtlinie insbesondere im Hinblick auf die materiellen Anforderungen, deren Einhaltung nunmehr im Nachprüfungsverfahren voll überprüfbar ist. Bei der Anwendung der Richtlinie bieten der Erlass des BMVBS und das Rundschreiben des BMWi wertvolle Hilfe.

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