17. März 2020
Coronavirus Messe Haftung
Commercial Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Haftung bei Absagen von Messen aufgrund des Coronavirus

Zahlreiche Messen wurden aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus bereits abgesagt. Wer haftet für die dadurch entstehenden Schäden?

Zur Verlangsamung einer weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 (Coronavirus) werden immer mehr Veranstaltungen abgesagt. Betroffen sind neben Kultur- und Sportveranstaltungen auch zahlreiche Messen. Nachdem zunächst nur Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern abgesagt werden mussten, untersagen die Behörden nun zunehmend auch kleinere Veranstaltungen. Und auch Veranstalter, die von den behördlichen Anordnungen (noch) nicht betroffen sind, stehen vor der Frage, ob sie geplante Events unter den momentanen Umständen wie vorgesehen durchführen können.

Gerade bei der Absage von Messen sind die wirtschaftlichen Auswirkungen für Veranstalter und Teilnehmer unter Umständen enorm. Es stellt sich daher die Frage, wer für die durch eine Absage entstehenden Einbußen haftet.

Behördlich angeordnete oder „freiwillige″ Absage?

Hierbei ist zu unterscheiden, ob die Absage einer Veranstaltung auf einer behördlichen Anordnung beruht, oder ob sich der Veranstalter aus anderen Gründen zu einer Absage entschließt – sei es aus Gesundheitsschutzerwägungen oder aus wirtschaftlichen Gründen, etwa weil mehrere wichtige Aussteller ihre Teilnahme bereits abgesagt haben.

Bei Absage wegen des Coronavirus sind vertragliche Regelungen entscheidend

Sowohl bei einer behördlichen Anordnung als auch bei einer freiwilligen Absage durch den Veranstalter kommt es im Hinblick auf die Frage, wie mit bereits abgeschlossenen Verträgen zu verfahren ist, vorrangig auf die individuellen vertraglichen Regelungen an. Dies gilt sowohl für die Verträge, die der Veranstalter mit Ausstellern oder Dienstleistern (wie z.B. Security-Unternehmen) abgeschlossen hat, als auch für Vereinbarungen, die Aussteller oder Besucher in Erwartung des Messebesuchs mit Dritten abgeschlossen haben, wie beispielsweise Verträge mit Messebauern oder Reise- und Hotelbuchungen.

In diesem Zusammenhang können insbesondere Vertragsklauseln zu höherer Gewalt (oder auch „Force Majeure„) Bedeutung erlangen. Je nach Formulierung der Klauseln kann entweder bereits der Ausbruch des Coronavirus selbst oder aber jedenfalls eine behördliche Anordnung der Absage der Messe als höhere Gewalt einzustufen sein, was zu einer Haftungserleichterung für die Vertragsparteien führen kann.

Bei behördlicher Untersagung Erstattung von Standmiete und Eintrittsgeldern

Wird die Durchführung einer Messe (z.B. aufgrund der Höhe der erwarteten Besucherzahlen) zur Eindämmung einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus behördlich untersagt, liegt für den Veranstalter rechtlich ein Fall der sog. Unmöglichkeit vor. Auch wenn die jeweiligen Verträge keine Regelungen für diesen Fall beinhalten, ist der Veranstalter aufgrund dieser Unmöglichkeit gegenüber den Ausstellern, Dienstleistern und Besuchern nach § 275 BGB nicht mehr zur Durchführung der Messe verpflichtet. Gleichzeitig können die Vertragspartner aber auch die Rückzahlung bereits an den Veranstalter erbrachter Zahlungen fordern (§ 326 BGB). Aussteller können so z.B. bereits gezahlte Standgebühren und Besucher Eintrittsgelder zurückverlangen.

Kein Ersatz für Anreise, Unterkunft, entgangenen Gewinn

Für weitergehende Aufwendungen, die Aussteller und Besucher in Vorbereitung der Teilnahme an der Messe getroffen haben, kann hingegen im Falle einer behördlichen Untersagung regelmäßig kein Ersatz vom Veranstalter verlangt werden. Gleiches gilt für den Umsatz bzw. Gewinn, der den Ausstellern durch die Absage entgeht. Anders als der Anspruch auf Erstattung von Eintrittsgeldern oder Teilnahmegebühren setzt ein darüberhinausgehender Aufwendungs- oder Schadenersatzanspruch in der Regel voraus, dass der Veranstalter die Absage auch zu vertreten hat. Dies ist bei einer – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbaren – behördlichen Absage einer Messe regelmäßig nicht der Fall.

Aussteller und Besucher können daher keinen Ersatz verlangen, wenn sie auf den Kosten für bereits gebuchte Reisen oder Hotelübernachtungen sitzen bleiben. Sofern keine vertraglichen Stornierungs- oder Rücktrittsmöglichkeiten bestehen, müssen diese auch dann bezahlt werden, wenn die Reise aufgrund der Absage der Messe nicht angetreten wird.

Allenfalls in Ausnahmefällen kann eine Rückabwicklung der entsprechenden Verträge nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht kommen. Denn grundsätzlich fällt es in die Risikosphäre des Besuchers, ob er den mit seiner Reise verbundenen Zweck erreichen kann. Anlass für eine nachträgliche Risikoverlagerung auf den Anbieter der Reise oder der Hotelunterbringung kann nur dann bestehen, wenn das Stattfinden der Messe ausdrücklich zum Vertragsbestandteil erklärt wurde. Denkbar ist dies z.B. bei Hotelübernachtungen, die mit Blick auf die Messe zu besonderen Konditionen gebucht werden. Abhängig von der vertraglichen Ausgestaltung im Einzelfall können Gäste hier unter Umständen von ihrer Zahlungspflicht befreit sein. Bei Flug- oder Zugbuchungen dürfte eine Rückabwicklung nach § 313 BGB dagegen in aller Regel ausscheiden.

Ob und inwieweit wiederum ein Messebauer den Aussteller als seinen Auftraggeber in Anspruch nehmen kann, weil dieser – bedingt durch die Absage des Veranstalters – die zu bebauende Fläche nicht zur Verfügung stellen kann, wird kontrovers beurteilt. Der BGH sieht hierin eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Ausstellers. Diese kann u. U. eine echte vertragliche Verpflichtung darstellen, bei deren Verletzung das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwendbar ist. Zu dieser Annahme neigt in vergleichbaren Konstellationen die Rechtsprechung und spricht dem Werkunternehmer einen Schadensersatzanspruch zu. Ein solcher Anspruch dürfte vorliegend jedoch ebenfalls daran scheitern, dass den Aussteller kein Verschulden an der Absage durch den Veranstalter trifft. Da neben dem Leistungsstörungsrecht § 645 Abs. 1 BGB anwendbar bleibt und im Rahmen seines Anwendungsbereichs den §§ 320 ff. BGB sogar vorgeht, spricht einiges dafür, dass der Messebauer nach § 645 Abs. 1 BGB analog sowohl eine Teilvergütung für bereits erbrachte Leistungen als auch Ersatz seiner in der Vergütung nicht begriffenen Auslagen verlangen kann.

Staatliche Entschädigungen bei behördlichen Absagen wegen des Coronavirus?

Kontrovers diskutiert wird derzeit die Frage, ob bei einer behördlich angeordneten Absage wegen des Coronavirus Entschädigungsansprüche gegen den Staat bestehen können.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat bislang lediglich angekündigt, prüfen zu wollen, ob betroffene Unternehmen eine Entschädigung erhalten können. Das Infektionsschutzgesetz, auf dessen Grundlage die Behörden die Absage von Großveranstaltungen anordnen können, sieht in § 65 für bestimmte Fälle Entschädigungsansprüche gegen das Land vor, wenn aufgrund von behördlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz ein „nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird″.

Teilweise wird angenommen, dass dies auch mögliche Entschädigungen für die Absage von (Groß-)Veranstaltungen einschließen kann. Systematik und Gesetzesbegründung sprechen allerdings eher dafür, dass derartige Schäden von der Vorschrift nicht erfasst werden sollen, sodass Entschädigungsansprüche auf dieser Grundlage eher unwahrscheinlich sein dürften.

Schadensersatzansprüche bei Absage ohne behördliche Anordnung?

Andere Folgen können sich möglicherweise ergeben, wenn sich ein Veranstalter ohne eine behördliche Anordnung zur Absage einer Messe entschließt. Liegen keine behördlichen Informationen zur Einschätzung der Lage vor oder wird lediglich eine unverbindliche Warnung oder Empfehlung ausgesprochen, liegt die Entscheidung über eine Absage beim Veranstalter.

Da der Veranstalter in diesen Fällen seinen Vertragspartnern gegenüber zur Durchführung der Messe verpflichtet bleibt und sich nicht unter Berufung auf behördliche Vorgaben exkulpieren kann, kommen bei einer solchen „freiwilligen″ Absage neben Ansprüchen auf Erstattung bereits geleisteter Beträge grundsätzlich auch Schadenersatzansprüche von Ausstellern und Besuchern in Betracht.

Allerdings dürfte gut vertretbar sein, dass ein Veranstalter eine Absage auch ohne eine behördliche Anordnung mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr für Aussteller und Besucher rechtfertigen kann. Eine solche Rechtfertigung kommt insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Denn wer durch Eröffnung eines Verkehrs eine besondere Gefahrenlage für Dritte schafft, hat die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar sind, um die Schädigung oder Gefährdung Dritter zu verhindern. Die Verkehrssicherungspflicht kann über das durch öffentlich-rechtliche Vorschriften und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr Geforderte hinausgehen und geht auch nicht auf die Behörde über. Wenn die Absage einer Veranstaltung das einzige Mittel ist, die Gefährdung einer Ansteckung bzw. Verbreitung des Coronavirus zu verhindern, sprechen gute Gründe dafür, dass eine solche Entscheidung des Veranstalters nicht auf der anderen Seite durch Schadensersatzansprüche seiner Vertragspartner „bestraft″ werden darf. Ob die Haftung wegen Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes für die objektiv pflichtwidrige Absage oder mangels Verschulden entfällt, ist dann nur eine dogmatische Frage.

Vorsicht Coronavirus: Teilnahme an Messe nur „auf eigene Gefahr“?

Ganz gleich, wie man diese Frage beurteilt, bleiben schwierige Abwägungsfragen. Denn der Veranstalter, der trotz der Gesundheitsrisiken die (nicht behördlich untersagte) Veranstaltung durchführt, wird sich gegenüber dem Teilnehmer/Besucher, der sich (sofern nachweisbar) dort infiziert, andererseits darauf berufen können, dass dieser „auf eigene Gefahr″ an der Messe teilgenommen hat. Angesichts der enormen medialen Präsenz dieses Themas kann niemand behaupten, er sei nicht „gewarnt″ worden.

Die Situation lässt sich daher am ehesten mit der eines Herstellers vergleichen, der ein gefährliches Produkt in Verkehr gebracht hat. Auch dieser muss abwägen, ob er es bei einer „Produktwarnung″ belässt oder einen Rückruf durchführt. Wie in solchen Rückruffällen kann ein Veranstalter daher gut beraten sein, durch ein Sachverständigengutachten prüfen zu lassen, wie hoch das Risikopotenzial einer konkret anstehenden oder in Zukunft geplanten Veranstaltung einzuschätzen ist.

Wirtschaftliche Sinnlosigkeit einer Veranstaltung in Zeiten des Coronavirus dürfte keine Exkulpation darstellen

Anders dürfte es hingegen zu beurteilen sein, wenn der Veranstalter erwägt, von der Durchführung einer Messe Abstand zu nehmen, weil sie wirtschaftlich sinnlos geworden ist, z.B. weil bereits zahlreiche Aussteller aufgrund von Reiseverboten oder eigener Risikoabwägungen ihre Teilnahme abgesagt haben. Das dürfte eine rein unternehmerische Entscheidung sein, die – abgesehen von Fällen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage – eine Vertragsverletzung nicht rechtfertigt.

Bei einer solchen „freiwilligen″ Absage der Messe dürfte sich die Rechtslage für das Vertragsverhältnis zwischen Aussteller und Messebauer (also auf der nachgelagerten Ebene) gegenüber dem oben behandelten Fall der behördlich angeordneten Absage wohl nicht ändern. Für den Aussteller bleibt die für die Erbringung der Werkleistung erforderliche Mitwirkungshandlung unverschuldet unmöglich. Das möglicherweise vorliegende Verschulden des Veranstalters dürfte dem Aussteller nicht zuzurechnen sein, da der Veranstalter im Rahmen des Werkvertrags zwischen Aussteller und Messebauer nicht als Erfüllungsgehilfe des Ausstellers anzusehen sein dürfte.

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tipps für Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtlichen) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und KleinstunternehmernUnterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüssen. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte. Zuletzt haben wir auf die Haftung bei betrieblichen Corona-Schutzimpfungsprogrammen hingewiesen.


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