9. April 2020
Corona Finanzbericht
Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen Banking & Finance

Coronavirus und Kapitalmarkt – Verspätete Finanzberichte werden kurzzeitig nicht sanktioniert – Update #1

Börsennotierten Unternehmen drohen vorläufig keine Strafen, wenn sie wegen der Corona-Pandemie zu spät über ihre Zahlen berichten.

Die mit dem Coronavirus einhergehenden wirtschaftlichen Unsicherheiten wirken sich auch auf die Finanzberichterstattung von börsennotierten Unternehmen aus. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Aufsichtsbehörde für die europäischen Wertpapiermärkte, hat deswegen nun eine öffentliche Erklärung zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Fristen für die Veröffentlichung von Finanzberichten veröffentlicht, die für alle Emittenten von Wertpapieren gelten.

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ESMA sieht Auswirkungen von Corona auf Finanzberichterstattung

In ihrer Erklärung erkennt die ESMA die Schwierigkeiten der Emittenten bei der Erstellung von Finanzberichten und die Herausforderungen an, die sich für Unternehmen bei der Erstellung und für die Wirtschaftsprüfer bei der rechtzeitigen Prüfung von Abschlüssen aufgrund der COVID-19-Pandemie stellen. Diese können die Fähigkeit der Emittenten zur Veröffentlichung innerhalb der gesetzlichen Fristen beeinträchtigen.

Die ESMA empfiehlt in ihrer Erklärung den zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden, gegenüber Emittenten, bei denen sich die Veröffentlichung von Finanzberichten über die gesetzliche Frist hinaus verzögert, für eine gewisse Zeit Nachsicht zu üben. Gleichzeitig wird in der Erklärung betont, dass die Emittenten ihre Anleger über die erwartete Verzögerung der Veröffentlichung informieren sollen.

Verpflichtung zur rechtzeitigen Veröffentlichung von Finanzberichten bleibt bestehen

Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem von der EU regulierten Markt zugelassen sind, haben regelmäßig Jahresfinanzberichte zu veröffentlichen; Emittenten von Aktien oder Schuldverschreibungen zusätzlich auch Halbjahresfinanzberichte.

Kapitalmarktorientierte, also börsennotierte, Unternehmen müssen ihren Jahresabschluss innerhalb von vier Monaten nach Geschäftsjahresende veröffentlichen; den Halbjahresfinanzbericht spätestens drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Berichtszeitraums (§§ 114 Abs. 1, 115 Abs. 1 WpHG).

Erst kürzlich hatte die ESMA darauf hingewiesen, dass falls der Finanzbericht für das Jahr 2019 noch nicht fertiggestellt ist, die Unternehmen die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Grundlage einer qualitativen und quantitativen Bewertung ihrer Geschäftsaktivitäten, ihrer finanziellen Situation und ihrer wirtschaftlichen Leistung aufnehmen sollen. Sofern der Finanzbericht bereits abgeschlossen ist, solle diese Bewertung in den nächsten Zwischenbericht aufgenommen werden.

Schonfristen bei „Corona-bedingten″ Verzögerungen

Mit ihrer öffentlichen Stellungnahme vom 27. März 2020 bestätigt die ESMA, dass es für Emittenten zu Schwierigkeiten in Bezug auf eine fristgerechte Finanzberichterstattung aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie kommen kann. Gleichzeitig betont sie, dass eine rechtzeitige und transparente Finanzberichterstattung für den Kapitalmarkt sehr wichtig ist. Emittenten sollen sich daher nach besten Kräften bemühen, trotz der momentanen Krisensituation ihre Finanzberichte zu erstellen und innerhalb der gesetzlichen Frist veröffentlichen. Sollte eine rechtzeitige Berichterstattung ausnahmsweise nicht möglich sein, müssen Emittenten die Anleger informieren, wie lange sich die Veröffentlichung verzögert.

Die momentan auch für Emittenten bestehende Ausnahmesituation soll laut ESMA von den nationalen Aufsichtsbehörden allerdings bei der Ahndung von Verstößen berücksichtigt werden. Konkret sollen die Aufsichtsbehörden für die unten genannten Zeiträume keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen ergreifen, wenn ein Emittent aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht in der Lage ist, die Finanzberichte fristgerecht zu veröffentlichen.

Im Einzelnen sollen die nationalen Aufsichtsbehörden folgende Schonfristen gewähren:

  • Bei Jahresabschlüssen, die sich auf ein Geschäftsjahr beziehen, das am oder nach dem 31. Dezember 2019, aber vor dem 1.April 2020 geendet hat, einen Zeitraum von zwei Monaten nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichungsdatum.
  • Bei Halbjahresfinanzberichten, die sich auf eine Berichtsperiode beziehen, die am oder nach dem 31. Dezember 2019, aber vor dem 1. April 2020 endet, für einen Monat nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichungsdatum.

Der Jahresabschluss eines Emittenten, der das Kalenderjahr als Geschäftsjahr hat und seinen Jahresabschluss normalerweise bis spätestens zum 30. April 2020 veröffentlichen müsste, könnte dies nun ausnahmsweise auch erst bis zum 30. Juni 2020 tun, ohne Sanktionen der Aufsichtsbehörde fürchten zu müssen.

Die Aufsichtsbehörden sollen bei ihren Maßnahmen im Zusammenhang mit den Veröffentlichungsfristen von Finanzberichten ferner einen risikobasierten Ansatz anwenden, d.h also abhängig von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts.

Zwischenzeitlich hat das Bundesamt für Justiz (BfJ) auf die Empfehlungen der ESMA reagiert und am 8.April 2020 entlastende Maßnahmen zugunsten von Unternehmen beschlossen, die ihre Jahresabschlüsse bisher nicht fristgerecht einreichen konnten.

Auch wenn die gesetzliche Offenlegungsfrist nach § 325 HGB weiterhin gilt, wird das BfJ aber derzeit keine neuen Androhungs- und Ordnungsgeldverfügungen gegen Unternehmen erlassen.

Unternehmen, die nach dem 5 Februar 2020 vom BfJ eine Zwangsgeldandrohung erhalten haben, können die Offenlegung bis zum 12 Juni 2020 nachholen, auch wenn die sechswöchige Nachfrist für die versäumte Offenlegung schon vorher abgelaufen ist. Wird die Offenlegung bis zum 12. Juni 2020 nachgeholt, wird das zuvor angedrohte Ordnungsgeld nicht festgesetzt.

Gegen kapitalmarktorientierte Unternehmen, deren Frist zur Offenlegung für den Jahresabschluss 2019 regulär am 30. April 2020 abläuft, wird das BfJ vor dem 1. Juli 2020 kein Ordnungsgeldverfahren einleiten.

Mögliche Gründe für Verzögerungen

Zu der Frage, wann ein Emittent aufgrund der COVID-19-Pandemie aus nachvollziehbaren Gründen nicht in der Lage ist, seine Finanzberichte rechtzeitig zu veröffentlichen, gibt die ESMA keine Hinweise. In Betracht könnten aber zum Beispiel folgende Faktoren kommen:

  • Prognoseschwierigkeiten in Bezug auf den Ausblick im Lagebericht oder die positive Fortführungsprognose
    Der Jahresabschluss muss einen Lagebericht enthalten, in dem die aktuelle Lage des Unternehmens und die voraussichtliche Entwicklung seiner Chancen und Risiken beschrieben werden. Aufgrund der derzeit sehr unsicheren Wirtschaftslage und den sich momentan ständig ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen, kann es für einen Emittenten erhebliche Schwierigkeit bereiten, die eigene Lage zu bewerten oder gar eine positive Fortführungsprognose zu stellen. Es ist daher eine genaue Untersuchung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Unternehmen erforderlich, die nicht nur zeitintensiv ist, sondern unter Umständen auch kurzfristiger Anpassungen bedarf. Dies kann dazu führen, dass ein Finanzbericht nicht fristgerecht fertiggestellt und veröffentlicht werden kann.
  • Prüfungsprobleme der Wirtschaftsprüfer
    Die Finanzberichte sind von unabhängigen Wirtschaftsprüfern zu prüfen. Können diese aufgrund von COVID-19 Prüfungstermine nicht einhalten oder können erforderliche Prüfungshandlungen, z.B. auch beim Unternehmen vor Ort, nicht vorgenommen werden, kann dies zu Verzögerungen in der Erstellung und Veröffentlichung der Finanzberichte führen.
  • Prüfungsschwierigkeiten aufgrund kurzfristig beanspruchter Hilfsmaßnahmen
    Derzeit wird eine Vielzahl von finanziellen Hilfsmaßnahmen wie Sofortkrediten, Einmalauszahlungen oder Moratorien für Darlehensrückzahlungen angeboten, um die finanziellen Engpässe von Unternehmen abzumildern. Nehmen Emittenten derartige Unterstützungen in Anspruch, kann dies Auswirkungen auf das Rechnungswesen des Unternehmens haben. Die ESMA hat hierzu am 25.März 2020 ebenfalls eine öffentliche Stellungnahme Emittenten haben danach insbesondere die Auswirkungen auf die Finanzberichterstattung, vor allem im Hinblick auf den Ansatz und die Bewertung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9, zu prüfen. Auch dies kann zu einer verzögerten Veröffentlichung von Finanzberichten führen.

Keine Auswirkung auf Ad-hoc Pflicht

Die ESMA stellt aber auch klar, dass die Verpflichtung zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen durch Ad-hoc-Mitteilungen nach der europäischen Marktmissbrauchsverordnung weiterhin gilt.

Die ESMA wird zusammen mit den nationalen Wettbewerbsbehörden die Situation weiter beobachten und die Notwendigkeit einer Verlängerung der Schonfristen erneut bewerten.

BaFin bei verzögerter Finanzberichterstattung zeitnah in Kenntnis setzen

Mit ihrer Erklärung trägt die ESMA möglichen Schwierigkeiten bei der Erfüllung der rechtzeitigen Finanzberichterstattung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie Rechnung. Emittenten ist dennoch zu empfehlen, weiterhin ihr Bestmögliches zu tun, um anstehende Finanzberichte fristgerecht zu veröffentlichen. Zeichnen sich Schwierigkeiten bei der Fristeinhaltung ab, sollte die BaFin und die Anleger schnellstmöglich herüber in Kenntnis gesetzt werden.

Ad-hoc Mitteilungen, die Finanzkennzahlen oder veröffentlichte Prognosen betreffen, sind weiterhin umgehend unter Anwendung des Vorsichtprinzips zu veröffentlichen.

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu  Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tips Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtliche) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüsse. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte


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