Die Durchführung von Corona-Schutzimpfungen mit angestellten Betriebsärzten sollte gut überdacht sein. Denn sie geht mit nicht unerheblichen Haftungsrisiken einher!
Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben seit März 2020 grundlegend verändert: Geschlossene Geschäfte, Restaurants, Schulen, Kindergärten, Kitas, Vereine und Sportplätze, remotes Arbeiten von zu Hause, abgesagte Dienstreisen, Abstandsregeln, Mund-Nasen-Schutz, Hygienekonzepte, Kontaktverbote, Inzidenzwerte, um nur ein paar Beispiele zu nennen, sind plötzlich Themen des Alltags geworden.
Nach nunmehr 14 Monaten wünschen wir uns alle eine Rückkehr in die Normalität. Erreicht werden kann dies nur durch möglichst flächendeckende COVID-19-Schutzimpfungen. Seit Anfang Mai 2021 werden diese in Impfzentren und Arztpraxen durchgeführt. Unternehmen möchten sich hieran gerne beteiligen und die bei ihnen angestellten Betriebsätze einsetzen, um COVID-19-Schutzimpfungen für ihre Beschäftigten und ggf. deren Angehörige anzubieten.
Eine solche Entscheidung sollte aber gut überdacht sein. Denn sie geht mit – nicht unerheblichen – Haftungsrisiken einher, derer sich viele Unternehmen nicht bewusst sind.
Einbeziehung von Betriebsärzten
Seit dem 7. Juni 2021 haben Beschäftigte die Möglichkeit, sich in ihren Betrieben impfen zu lassen. Entsprechende Modellprojekte für Impfungen durch Betriebsärzte – etwa im öffentlichen Dienst oder in Pharmaunternehmen – laufen bereits und finden – so jedenfalls die Darstellung in der Presse – guten Anklang. haben
COVID-19-Impfprogramm sollte gut vorbereitet sein
Vor diesem Hintergrund bereiten sich viele Unternehmen derzeit auf den Start eines eigenen COVID-19-Schutzimpfungsprogramms unter Einbeziehung der angestellten Betriebsärzte vor. In der Presse ist bereits vielfach von der Errichtung von „Impfstraßen“ in den großen Konzernen die Rede. Die Unternehmen befassen sich zudem bereits mit Fragen der Beschaffung und Lagerung der Impfstoffe und der Organisation der Termine.
Auch in die Bewerbung des Programms bei den Beschäftigten – etwa durch Plakate oder Videoclips im Intranet und E-Mails – wird viel Zeit und Energie gesteckt.
Haftungsfragen zur unternehmenseigenen COVID-19-Schutzimpfung dürfen nicht unberücksichtigt bleiben
Die Haftungsfrage hingegen spielt bei der Entscheidung für oder gegen ein solches COVID-19-Schutzimpfungsprogramm nach unserer Beobachtung oft nur einer untergeordnete oder sogar gar keine Rolle. Zu Unrecht! Denn sobald angestellte Betriebsärzte eingesetzt und/oder das COVID-19-Schutzimpfungsprogramm als „unternehmenseigenes“ vermarktet werden, besteht eine ganze Reihe von – nicht unerheblichen – Haftungsrisiken, die jedenfalls in die Überlegungen einbezogen werden sollten.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Höhe eines etwaigen Schadens kaum beziffern lässt. Es gibt wenig Erfahrungen mit den Folgen von Covid-19 Schutzimpfungen. Ob bestehende Haftpflichtversicherungen im Schadensfall eintreten, erscheint fraglich, muss aber jedenfalls – auch mit Blick auf die vereinbarten Haftungshöchstsummen – geklärt werden. Darüber hinaus sind Zwischenfälle in betrieblichen Impfzentren geeignet, für einen Reputationsschaden zu sorgen und damit den gut gemeinten Ansatz schnell ins Gegenteil zu verkehren.
Staatliche Haftung
Für gesundheitliche Schädigungen durch die Impfung wurde mittlerweile in § 60 Abs.1 Nr. 1a IfSG auch für COVID-19-Impfungen, die seit dem 27. Dezember 2020 vorgenommen wurden, die staatliche Haftung festgelegt. Das umfasst aber nicht Schäden, die als Folge von fehlender oder unzureichender Aufklärung oder Unzulänglichkeiten der Räumlichkeiten, mangelnder Hygiene oder nicht ausreichender Kühlung des Impfstoffes oder durch Fehler bei der Verabreichung der Impfung entstehen.
Haftung für Impfschäden infolge fehlerhafter Aufklärung
Zunächst einmal bestehen Haftungsrisiken für potentielle Impfschäden aus dem Behandlungsvertrag (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies insbesondere infolge mangelnder Aufklärung durch den impfenden Betriebsarzt oder durch fehlerhafte, durch das Unternehmen bereitgestellte Aufklärungs- und Anamnese- und Einwilligungsbögen. Handelt es sich bei den Impfenden um angestellte Betriebsärzte, ist das Unternehmen Vertragspartner des Behandlungsvertrages mit der zu impfenden Person. Der angestellte Arzt gilt dann als Erfüllungsgehilfe, für dessen Fehler das Unternehmen haftet.
Gleiches gilt, wenn zwar ein externer, etwa freiberuflich tätiger Arzt, die Impfung durchführt, das Unternehmen aber zur Impfung einlädt, hierfür Werbung macht und für die Terminvergabe verantwortlich ist.
Haftung aus dem Arbeitsverhältnis bei Impfschäden
Bei Eintritt eines Impfschadens kommt zudem gegenüber den Beschäftigten eine Haftung aus dem Arbeitsverhältnis in Betracht (§ 241 Abs. 2 BGB). Denn danach haben Arbeitgeber, die im Arbeitsverhältnis eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schaffen, die Verpflichtung, eine Schädigung der Beschäftigten möglichst zu verhindern. Dies etwa dann, wenn der Arbeitgeber – etwa durch das Angebot einer Schutzimpfung – eine Gefahrenquelle schafft. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des BAG (21.12.2017 – 8 AZR 853/16) jedenfalls in Bezug auf eine Grippeschutzimpfung gegeben, da nicht auszuschließen ist, dass sich die mit der Grippeschutzimpfung verbundenen typischen Risiken, verwirklichen. Dies lässt sich wohl ohne Weiteres auf die Covid-19 Schutzimpfung übertragen.
Deliktische Haftung möglich
Weiter kommt bei einem Einsatz angestellter Betriebsärzte eine Haftung aus §§ 823 Abs. 1 und § 831 BGB für Schäden, die aus einer COVID-19-Schutzimpfung resultieren, in Betracht. Dies jedenfalls dann, wenn das Unternehmen den angestellten Betriebsarzt nicht sorgfältig ausgewählt hat.
Haftungsrisiken für Fehler bei der Lagerung und Bereitstellung der Impfdosen
Auch die Lagerung spielt bei der Haftung eine große Rolle. Denn nur bei Einhaltung der Kühlkette entfaltet der Impfstoff die gewünschte Wirkung. Ist eine Unterbrechung der Kühlkette bekannt, dürfen die betroffenen Chargen daher schon gar nicht verimpft werden. Hat das Unternehmen im Rahmen des eigenen COVID-19-Schutzimpfungsprogramms auch die Lagerung übernommen, obliegt auch allein diesem die Haftung hierfür. Die Kosten für wegen fehlerhafter Lagerung nicht verimpfbaren Impfstoff würde damit allein das Unternehmen tragen.
Zudem muss das Unternehmen Sorge tragen, dass ein solcher, fehlerhaft gelagerter Impfstoff erst gar nicht verimpft wird. Denn andernfalls besteht das Risiko, dass damit geimpfte Personen trotz (wirkungsloser) Impfung an COVID-19 erkranken. Eine Haftung gegenüber den Beschäftigten könnte sich dann aus der Verletzung einer nebenvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) ergeben, wobei das schuldhafte Verhalten der angestellten Betriebsärzte gemäß § 278 BGB zuzurechnen wäre. Werden auch Dritte (z.B. Angehörigen der Beschäftigten) mit in das COVID-19-Schutzimpfungsprogramm aufgenommen, könnte sich eine entsprechende Haftung aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (§ 823 BGB) ergeben.
Haftungsrisiken mit Blick auf die Räumlichkeiten/die Infrastruktur
Soweit die Impfung in den Räumlichkeiten des Unternehmens erfolgen soll und angestellte Betriebsärzte oder andere Beschäftigte in die Wahl der Räumlichkeiten mit einbezogen werden, kann eine Haftung auch für sich daraus ergebende Verletzungen – z. B. nicht ausreichende Belüftung – nicht ausgeschlossen werden. Etwa dann, wenn es durch nicht ausreichende Belüftung der Räumlichkeiten oder die nicht ausreichend weiträumige Gestaltung der Wartebereiche (Warteschlangen) zu COVID-19-Infektionen kommt.
Reduzierung des Haftungsrisikos durch Verlagerung auf Externe
Auf der sicheren Seite sind Unternehmen nur, wenn sie sich an folgende, aus einer Entscheidung des BAG zu einer betrieblichen Grippeschutzimpfung (21.12.2017 – 8 AZR 853/16) hergeleitete Vorgaben halten:
- Organisation und Durchführung der COVID-19-Schutzimpfungen alleine durch externe Impfdienstleister;
- So weit wie möglich keine Einbindung der angestellten Betriebsärzte in das Impfkonzept;
- Kommunikation und Bewerbung des Impfangebots nur verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich um ein Angebot eines externen Dienstleisters handelt und der Behandlungsvertrag nicht mit dem Unternehmen zustande kommt;
- Einladung zur Impfung nur durch den externen Dienstleister;
- Bereitstellung der Aufklärungs- und Anamnese- und Einwilligungsbögen nur durch den externen Dienstleister;
- Lagerung des Impfstoffs nur durch den externen Dienstleister;
- Keine Organisation der Termine durch das Unternehmen und keine Verwendung eigener Software hierfür;
- Ordnungsgemäße Auswahl des externen Dienstleisters unter Berücksichtigung von Faktoren wie fachlicher Kompetenz zum Impfen sowie der Berechtigung zur Durchführung von COVID-19-Schutzimpfungen;
- Auswahl der Räumlichkeiten und Einrichtung des Impfzentrums ausschließlich durch den externen Dienstleister.
Eigenes Covid-19-Impfprogramm ist gut – Haftungsfragen klären noch besser
Die Einbeziehung von Unternehmen in das Covid-19-Schutzimpfungsprogramm ist gut und wichtig. Indes sollten diese keine vorschnellen Entscheidungentreffen, sondern sind gut beraten, die dargestellten Haftungsrisiken zu berücksichtigen.
In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tipps für Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtlichen) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüssen. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte. Zuletzt haben wir auf die Haftung bei betrieblichen Corona-Schutzimpfungsprogrammen hingewiesen.