7. April 2020
Corona Insolvenz Lieferant
Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen Commercial Corporate / M&A

Handelsunternehmen in der (Corona)-Krise

Das Coronavirus als Insolvenzverursacher - was Lieferanten jetzt beachten sollten!

Schon seit einigen Wochen ist zu beobachten, dass das Coronavirus große, nach ihrem Ausmaß längst noch nicht absehbare wirtschaftliche Auswirkungen hat und existenzielle Krisen für Unternehmen verursacht. Der Gesetzgeber hat auch bereits insolvenzrechtliche Neuerungen Ende März 2020 mit dem „Covid19-Insolvenzaussetzungsgesetz″ (COVInsAG) eingeführt

Jetzt hat es mit Galeria Karstadt Kaufhof das erste große Handelsunternehmen getroffen – wohl nicht nur, aber maßgeblich auch wegen der Corona-Pandemie hat Galeria Karstadt Kaufhof am 1. April 2020 ein sog. Schutzschirmverfahren eingeleitet. Unter einen Schutzschirmverfahren versteht man ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und mit dem Ziel, das betroffene Unternehmen durch einen Insolvenzplan zu sanieren.

Lieferanten können sich in der Krise durch die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts relativ effektiv absichern. Ist das Kind aber schon in den Brunnen gefallen, d.h. hat der Vertragspartner einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, sind weitere Schritte ratsam.

Bei (drohender) Insolvenz des Vertragspartners Lieferungen zurückhalten und „Unsicherheitseinrede″ geltend machen

Nach § 321 BGB hat eine Vertragspartei, die nach dem Vertragsinhalt vorleistungspflichtig ist, ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn nach Abschluss des Vertrags erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird.

Diese Voraussetzung wird regelmäßig vorliegen, wenn der Vertragspartner einen Insolvenzantrag gestellt hat und Lieferungen nicht abgesichert wären.

Lieferanten sollten kurzfristig Kontakt mit dem Vertragspartner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter oder Sachwalter aufnehmen, um die Bedingungen für weitere Lieferungen zu besprechen.

Geltendmachung der Rechte aus Eigentumsvorbehalt

Für bereits erfolgte Lieferungen sollten Lieferanten ihre Rechte aus einem Eigentumsvorbehalt geltend machen, d.h. Aussonderung (Herausgabe) der noch beim Vertragspartner lagernden Waren verlangen.

Zusätzlich sollte immer eine – vielfach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen „versteckte″ – Befugnis zur Weiterveräußerung und/oder Weiterverarbeitung als Teil eines verlängerten Eigentumsvorbehalts widerrufen werden. Denn gerade bei Handelsunternehmen, die ihre Waren an Endkunden verkaufen, welche diese unmittelbar an der Kasse bezahlen, geht der verlängerte Eigentumsvorbehalt (genauer: die mit diesem zusammenhängende Abtretung der Kaufpreisforderung gegen die Kunden des Vertragspartners) oftmals ins Leere, da diese Forderungen unmittelbar an der Kasse erfüllt werden.

Spätestens jetzt: Lieferung nur noch unter Eigentumsvorbehalt

Unabhängig von der vertraglichen Situation sollten Lieferanten den im vorläufigen Insolvenzverfahren befindlichen Vertragspartner bzw. dessen (vorläufigen) Insolvenzverwalter unverzüglich kontaktieren und mit ihm vereinbaren, dass zukünftige Lieferungen nur noch gegen kurzfristige Bezahlung (idealerweise: Vorkasse) und – sofern nicht bereits geschehen – spätestens jetzt unter einfachem und verlängertem Eigentumsvorbehalt erfolgen, falls dem Abnehmer denn doch ein Zahlungsziel eingeräumt werden muss.

Risikobegrenzung durch Vereinbarung kurzer Zahlungsziele

Der sprichwörtliche Teufel steckt hier wie üblich im juristischen Detail:

In den meisten Fällen wird der Vertragspartner nicht in der Lage sein, für zukünftige Lieferungen adäquate Sicherheiten zu stellen. Vorläufige Insolvenzverwalter sind regelmäßig auch nicht bereit, zugunsten des Lieferanten Masseverbindlichkeiten zu begründen, die im eröffneten Insolvenzverfahren dann vorrangig zu befriedigen wären. Auch Vorkasse wird in vielen Fällen bereits praktisch nicht möglich sein.

In diesen Fällen ist aber die Vereinbarung eines kurzen Zahlungsziels von höchstens 14 Tagen eine effektive Maßnahme, das Risiko zu begrenzen. Erfolgen Leistung (Lieferung) und Gegenleistung (Zahlung) innerhalb eines kurzen Zeitraums, stellt das Geschäft insolvenzrechtlich meist ein sog. Bargeschäft dar, was zur Folge hat, dass eine Zahlung des Insolvenzschuldners später im eröffneten Verfahren in der Regel nicht mehr angefochten werden kann. Erfolgen Zahlungen nicht in dem vereinbarten kurzen Zeitraum, können weitere Lieferungen zurückbehalten werden.

Vorsicht beim erweiterten Eigentumsvorbehalt

Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig verwendeten Eigentumsvorbehaltsklauseln beinhalten vielfach auch den sog. erweiterten Eigentumsvorbehalt, bei dem das Eigentum an der gelieferten Ware erst dann auf den Käufer übergeht, wenn sämtliche Forderungen aus der Geschäftsbeziehung beglichen sind.

Ist ein solcher erweiterter Eigentumsvorbehalt vereinbart, kann ein Bargeschäft nach der Rechtsprechung ausscheiden, da zu der vom Lieferanten im Gegenzug zur Kaufpreiszahlung zu erbringenden Leistung die unbedingte Übereignung gehört und diese gerade nicht in dem notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang zur Kaufpreiszahlung erbracht wird (BGH, Urteil v. 20. Februar 2015 – IX ZR 180/12). Hier wird man im Einzelfall überlegen müssen, ob es für den Lieferanten nicht in seinem eigenen Interesse sinnvoll sein kann, im Rahmen der weiteren Belieferung des Kunden in dessen vorläufiger Insolvenz jedenfalls auf den erweiterten Eigentumsvorbehalt zu verzichten.

Wichtigster Tipp bei Insolvenz des Vertragspartners: Schnell handeln und Rechte aus Eigentumsvorbehalt geltend machen

Zu welchen Konditionen es einem Lieferanten gelingt, eine Abgeltung seiner Rechte aus Eigentumsvorbehalt für die im Zeitpunkt der Antragstellung noch offenen Forderungen zu erreichen, wird stark davon abhängen, wie sehr der Abnehmer bzw. der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Weiterbelieferung mit neuer Ware angewiesen ist.

Lieferanten sollten immer versuchen, ihre Rechte aus Eigentumsvorbehalt möglichst schnell beim Abnehmer und dessen vorläufigem Insolvenzverwalter geltend zu machen, nachdem sie von der Stellung des Insolvenzantrages erfahren haben. Je nach dem, wie dringend das insolvente Unternehmen auf die Wiedereinräumung der Erlaubnis zum Weiterverkauf oder die Belieferung mit weiterer Ware angewiesen ist, wird sich dann hoffentlich kurzfristig ein Gespräch mit dem Vertragspartner und dessen Insolvenzverwalter ergeben. Lieferanten sollten immer darauf drängen, dass eine dann getroffene Vereinbarung auch vom Insolvenzverwalter in der einen oder anderen Form bestätigt („abgesegnet″) wird.

Nicht selten werden Lieferanten kurz nach der Antragstellung vom vorläufigen Insolvenzverwalter gebeten, einen Aufrechnungsverzicht zu erklären. Hiervon ist grundsätzlich abzuraten, wenn nicht gleichzeitig eine für den Lieferanten zufriedenstellende Lösung über die Abgeltung von Sicherheitenrechten (also die Begleichung von Altforderungen) und die Modalitäten einer Weiterbelieferung gefunden ist.

Hat ein Lieferant – etwa weil er Gattungsware und keine Markenartikel geliefert hat und es mehrere Lieferanten derselben Gattungsware gibt – keine Chance, seine Rechte aus verlängertem Eigentumsvorbehalt mit vertretbarem Aufwand selbst zu realisieren, so kann der Beitritt zu einem Lieferantenpool sinnvoll sein – sofern sich im konkreten Fall mehrere Gläubiger mit Rechten aus verlängertem Eigentumsvorbehalt zu einem solchen Lieferantenpool zusammenfinden.

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu  Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tips Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtliche) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüsse. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte


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