Sachspenden an Krankenhäuser als Zeichen von Dankbarkeit für den unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiter sind in Corona-Zeiten keine Seltenheit – Ein Blick durch die Compliance-Brille.
Es steht außer Frage, dass sich das Gesundheitswesen und insbesondere die Krankenhäuser mit ihren Mitarbeitern durch die zunehmende Verbreitung des Corona-Virus in Deutschland einer extremen Belastung ausgesetzt und mit einer zuvor nie dagewesenen Herausforderung konfrontiert sehen. Krisenzeiten bringen jedoch nicht immer nur Schlechtes mit sich. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und aufrichtige Solidarität sind in den letzten Tagen und Wochen, in denen die Corona-Pandemie für uns allgegenwärtig geworden ist, immer stärker zu spüren. So treten auch vermehrt die unterschiedlichsten Unternehmen und Händler an Krankenhäuser heran, um in den durch das Corona-Virus und seine schwerwiegenden Auswirkungen geprägten Zeiten mit Sachspenden, wie Handcremes, Getränke, belegte Brote, Gebäck sowie Blumen zu unterstützen.
Compliance auch in Corona-Zeiten
Sachspenden werden immer wieder als problematisch angesehen, da grundsätzlich die Möglichkeit besteht, mit dem Vorteil (d.h. der Sachspende) auf künftige Entscheidungen – wie Bestellungen von Gütern – des Krankenhauses oder seiner Mitarbeiter Einfluss zu nehmen oder vergangene, nicht vollständig korrekte Entscheidungen zu honorieren.
Gerade in dieser Zeit des Notstands, in der der Umgang mit Kapazitätsengpässen, die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Gerätschaften sowie das Krisenmanagement neben dem „Alltagsgeschäft″ die Krankenhäuser sowie die Mitarbeiter mehr als nur auslasten und viel Zeit und Kraft erfordern, stellt sich jedoch die Frage, ob die Einhaltung von compliance-rechtlichen Regelungen im Fall von Sachspenden wirklich erforderlich ist, oder ob hier nicht mal „ein Auge zugedrückt werden kann″. Auch wenn davon auszugehen ist, dass typischerweise keine Anhaltspunkte für eine rechtsfeindliche Gesinnung der Beteiligten vorliegen werden, bedarf es aus korruptionsrechtlicher Sicht und mit Blick auf die Vermeidung von Interessenkonflikten der Einhaltung bestimmter, von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien, um sich nicht dem Vorwurf einer unrechtmäßigen Vorteilsannahme auszusetzen. Hierbei ist eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 – 1 StR 260/08; OLG Düsseldorf, Anerkenntnisurteil vom 29. April 2015 – III-1 Ws 429/14):
„Zur Abgrenzung strafbarer von straflosen Verhaltensweisen ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, die insbesondere den Gesamtzusammenhang, in dem die Zuwendung erfolgt ist, sowie die gesamte Interessenlage der Beteiligten zu erfassen hat. Als mögliche Indizien für oder gegen das Ziel, mit dem Vorteil auf künftige Diensthandlungen Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren, fließen neben der Plausibilität einer anderen – behaupteten oder sonst in Betracht kommenden – Zielsetzung in die wertende Beurteilung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben, die Vorgehensweise bei dem Angebot, dem Versprechen oder dem Gewähren von Vorteilen sowie die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile. So können etwa dienstliche Berührungspunkte zwischen Vorteilsgeber und Amtsträger ebenso in Ausschlag gebender Weise für eine Unrechtsvereinbarung sprechen wie die Heimlichkeit des Vorgehens.″
Haben Sachspenden in Corona-Zeiten eine plausible und legitime Zielsetzung?
Sachspenden sind in diesem Fall offensichtlich allein dadurch motiviert, das Krankenhaus und seine Mitarbeiter in Krisenzeiten zu unterstützen und einen Beitrag der Solidarität zu leisten. Seit Wochen beherrscht die Corona-Krise unsere Medien, unsere Politik und unsere Wirtschaft. Der Notstand in Krankenhäusern sowie die enorme Belastung der Mitarbeiter ist allgegenwärtig. Sachspenden sind in dieser Zeit zweifelsfrei als Ausdruck der Dankbarkeit, Wertschätzung und Anerkennung für den unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiter des Krankenhauses in dieser Ausnahmesituation zu verstehen und typischerweise nicht auf einen persönlichen Vorteil des spendenden Unternehmens ausgerichtet. Da die Sachspenden vor allem auch der Steigerung des Wohlbefindens der Mitarbeiter des Krankenhauses dienen, tragen diese natürlich auch dazu bei, dass die neu gewonnene Kraft und Motivation der Mitarbeiter positive Auswirkungen auf die Behandlung der Patienten haben. Durch die Sachspenden wird Verantwortung gegenüber der Gesellschaft übernommen, die als Zeichen einer funktionierenden Corporate Social Responsibility zu verstehen ist. Solche Gesten haben eine plausible und legitime Zielsetzung und sind gerade in einer solch außergewöhnlichen Zeit für die Aufrechterhaltung des Gemeinschaftsgefühls von großer Bedeutung.
Spricht die Stellung des Krankenhauses gegen die Annahme von Sachspenden?
Die Umstände im hier zur Rede stehenden Einzelfall einer Corona-Pandemie geben keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Unternehmen durch Sachspenden auf das operative Geschäft des Krankenhauses unmittelbaren Einfluss nehmen wollen. Nachdem die Zuwendung von Sachspenden als Reaktion auf die absolute Ausnahmesituation zu verstehen ist und der Unterstützung der Mitarbeiter dient, schaffen die spendenden Unternehmen keine „Atmosphäre der Geneigtheit″, um für sich selbst persönliche Vorteile zu generieren. Das Krankenhaus bleibt autark und ist weiterhin für seine Geschäftstätigkeiten alleinverantwortlich. Insbesondere bei Sachspenden, die an das Krankenhaus selbst und nicht an bestimmte Mitarbeiter geleistet werden, spricht der große und anonyme Zuwendungsempfängerkreis gegen eine spezifische Nähebeziehung zwischen dienstlichen Aufgaben und dem Anlass der Vorteilszuwendung.
Spricht etwas gegen die Vorgehensweise des Anbietens von Sachspenden in der Corona-Krise?
Hintergrund der Sachspenden ist die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus und der daraus entstandene Notstand in Krankenhäusern. Das Angebot ist insofern anlassbezogen und nur von vorübergehender Dauer, d.h. zeitlich begrenzt. Der Zeitpunkt der Zuwendung von Sachspenden ist deshalb objektiv nachvollziehbar und der ungewöhnlichen Belastung der Mitarbeiter von Krankenhäusern geschuldet. Dieser Umstand spricht somit typischerweise gegen eine unlautere Motivation der Unternehmen.
Sind Art, Wert und Anzahl der Sachspenden angemessen?
Bei den Sachspenden handelt es sich insbesondere um Verbrauchsgüter, die dem gesteigerten Wohlbefinden der Mitarbeiter des Krankenhauses dienen (z.B. belegte Brötchen, Blumen). Insofern erleichtern und verbessern diese Gegenstände die enorm belastende Tätigkeit der Krankenhausmitarbeiter und dienen nicht ihrem persönlichen Vergnügen. Auch werden sich Wert und Anzahl der geleisteten Sachspenden angesichts der Vielzahl von Mitarbeitern eines Krankenhauses im gewöhnlichen Rahmen halten und sind nicht als außergewöhnliche Vorteile anzusehen. Insbesondere unter Berücksichtigung des Ausdrucks der Dankbarkeit für den Einsatz der Krankenhausmitarbeiter zu Gunsten unserer Gesellschaft, sind diese Sachspenden als angemessen anzusehen, selbst wenn die festgelegten Geringfügigkeitsgrenzen überschritten werden.
Welche Gesichtspunkte sprechen gegen ein heimliches Vorgehen bei Sachspenden?
Korruptionsdelikte haben typischerweise ein gewisses Maß an Heimlichkeit zu eigen, so dass die Offenlegung der Spendenbeziehung direkt zu Beginn ein maßgebliches Indiz gegen das Vorliegen einer unlauteren Motivation darstellt. Wichtig ist insofern die Herstellung von Transparenz.
Mit Blick auf den Adressaten ist ein wesentlicher Beitrag zu Transparenz jedenfalls dann geleistet, wenn sich die Sachspende nicht an eine konkrete Einzelperson, wie beispielsweise einen bestimmten Arzt richtet, sondern generell an das Krankenhaus adressiert ist. Unternehmen, die sich direkt an das Krankenhaus selbst wenden, um dieses in der durch das Corona-Virus und seine schwerwiegenden Auswirkungen geprägten Zeiten mit Sachspenden zu unterstützen, unterstreichen ihre am Gemeinwohl ausgerichtete Intention. Die Sachspenden dienen hier typischerweise keinem persönlichen Vorteil des Unternehmens selbst und bedürfen daher auch keiner Verheimlichung. Die Tatsache, dass das Unternehmen den konkreten Empfänger nicht individualisiert und damit auch keine Kenntnis darüber hat, wem innerhalb des Krankenhauses die Spende tatsächlich zugutekommt, zeigt deutlich, dass die Spende hier nicht mit einer konkreten Einzelfallentscheidung und insbesondere einer Beschaffungsentscheidung des Krankenhauses im Zusammenhang steht. Letztlich wird durch die hiermit erreichte Anonymität ausgeschlossen, dass die Sachspende einem bestimmten Entscheidungsträger als Sondervorteil mit dem Ziel einer unlauteren Beeinflussung zugewendet wird.
Eine direkt an einen bestimmten Mitarbeiter gerichtete Sachspende spricht zwar nicht per se für eine Verheimlichung. Sofern die Spende jedoch an eine Einzelperson gerichtet ist, sollte zum einen der namentlich benannte Empfänger dazu angehalten werden, die Spende gegenüber der Verwaltung bzw. dem Dienstherrn anzuzeigen und dieser zur weiteren Disposition zu übergeben. Zum anderen sollte auch das spendende Unternehmen mit der Bitte kontaktiert werden, mögliche weitere Spenden in Zukunft allgemein an das Krankenhaus selbst zu richten.
Sprechen dienstliche Berührungspunkte gegen die Annahme von Sachspenden?
Es sollte von Vornherein ausgeschlossen werden, dass Sachspenden mit einem Umsatzgeschäft in Zusammenhang stehen oder jedenfalls ein entsprechender Anschein entstehen könnte (Trennungsprinzip). Zentrales Kriterium hierfür ist, ob zwischen dem Krankenhaus und dem spendenden Unternehmen neben der Sachspende eine weitere Leistungsbeziehung besteht.
Bestehen zwischen dem Krankenhaus und dem Unternehmen keine weiteren geschäftlichen Kontakte, so ist die Sachspende aus korruptionsrechtlicher Sicht und mit Blick auf die Vermeidung von Interessenkonflikten grundsätzlich als unbedenklich einzustufen. Entscheidend hierfür ist jedoch nicht nur der derzeitige Status Quo, sondern auch mögliche künftige oder geplante Geschäfte. Es ist daher insbesondere auch darauf zu achten, dass mit der Annahme der Sachspende keine weiteren (zukünftigen) Verpflichtungen für das Krankenhaus einhergehen, wie beispielsweise die Übernahme einer Abnahmeverpflichtung für weitere Produkte des Unternehmens (z.B. Kauf von Zubehör). Ist dies nicht der Fall und auch keine solche Beziehung geplant, so lässt sich schon theoretisch kein Risiko einer unzulässigen Einflussnahme erkennen.
Besteht zwischen dem Krankenhaus und dem Unternehmen bereits eine Leistungsbeziehung, so stellt eine Sachspende nicht per se einen Verstoß gegen das Trennungsprinzip dar bzw. ist als unzulässig einzustufen. Entscheidend ist, dass die Zuwendung keine unzulässige Einflussnahme bezweckt, sondern von einer sachlich gerechtfertigten, auch für unbeteiligte Dritte nachvollziehbaren Motivation getragen wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die konkrete Sachspende in direktem Zusammenhang mit der Bewältigung der derzeitigen Krisensituation steht.
Wurden alle Vorgänge dokumentiert?
Es sollte auch für eine angemessene Dokumentation gesorgt werden. So sollten die wesentlichen Informationen zur Sachspende intern kurz festgehalten werden. Dies betrifft neben dem zuwendenden Unternehmen insbesondere Gegenstand, Wert, Anlass und Zeitpunkt der Zuwendung. Darüber hinaus sollte der Erhalt der Spende im Nachgang gegenüber dem Unternehmen auch (extern) bestätigt werden; dies kann beispielsweise in Form eines kurzen Dankesschreibens erfolgen.
Unser Tipp: Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle in der Verwaltung
Festzuhalten ist, dass aus korruptionsrechtlicher Sicht und mit Blick auf die Vermeidung von Interessenkonflikten gegen Sachspenden, die in der aktuellen Krisenzeit an Krankenhäuser gewährt werden, grundsätzlich keine Bedenken bestehen.
Um die Einhaltung der vorgenannten Punkte jedoch zu gewährleisten, empfehlen wir die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle in der Verwaltung für eingehende Sachspenden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Verwaltung bei allen Spendenvorgängen einbezogen und damit die notwendige Transparenz hergestellt wird. Diese Anlaufstelle sollte neben der Entgegennahme der Spenden auch für die weitere interne Verteilung der einzelnen Zuwendungen an die verschiedenen Abteilungen und Mitarbeiter zuständig sein. Die Verteilung der Spenden durch eine zentrale Anlaufstelle gewährleistet, dass die Gewährung von Sondervorteilen an bestimmte Einzelpersonen schon im Vorfeld ausgeschlossen wird. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, wenn sich diese Stelle um die Sicherstellung einer angemessenen – internen und externen – Dokumentation kümmert.
In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tipps für Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtlichen) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüssen. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte. Zuletzt haben wir auf die Haftung bei betrieblichen Corona-Schutzimpfungsprogrammen hingewiesen.
Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center auf unserer Website. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und zu den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie unser CMS Response Team jederzeit gerne an.