27. März 2020
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Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen Private Clients

Stiftungen und Vereine in der Corona-Krise – Erleichterungen für Arbeitsweise ohne physische Präsenz – Update #1

Die Corona-Krise ist für viele ganz alltägliche Prozesse zum Problem geworden, auch in Stiftungen und Vereinen. Abhilfe kündigt sich an.

Die Corona-Krise betrifft auch die Handlungsfähigkeit von Stiftungen und Vereinen. Das I. Quartal nähert sich dem Ende, Organbestellungen laufen aus und turnusmäßige Sitzungen stehen an. Zusätzlich entsteht weiterer Abstimmungsbedarf durch die aktuelle Situation. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten zur Versammlung stark beschränkt. Präsenzveranstaltungen sind weitgehend unmöglich geworden.

+++ Update +++ 27. März 2020 +++ Update +++

Der Gesetzgeber hat ad hoc Abhilfe geschaffen. Die Bundesregierung hat am 23. März 2020 einen Entwurf vorgelegt, den Bundestag und Bundesrat im Eilverfahren angenommen haben.

Problemstellung im geltenden Recht

Ist eine physische Zusammenkunft des Vorstandes eines Vereins oder einer Stiftung, der Mitgliederversammlung des Vereins oder eines fakultativen Stiftungsorgans nicht möglich, können Beschlüsse im schriftlichen Verfahren nur gefasst werden, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären (§ 32 Abs. 2 BGB). Abweichende Regelungen in der Satzung sind möglich, insbesondere sind Mehrheitsklauseln zulässig. Diese Situation besteht für die Mitgliederversammlung des Vereins, den Vereinsvorstand (über § 28 BGB), den Stiftungsvorstand (§§ 86 Satz 1, 28 BGB) und etwaige weitere Organe (Kuratorium, Stiftungsrat, Beirat etc.).

Die Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren ist keine Versammlung. Sie kann die Zusammenkunft der Organmitglieder, ihren Diskurs und die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten nicht ersetzen. Es bleibt also die Frage: Wie treten die Organmitglieder zusammen, wenn sie einander nicht physisch begegnen dürfen?

Sieht die Satzung des Vereins oder der Stiftung die Möglichkeit vor, eine Versammlung eines Organs ohne physische Präsenz durchzuführen, etwa im Wege einer Video- oder Telefonkonferenz über Skype, Zoom oder Facetime (Stichwort „virtuelle Mitgliederversammlung″), wird dies als zulässig erachtet. Etwaige Beschlussfassungen können dann unmittelbar in der (virtuellen) Versammlung erfolgen. Die Einhaltung der besonderen Anforderungen des Umlaufverfahrens ist nicht erforderlich (es sei denn die Satzung selbst sieht dies vor).

Ohne entsprechende Satzungsregelung ist die Rechtslage derzeit nicht eindeutig. Nach überwiegender Ansicht soll eine virtuelle Versammlung jedenfalls mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder des betreffenden Organs zulässig sein. Kann die Zustimmung zur virtuellen Versammlung hingegen nicht von allen Mitgliedern des Organs erlangt werden, bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten, ob die in der virtuellen Versammlung gefassten Beschlüsse wirksam sind.

Insbesondere die derzeit anstehenden turnusmäßigen Versammlungen der Organe stellen viele Vereine und Stiftungen vor besondere Herausforderungen, wenn es, wie häufig, an einer Satzungsbestimmung zur virtuellen Versammlung fehlt und auch nicht von allen Mitgliedern die unmittelbare Zustimmung zur virtuellen Versammlung zu erlangen ist. Etwaige Beschlüsse können, sofern eine liberalere Satzungsreglung fehlt, im Umlaufverfahren nur dann gefasst werden, wenn sämtliche Mitglieder der Verfahrensweise zuvor zustimmen. Angesichts der derzeitigen Einschränkungen im unmittelbaren Kontakt, können daraus erhebliche Schwierigkeiten für die Handlungs- und Funktionsfähigkeit eines Vereins oder einer Stiftung resultieren.

Ein weiteres Problem zeigt sich beim Auslaufen von Amtsperioden von Organmitgliedern, wenn die Nachbesetzung nicht oder nicht rechtzeitig erfolgen kann. Sieht die Satzung des Vereins oder der Stiftung nicht ausdrücklich vor, dass ein Organmitglieder noch bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt bleibt, scheidet das Organmitglied mit Ablauf seiner Amtszeit automatisch aus. Hierdurch können der Verein, die Stiftung und/oder das betroffene Organ handlungsunfähig werden, weil eine wirksame Vertretung im Rechtsverkehr nicht mehr möglich ist oder ein Organ beschlussunfähig wird.

Diese Unsicherheiten will der Gesetzgeber jetzt einstweilen beheben.

Abhilfe durch COVID-19-Gesetz: Virtuelle Versammlungen und Sitzungen möglich

Am 23. März 2020 hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket beschlossen, das unter anderem einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht als Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen vorsieht. Bundestag und Bundesrat haben das Gesetz inzwischen verabschiedet.

§ 5 des Gesetzes trifft folgende Änderungen im Vereins- und Stiftungsrecht:

  1. Vorstandsmitglieder eines Vereins oder einer Stiftung bleiben auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zu ihrer Abberufung oder bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt.
  1. Auch ohne Ermächtigungen in der Satzung oder Geschäftsordnung können Versammlungen und Sitzungen ohne physische Präsenz ermöglicht werden.
  1. Ferner sieht das Gesetz vor, dass das Umlaufverfahren zur Beschlussfassung erleichtert wird. Bislang mussten alle Organmitglieder der Beschlussfassung im Umlaufverfahren zustimmen. Jetzt reicht es, dass
  • alle Mitglieder an der Beschlussfassung im Umlaufverfahren beteiligt werden,
  • mindestens die Hälfte der Mitglieder bis zum Ende der gesetzten Entscheidungsfrist in Textform (dazu gehören auch E-Mail, WhatsApp, SMS und andere Nachrichtendienste) an der Abstimmung teilnehmen und
  • der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wird.

Im Gesetz wird nur die Regelung zur Mitgliederversammlung des Vereins geändert (§ 32 BGB). Über die Verweisungen in den §§ 28 und 86 Satz 1 BGB gelten die Regelungen auch für Beschlussfassungen in mehrgliedrigen Vorständen von Vereinen und Stiftungen (sowie mittelbar deren weiteren Gremien).

Die Erleichterungen treten am Tag nach der offiziellen Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Sie gelten nur für die im Jahr 2020 ablaufenden Bestellungen in Vereins- und Stiftungsvorständen und nur für die im Jahr 2020 stattfindenden Versammlungen und Sitzungen. Danach gilt wieder die alte Rechtslage.

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tipps für Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtlichen) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und KleinstunternehmernUnterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüssen. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte. Zuletzt haben wir auf die Haftung bei betrieblichen Corona-Schutzimpfungsprogrammen hingewiesen.


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