12. Januar 2021
FüPoG II Frauenquote
Corporate Governance & Risk Compliance (ESG) Corporate / M&A

Gesetzentwurf FüPoG II – Frauenquote im Vorstand

Mindestbeteiligung von Frauen (und Männern) bei mehr als drei Vorstandsmitgliedern in großen Gesellschaften.

Das Bundeskabinett hat am 6. Januar 2021 den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhaben von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionengesetz – FüPoG II) beschlossen.

Das FüPoG II soll das erste Führungspositionengesetz aus dem Jahr 2015 (FüPoG) weiterentwickeln und in seiner Wirksamkeit verbessern. Ziel von FüPoG und FüPoG II ist es, den Anteil von Frauen in Führungspositionen im privaten wie im öffentlichen Sektor zu erhöhen, um so die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in diesen Bereichen zu fördern.

Mindestbeteiligungsgebot für AG- und SE-Vorstand eingeführt

Der Entwurf des FüPoG II sieht erstmals eine Mindestbeteiligung von Frauen (und Männern) in Vorstandsgremien börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Unternehmen vor (Mindestbeteiligungsgebot). Die schon im Jahr 2015 eingeführte Quotenregelung für Aufsichtsräte solcher Unternehmen (fixe Quote) bleibt bestehen. Hiergegen verstoßende Bestellungen sind nichtig. 

Soweit Gesellschaften schon nach bisheriger Gesetzeslage angehalten waren, sich bestimmte Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und obersten Führungsebenen zu geben (flexible Quote), werden sie nun einer besonderen Begründungspflicht unterworfen, wenn diese Zielvorgaben die Zielgröße Null vorsehen. Damit ist das aus dem Bereich des Corporate Governance Kodex bekannte Prinzip „comply or explain“ auch für diesen Bereich etabliert, um den faktischen Druck auf die Unternehmen zu erhöhen.

Bereits am 19. Februar 2020 war ein interner Entwurf des FüPoG II bekannt geworden, über den vielfach berichtet wurde. Dieser wurde in der nun beschlossenen Fassung teilweise entschärft. Insbesondere wurde die ursprünglich vorgesehene Ausweitung der fixen Quote auf Aufsichtsräte nicht-börsennotierter Unternehmen aufgegeben. 

Mit Einführung des FüPoG II ergibt sich folgende Regelungslandschaft:


(i) AG oder SE,
(ii) börsennotiert und
(iii) paritätisch mitbestimmt


Vorstand (bei mehr als drei Mitgliedern): Mindestens eine Frau und ein Mann (Mindestbeteiligungsgebot)

Aufsichtsrat: Mindestens je 30% Frauen und Männer (fixe Quote)


(i) AG, SE oder GmbH,
(ii) börsennotiert oder mitbestimmt


Selbstgewählte Zielgrößen für Aufsichtsrat, Vorstand und oberste beide Führungsebenen (flexible Quote), bei Zielgröße Null Begründungspflicht.

Von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen soll Signalwirkung ausgehen

Seit Erlass des FüPoG galt auf Vorstandsebene die Pflicht zur Veröffentlichung selbstgewählter Zielgrößen. Für bestimmte Unternehmen, die nach Vorstellung der beteiligten Ministerien aufgrund ihrer Größe und Börsennotierung eine Vorbildfunktion einnehmen, wird diese flexible Quote nun zu einem Mindestbeteiligungsgebot ausgebaut. 

Gemäß § 76 Abs. 3a AktG-E muss demnach der AG-Vorstand künftig aus mindestens einer Frau und einem Mann bestehen, wenn die Gesellschaft 

  • börsennotiert und
  • paritätisch mitbestimmt ist, sowie
  • ihr Vorstand mehr als drei Mitglieder hat.

Hiergegen verstoßende Bestellungen sind nichtig. Bestehende Mandate können bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden, das heißt die Mindestbeteiligung von Frauen und Männern gilt zukünftig spätestens ab einer Neubesetzung. Über die Einhaltung des Mindestbeteiligungsgebots ist im Lagebericht der Gesellschaft nach § 289f Abs. 2 Nr. 5a HGB-E zu berichten.

Für die dualistische SE wird das Beteiligungsgebot des § 76 Abs. 3a AktG-E in § 16 Abs. 2 SEAG-E entsprechend abgebildet. Es gilt für das mehr als dreiköpfige Leitungsorgan einer börsennotierten SE, wenn diese faktisch paritätisch mitbestimmt ist, weil das Aufsichtsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht. Für den Verwaltungsrat der monistischen SE enthält § 40 Abs. 1a SEAG-E eine entsprechende Regelung.

Nach Angaben der beteiligten Ministerien werden ca. 70 Unternehmen von dem Mindestbeteiligungsgebot betroffen sein. Von diesen haben aktuell ca. 30 Unternehmen keine Frau im Vorstand. Die Ministerien erhoffen sich durch das Mindestbeteiligungsgebot eine Signalwirkung auch für die übrigen Unternehmen, die nur der flexiblen Quote unterfallen. Damit ist die Erwartung verbunden, dass die vom Mindestbeteiligungsgebot betroffenen Unternehmen die Frauenförderung auf allen Leitungsebenen intensivieren, um so einen nachhaltigen Pool an potenziellen weiblichen Führungskräften zu etablieren.

Fixe Quote für Aufsichtsrat weitgehend unverändert

Schon seit dem FüPoG von 2015 besteht eine Mindestquote von 30% Frauen und Männern für den Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften (fixe Quote), wenn sie sowohl börsennotiert sind als auch der paritätischen Mitbestimmung unterliegen (§ 96 Abs. 2 S. 1 AktG, § 17 Abs. 2 SEAG).

Der im Februar zirkulierte inoffizielle Entwurf des FüPoG II sah eine Ausweitung dieser fixen Quote auf die nicht-börsennotierte AG und SE vor, sowie ihre Erstreckung auf die GmbH. Dieser Vorschlag fand keine Aufnahme in den nun beschlossenen Entwurf. Die fixe Quote soll nach wie vor nur für sowohl mitbestimmte als auch börsennotierte AGs und SEs gelten. Die Quote wird nun allerdings flankiert von einer Berichtspflicht nach § 289f Abs. 2 Nr. 5 HGB-E.

Flexible Quoten durch Begründungspflicht ergänzt

Das FüPoG von 2015 unterwarf Kapitalgesellschaften, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, einer flexiblen Quote: Diese Unternehmen müssen sich seither Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat und Geschäftsführung (§ 111 Abs. 5 AktG und § 52 Abs. 2 GmbHG, zuständig ist der Aufsichtsrat) sowie in den beiden obersten Führungsebenen darunter (§ 76 Abs. 4 AktG und § 36 GmbHG, zuständig ist die Geschäftsführung) setzen. Bei der mindestens fünfjährlich zu erneuernden Bestimmung dieser Zielgrößen sind die Unternehmen grundsätzlich frei. Es gilt allein ein Verschlechterungsverbot, und auch dieses nur solange der Frauenanteil unter 30% liegt. 

Solange bislang keine Frau im betreffenden Gremium vertreten ist, sind die Unternehmen durch das FüPoG demnach nicht gehindert, sich die Zielgröße Null zu setzen. Diese Praxis ist weit verbreitet. So haben sich in der Vergangenheit für die Vorstandsbesetzung etwa die Hälfte der von der flexiblen Quote erfassten Unternehmen die Zielgröße Null gesetzt.

Hier möchte der Gesetzgeber behutsam mit der neuen „comply or explain“-Regelung gegensteuern: Setzen sich Unternehmen die Zielgröße Null, so müssen sie dies klar und verständlich begründen (§ 111 Abs. 5 S. 3 und 4 AktG-E) und die Begründung im Lagebericht offenlegen (§ 289f Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4 HGB-E). Die Begründungs- und Offenlegungspflicht ist nach § 334 Absatz 1 HGB-E bußgeldbewährt. Das Unternehmen wird, so die Gesetzesbegründung, seine Frauenförderung intensivieren, wenn es ansonsten im Lagebericht erklären muss, warum es sich außerstande sah, auch nur eine einzige Frau in das betreffende Gremium zu berufen.

Mindestbeteiligung gilt für Neubesetzungen – bereits jetzt besteht Handlungsbedarf

Das Mindestbeteiligungsgebot wird voraussichtlich bei der Neubestellung einzelner oder mehrerer Vorstandsmitglieder ab dem 1. Januar 2022 zu beachten sein. Bestehende Mandate haben Bestandsschutz: Sie können bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden. Schon jetzt aber sollte die kommende Änderung bei Personalfragen berücksichtigt werden.

Auch empfiehlt es sich für betroffene Unternehmen, schon jetzt nach geeigneten Kandidatinnen für die zu besetzenden Vorstandsposten Ausschau zu halten. Die Übergangsregelungen können nur in Grenzen genutzt werden, um sich Zeit zu erkaufen, indem man eine nach dem 1. Januar 2022 anstehende Neubestellung der Organmitglieder in das Jahr 2021 vorzieht. Möglicherweise würde sich ein so agierendes Unternehmen aber dem Vorwurf aussetzen, mit der taktierten Neubestellung rechtsmissbräuchliche Motive zu verfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnte dies zur Nichtigkeit der Neubestellung führen. 

Auch die Begründungs- und Offenlegungspflicht bei Beschluss der Zielgröße Null dürfte ihren Schatten vorauswerfen. Sie ist anzuwenden auf Lage- und Konzernlageberichte sowie Erklärungen zur Unternehmensführung, die sich auf ein nach dem 31. Dezember 2020 beginnendes Geschäftsjahr beziehen. Schon jetzt also sollten sich betroffene Unternehmen bewusst machen, dass sie – wenn sie für ein Führungsgremium die Zielgröße Null beschließen – diesen Beschluss im kommenden Jahr öffentlich werden begründen müssen. 

Unsere Beitragsserie „Corporate Governance & Risk Compliance″ startet mit Themen wie Frauenquote im VorstandÄnderungen in der Compliance und beim Deutscher Corporate Governance Kodex sowie den aktuellen ARUG II und DCGK. Weiter ging es mit der CSR-Richtlinie, den Vorstandspflichten und Nachhaltigkeitsaspekten in der Gesellschaftsverfassung. Weiter befasst haben wir uns mit der ESG-Due Diligence und dem Greenwashing. Zuletzt sind wir auf das neue ElektroG sowie Nachhaltigkeit im Vorstandsvergütungssystemgrüne Investitionen und ESG-aktivistische Investoren eingegangen.

Tags: Aufsichtsrat fixe Quote flexible Quote Frauenquote FüPoG II Mindestbeteiligungsgebot Sustainability Vorstand