In Bremen hat es bei meinem zweiten Besuch zwar nicht geregnet, der Himmel war dennoch grau und die Witterung novembrig. Ich machte mich daher vom Hauptbahnhof mit dem Taxi auf den Weg zum Arbeitsgericht, was nur wenige Minuten dauerte. Auf der Straße „Am Wall“ muss man das neue Justizzentrum erst einmal suchen.
Es beherbergt zwar neben Arbeits- und Landesarbeitsgericht auch das Sozialgericht, das Hanseatische Oberlandesgericht, das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht sowie das Finanzgericht Bremen und die Zweigstelle Bremen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen; die Straßenfront der Jahrhundertwendehäuser „Am Wall″ wird jedoch zunächst von Geschäften gesäumt. Die Straße Am Wall ist Einkaufs-, Wohn- und Bürohausstraße Bremens und führt um die Altstadt an dem Park der Bremer Wallanlagen entlang. Ein durchgehendes Glasvordach schützt die Flanierenden vor Regen.
Das Justizzentrum ist in diesen Häuserfronten gar nicht so leicht zu erkennen. Bürgerproteste, der Landesdenkmalpfleger und die Bremer Bürgerschaft hatten den ursprünglich für das Justizzentrum vorgesehenen Neubau verhindert. Stattdessen wurden die Fassaden der Häuser 197-199 stehengelassen und diese entkernt. An die Stelle der maroden Bürgerhäuser trat hinter die historischen Fassaden ein Neubau.
Zur Straße hin ergeben sich drei völlig unterschiedliche Fassaden. Das mittlere Gebäude mit der Nummer 198, das den Haupteingang des Justizzentrums beherbergt, wurde mit einem mit Blech verkleideten Tonnendach mit großen Fenstern erweitert. Unten ein grau gestrichener Erdgeschosssockel, darüber eine gelb-beige Fassade mit abgesetzten Fenstern auf der ersten und zweiten Etage, die von entsprechend großen Fenstern auf zwei Geschossen im Dach ergänzt werden.
Das Gebäude links neben dem Haupteingang mit einem mehrteiligen Walmdach wird durch einen großen Mittelrisalit mit drei Fenstern gekrönt. Es gehört jedoch nicht zum Justizzentrum, sondern beherbergt Büros. Rechts daneben befindet sich ein 5-Fenster-Gebäude. Dessen mit Säulen geschmücktes Eingangsportal, das heute nicht mehr genutzt wird, ist von einem Erker im ersten Geschoss gekrönt. Im zweiten Geschoss befindet sich ein Balkon. Die alten Treppenstufen hat man hier belassen. Wer sie hinaufsteigt, blickt durch die doppelflügige Tür in einen der großen Sitzungssäle.
Das Justizzentrum mit seinem L-förmigen Grundriss umgibt dieses Gebäude jedoch auf dessen Rückseite. Von dort ist es durch zwei umbaute Fußgängerbrücken, eine alte und eine moderne mit dem angrenzenden alten Polizeihaus, das schon das Justizzentrum I beherbergte, verbunden.
Zwischen diesen beiden Gebäuden kann man eine steinerne Treppe zur Ostertorswallstraße hinabgehen. Auf deren mittlere Ebene fällt der Blick auf die vorder- und hinterhausverbindenden Fenster der Flure.
Die Rückseite des Justizzentrums überrascht: sie kann durchaus als weitere Schokoladenseite des Justizzentrums gelten. In ihrem unteren Teil befindet sich ein mit Natursteinplatten verkleideter, durch große Fensterflächen durchbrochener Bürotrakt. Die Fensterflächen sind asymmetrisch verteilt und durch grün schimmernde Blindflächen durchbrochen. Es wird deutlich, dass das Gebäude das gesamte Untergeschoss auf der Rückseite durch voll nutzbare Räume und Säle erweitert hat.
Auf diesen Fenster-Stein-Quader hat man wiederum ein mit Fensterreihen durchbrochenen Quader in mintgrün gesetzt, der Gründerzeitanklänge enthält. Schmale Doppelfenster mit weißen Umrahmungen in vier langen Reihen geben der Rückseite ein besonderes Gesicht, das auch im Zusammenspiel zum alten Polizeigebäude wirkt.
Leider habe ich mich zu spät um eine Erlaubnis für Innenaufnahmen bemüht, so dass Sie mit unserer Beschreibung und Bildern externer Links (hier und hier) Vorlieb nehmen müssen. Das Innere ist nicht nur barrierefrei, sondern auch gebäudetechnisch auf dem neusten Stand.
Dem Besucher zugängliche Räumlichkeiten, also vor allem Treppenhäuser, Flure und Gerichtssäle sind von den Farben Weiß, Rot und Grau geprägt. Während hier hellgraue Granitfliesen verlegt wurden, die auch für die Treppenstufen Verwendung fanden, sind die Räume der Verwaltung mit Teppich ausgelegt – dort setzen gelbe Wände die Farbakzente. Auf den Fluren finden sich im Untergeschoss zahlreiche Bänke mit Holzsitzflächen, im Erdgeschoss sind am Ende des Flures auch runde Tische mit Stühlen aufgestellt.
Beim Betreten des Gebäudes gleiten große Glastüren zur Seite. Im Inneren fällt der Blick auf einen großen Monitor, der – wie die Monitore vor den Sitzungssälen – die laufenden Verhandlungen auflistet. Überhaupt ist das Gebäude sehr klar beschildert. Große Pläne und Beschriftungen weisen den Weg. Vom Eingang weiter geradeaus geht es zur Information. Sitzungssäle befinden sich im Erdgeschoss, aber auch im Unter- und im Obergeschoss.
Besonders dem Obergeschoss sollte man einen Besuch abstatten, hat man darin doch eine Treppenhaus″halle″ untergebracht, die mit ihren Oberlichtern das gesamte Innere zu beleuchten scheint. In den Sälen finden Sie große Tische für Gericht und Parteien auf gleicher Höhe. Darin sind große rote Flächen eingelassen. Auch für die Parteien stehen bequeme, lederbespannte Stahlgestellsessel zur Verfügung. Die Richter werden durch rote Rückwände hervorgehoben. Zwei große Säle zur Vorderseite hin sind mit altem Mobiliar bestückt.
Sein Augenmerk musste der Besucher im vergangenen Jahr auf die Diktiergeräte auf dem Richtertisch werfen. Die Geräte vom Typ rols 3200 hatte ich bis dahin noch in keinem Gerichtsgebäude gesehen. Der Richter diktierte bei diesen Geräten nicht etwa auf Kassette oder in eine elektronische Datei. Nein, Magnetfolie war hier das Medium, die einem Kassenzettel gleich vom Gerät beschrieben wurde. Ein kurzer Druck auf die entsprechende Taste und das fertige „Diktierband“ wurde elektrisch abgeschnitten. Es konnte dann vorsichtig beschriftet und der Akte beigefügt werden.
Damals hieß es noch, dass diese interessante Technik aus Kostengründen nicht so bald durch elektronische Diktiergeräte ersetzt werden würde. Mittlerweile ist dies geschehen, schade. Wir wollen Ihnen einen Blick auf diese Geräte nicht vorenthalten, wenngleich wir Abbildungen im www nicht finden konnten. Wir haben uns aber mit dem Hersteller in Verbindung gesetzt, der so freundlich war, uns entsprechendes Ansichtsmaterial zu überlassen:
Das Arbeitsgericht Bremen ist nicht nur in einem höchst funktionalen Gebäude untergebracht, hier begegnen sich moderne und klassische Gestaltungselemente gleichermaßen zu einer interessanten Einheit.
Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung.
Hier geht es zum Arbeitsgericht Detmold, die vorhergehenden Teile finden Sie hier: Hamburg, Koblenz, Karlsruhe, Darmstadt, Duisburg, Ulm, Stuttgart, Berlin, Ravensburg, München, Saarbrücken, Köln, Siegburg, Frankfurt.