12. Dezember 2014
Arbeitsrecht Kanzleialltag

Deutschlands Arbeitsgerichte (18) – Offenbach am Main

Wir zeigen in unserer Serie Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung. Heute das Arbeitsgericht Offenbach.

Bei meinem ersten Besuch beim Arbeitsgericht Offenbach am Main vor einigen Jahren hatte mein Zug Verspätung. Ich sprintete aus dem Bahnhof, sprang in das erstbeste Taxi und bat, schnell zum Arbeitsgericht zu fahren. Der Taxifahrer stockte kurz und meinte dann „Da gehen sie besser zu Fuß, dass Gericht ist an der nächsten Straßenecke!″. Und so ist es auch.

Wer den Bahnhof an seinem Hauptausgang verlässt, muss lediglich geradeaus die Kaiserstraße etwa 100 Meter entlang gehen, bis er den Eingang des Justizzentrums erreicht hat. Das Justizzentrum Offenbach am Main beherbergt neben dem Arbeitsgericht, als kleinster Einheit, die Staatsanwaltschaft, Zweigstelle Offenbach, und das Amtsgericht. Das Arbeitsgericht hat seinen Sitz im Gebäude seit 2005. Zuvor war es im Büsing-Palais untergebracht. Zum 01.01.2012 sind zum Arbeitsgericht auch Teile des ehemaligen Arbeitsgerichtsbezirkes Hanau hinzu gekommen.

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Das Justizzentrum liegt auf dem Dreieck zwischen Rathenaustraße, Kaiserstraße und Hospitalstraße. In diesem Dreieck liegen der Neubau an der Kaiserstraße, der „Altbau″ an der Hospitalstraße und ein weiteres Bürogebäude mit dreieckigem Grundriss an der Rathenaustraße. Auf der Südseite der Hospitalstraße liegt noch ein Denkmal geschütztes Gebäude, das das Amtsgericht beherbergt und durch eine Glasbrücke mit der 2. Etage des Neubaus verbunden ist.

Verbindung zwischen Alt und Neu

Der „Altbau″ ist genau genommen kein Altbau. 1858 wurde hier das städtische Hospital errichtet und bis 1894 betrieben. Danach waren in dem Hospitalgebäude nacheinander eine Schule für Mädchen, ein Kriegslazarett, eine Knabenschule, eine Handels- und Berufsschule sowie die Stadtbücherei und das Kulturamt und sogar das Rathaus untergebracht. Von den 70er Jahren bis zur Jahrtausendwende hatte die Staatsanwaltschaft dort ihre Büros. Bei der Errichtung des Justizzentrums wurde der Altbau komplett entkernt. Leider stürzte er 2004 bei Bauarbeiten ein. Das danach an dieser Stelle errichtete Gebäude erinnert an das ehemalige Hospital und ist ein im historischen Stil errichteter Nachbau – so ist es auch auf einer Tafel im Gebäude nachzulesen.

Der "Altbau"

Rückseite mit Garten

Auf vier Etagen liegt ein Walmdach. Ein Mittelrisalit ist auf dem zweiten Stock durch zweiteilige Fenster hervorgehoben, sein Giebel wird durch einen steinernen Vorsprung abgesetzt. Auf der Rückseite ist der Mittelrisalit noch deutlicher abgesetzt. Die helle Fassade des Gebäudes zeichnet eine klassische Stuckfassadenstruktur nach und ist durch mehrere waagerechte Steinbänder unterteilt. Ab dem ersten Stock werden die zweiflügligen Fenster von Rundbögen gezeichnet. Die Rückseite liegt an einem begrünten Innenhof hinter einem schmiedeeisernen Zaun.

Modernes RotDer Neubau unterscheidet sich vom Altbau nicht nur durch seinen minimalistischen Grundriss, sondern auch durch seine von grauen Fensterbändern durchbrochene Fassade. Die Wände sind hier mit Platten mit einem ins orangefarbene tendierenden Anstrich verkleidet – heute würde man sie vermutlich einem derzeit gängigen Grünton streichen, wie dies zum Beispiel beim Gerichtsgebäude in Koblenz oder in Bremen zu finden ist.

Die Stelle, an der Rathenaustraße und Kaiserstraße ineinander münden, erhöht die Erwartungen. Ein Flat Iron Building wie in New York findet man hier leider nicht. Aber die scharfgeschnittene Gebäudekante hat „was″.

Die scharfe Kante 1   Die scharfe Kante 2

An der Rathenaustraße gibt es weitere von Büros und Praxen genutzte Gebäude, die ihrer Optik nach dem Neubau an der Kaiserstraße entsprechen. Die Hospitalstraße ist durch Schranken versperrt und dient als Kundenparkplatz für die Besucher eines Fitnessstudios. Die Verbindung zwischen „Altbau″ und Neubau an der Kaiserstraße hat man durch eine schmale, durchgehende Fensterwand optisch aufgelockert.

Drei Seiten einer Medaille

Der Eingangsbereich an der Rathenaustraße ist einerseits ins Gebäude zurück gesetzt, andererseits ragt ein mit Vordach versehener Glaspavillon hervor. Zwischen den getrennten Türen für Ein- und Ausgang hat man zentral ein mit dem hessischen Wappen versehenes Schild der Behörden im Justizzentrum angebracht.

Der Eingang

Im Inneren betritt der Besucher zunächst einen Flur, von dem Treppe und Aufzug nach oben abgehen. Dieser Eingangsbereich wirkt blass und fad, obwohl er zur Straße verglast ist. Der Blick des Besuchers fällt daher zuerst auf eine elektronische Anzeige, auf der aber nur die Sitzungen und Termine des Amtsgerichts angezeigt werden – das Arbeitsgericht arbeitet noch mit Papieraushängen. Der Besucher des Arbeitsgerichtes muss sich ohnehin in die dritte Etage bewegen und nutzt dazu die Treppe oder einen der beiden Glasaufzüge.

Die dritte Etage ist die hellste Etage, die von den Oberlichtern im Dach beleuchtet wird. Die Lampenkonstruktion am oberen Ende der Treppe wirkt aber irgendwie zu wuchtig, ohne dass sie eine Funktion erfüllen würde.

Dritter Stock mit Flur

Lichte Decke 1Lichte Decke 2

Die Etage ist übersichtlich strukturiert. Der Kunststoffboden rötlich, die Wände hell und von den unbehandelten Betonsäulen durchbrochen. Für den Besucher sind „Altbau″ und Neubau auch hier klar getrennt, weil die Außenfassade des „Altbaus″ hier im Gebäude belassen wurde.

Überreste aus HanauKlare TrennungHier befinden sich hinter einer Tür Büroräume der Beschäftigten des Arbeitsgerichtes. Auf der Rückseite – für den normalen Besucher nicht sichtbar – befindet sich ein Gerichtsschild des alten Arbeitsgerichtes Hanau.

Es gibt insgesamt vier Sitzungssäle, bis der weitere Flur abgeschlossen von der Staatsanwaltschaft genutzt wird. Die blau bespannte Wandtafel und eine klare Beschriftung weisen den Besuchern den Weg.

Tipps und Termine   Klare Wegweiser

Die Sitzungssäle sind mit unauffälligem Mobiliar bestückt. Die Räume an der Kaiserstraße haben Sonnenschutzfolien an den Fenstern, die das Tageslicht zwar ein wenig dämpfen. Ausreichend Licht ist dennoch vorhanden.

Fenster zur Kaiserstraße  Sitzungssaal  Für die Öffentlichkeit

Silberne Wappen über dem Richtertisch und dezente Wanduhren sind hier der einzige Wandschmuck – wenn man von den großen grauen Schränken absieht: das Arbeitsgericht hat keine Archivräume.

Wappen im Saal  P1000090

Für die wartenden Parteien und Besucher befinden sich auf den Fluren zahlreiche Sitzgelegenheiten und Tische.

Klappsitze   Warteecke

Für kleine Besucher gibt es nicht nur den „mobilen Spielecontainer″, sondern auch eine Wickelmöglichkeit.

Mit Wickelauflage   Hinweis zum Spielcontainer

Kommen wir zum Abschluss noch zur Kunst:

Zum Einen versteckt sich an der Wand hinter den Glasaufzügen vom Erdgeschoss bis zum dritten Stock eine Arbeit des Frankfurter Künstlers David Borchers. Die Faltwand heißt „Dickicht 2005″ und wurde vom Anwaltverein Offenbach am Main gespendet. Wie ein riesiges Wackelbild – hier eine Bastelanleitung – zeigt sie je nachdem ob man von unten oder von oben auf das Bild schaut unterschiedliche Perspektiven. Die Arbeit geht zurück auf den Film „Rashomon″ von Akira Kurosawa, bei dem die handelnden Personen ihre unterschiedlichen Perspektiven einer Geschichte und damit die unterschiedliche Wahrnehmung der Wirklichkeit präsentieren. Gibt es also keine allgemeine Wahrheit?

Irgendwie unsichtbar    Dickicht 1

Das Bild gefällt auch aus der Nahperspektive. Es passt zwar gut an die große Wand. Leider ist es hinter den Aufzügen aber nahezu unsichtbar.

von Nahem

Daneben gibt es auf der dritten Etage noch eine Kollage aus 25 quadratischen Einzelteilen, die von den Mitarbeitern des Arbeitsgerichtes gestaltet wurde und Ausschnitte einer verfremdeten Gebäudeansicht zeigt.

Eigenkomposition

Wieder einmal zeigt sich, dass Arbeitsgerichtsgebäude einen zweiten Blick wert sind!

Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung.

Hier geht es zum Arbeitsgericht Bochum, die vorhergehenden Teile finden Sie hier: Bremen, Detmold, Hamburg, Koblenz, KarlsruheDarmstadt, Duisburg, Ulm, Stuttgart, Berlin, Ravensburg, München, Saarbrücken, Köln, Siegburg, Frankfurt.

Tags: Arbeitsgericht Offenbach am Main Architektur Justizzentrum Kaiserstr.