22. Oktober 2021
3G Betrieb Testpflicht
Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen Arbeitsrecht

3G im Betrieb: So könnte es gehen

Die Einführung sowohl einer allgemeinen Testpflicht als auch einer 3G-Regel im Betrieb ist möglich – wenn die konkrete Ausgestaltung stimmt.

Die sog. 3G-Regel hat sich im öffentlichen Raum weitgehend durchgesetzt: Nur wer geimpft, getestet oder genesen ist und dies auch nachweisen kann, darf Restaurants, Cafés und Kinos betreten. Auch viele Arbeitgeber möchten für erhöhte Sicherheit für ihre Arbeitnehmer sorgen und diesen neuen Standard im Betrieb etablieren. Die damit zusammenhängenden Fragen sind zahlreich, durch die Rechtsprechung jedoch weitgehend ungeklärt. 

Eine Klärung durch den Gesetzgeber dürfte noch einige Zeit auf sich warten lassen: Bisher hat als „Kompromisslösung“ der großen Koalition nur eine ausdrückliche Verankerung des Fragerechts von medizinischen und wenigen gleichgestellten Arbeitgebern in §§ 23a, 36 Abs. 3 IfSG Niederschlag gefunden. Weitere bundesgesetzliche Klarstellungen und Änderungen dürften erst nach abgeschlossener Regierungsbildung zu erwarten sein.

Was aber gilt für die Arbeitgeber, die nicht zu den dort Genannten gehören? Bei der Einführung von „3G im Betrieb“ gilt es zwar, rechtliche Fallstricke zu vermeiden. Dennoch: Mit kluger rechtlicher Gestaltung ist mehr möglich als gedacht.

Einführung von 3G mithilfe einer allgemeinen Testpflicht im Betrieb 

Eine praxistaugliche Möglichkeit zur Umsetzung von 3G im Betrieb könnte wie folgt aussehen: Der Arbeitgeber ordnet eine allgemeine Corona-Testpflicht im Betrieb an – kombiniert mit einem Recht für Geimpfte und Genesene, den Testnachweis durch einen Impf- oder Genesungsnachweis zu ersetzen. Die Arbeitnehmer können sodann entscheiden, ob sie sich testen lassen, wenn sie die Betriebsräume betreten, oder ob sie stattdessen einen Impf- oder Genesungsnachweis vorlegen.

Durch diese Gestaltung wäre 3G im Betrieb nach unserer Auffassung im Ergebnis möglich, auch wenn es in der aktuellen Literatur nach wie vor spätestens unter Datenschutzaspekten abgelehnt wird. 

Argumentation für die Zulässigkeit der Anordnung einer allgemeinen Testpflicht

Mit der Anordnung einer Testpflicht wird sowohl dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung getragen, den coronabedingten Ausfall von Arbeitnehmern zu vermeiden, als auch den Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb an größtmöglichem Infektionsschutz. Der Coronatest ist nicht nur geeignetes Mittel, die Infektionswahrscheinlichkeit im Betrieb zu verringern; gleichzeitig ist die Eingriffsintensität gering. 

Durch den Befund werden dem Arbeitgeber keine Gesundheitsdaten zugänglich jenseits eines rein binären „aktuelle Coronainfektion ja/nein“ Befunds. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber kein DNA-Material überlassen, er kann den Test schlicht extern vornehmen lassen oder die Utensilien des Selbsttests nach Vornahme des Tests entsorgen. 

Der Arbeitnehmer kann zwar sein Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht anführen; beide Rechte werden jedoch durch den kurzen, schmerzlosen und mittlerweile nahezu alltäglich gewordenen Test nur geringfügig berührt. Vielmehr überwiegen die Interessen des Arbeitgebers sowie der übrigen Belegschaft. Nämlich:

  • Aufrechterhaltung des Betriebsablaufs
  • Vermeidung von Arbeits- und Produktionsausfällen durch Quarantäneanordnungen 
  • Vermeidung von Entgeltfortzahlungen wegen Erkrankung an Covid-19 
  • Erfüllung von Kundenanforderungen, bei denen die Mitarbeiter des Arbeitgebers als Externe oft nur nach 3G-Regel Zutritt erhalten
  • Generell Vermeidung von Infektionen im Betrieb

Auch gleichgerichtete Interessen der Mitarbeiter fallen ins Gewicht:

  • Vermeiden, mit infizierten Kollegen zusammen zu arbeiten
  • Vermeiden, sich selbst anzustecken
  • Vermeiden, andere anzustecken
  • Wunsch nach Rückkehr zu Arbeitsumfeld, das zwischenmenschlichen Austausch nicht nur digital ermöglicht

Besonders zu berücksichtigen ist, dass man anders als im privaten Umfeld im beruflichen Kontext nicht selbst vorsorgliche Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Die Mitarbeiter können sich im Büro nicht aussuchen, wen sie treffen und ob diese Person geimpft oder getestet ist. Sie sind insoweit also auf die Hilfe des Arbeitgebers angewiesen.

Coronatests – wirklich „anlasslos“?

Die Anordnung solch allgemeiner Coronatests wird dennoch in der Literatur überwiegend abgelehnt, weil sie „anlasslos“ erfolgen und damit Tür und Tor für jede Art von Gesundheitsuntersuchungen öffnen würde.

Dabei wird übersehen, dass die Anordnung von Tests in der aktuellen Situation gerade nicht anlasslos erfolgt. Das Robert Koch-Institut schätzt nach seinem wöchentlichen Lagebericht vom 7. Oktober 2021 (S. 4 oben) (Wöchentlicher Lagebericht des RKI) nach wie vor die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als hoch, für vollständig Geimpfte als moderat ein. Nachdem dem Arbeitgeber der Impf- und Genesenenstatus seiner Mitarbeiter unbekannt ist, muss er von keinem vollständigen Schutz durch Impfung oder Genesung ausgehen (siehe FAQ des BMAS zur Corona-Arbeitsschutzverordnung, Frage 5.5) (BMAS – FAQ zur Corona-Arbeitsschutzverordnung). Daraus ergibt sich dann aber auch, dass der Arbeitgeber von einer nach RKI hohen Gefährdung eines Teils der Mitarbeiter ausgehen muss. Dieser bestehenden, konkreten Gefahr einer Infektion mit einer hoch ansteckenden und potentiell tödlichen Krankheit darf der Arbeitgeber durch Anordnung allgemeiner Coronatests vor Betreten des Betriebs begegnen. Denn jeder trägt während einer Pandemie konkret zu Gefährdung bei, unabhängig davon, ob er Symptome hat oder nicht, weil die Übertragung auch ohne Anzeichen geschieht.

Die Herleitung zeigt: Diese Situation ist nicht verallgemeinerbar, sondern klar abgegrenzt auf die Lage einer weltweiten Pandemie. Ohne Pandemie bleibt die Anordnung irgendwelcher Tests im Arbeitsverhältnis tatsächlich anlasslos und mangels konkreter Gefahr ausgeschlossen.

Kein Vorrang technischer Maßnahmen

Dieser Argumentation steht auch nicht der Nachrang individueller Schutzmaßnahmen, mithin der Vorrang technischer und organisatorischer Maßnahmen nach § 4 Nr. 5 ArbSchG entgegen. Nur das Vorschreiben von Masken, Abstand etc. ist schon nicht gleich effektiv wie die Anordnung von Tests.

Im Übrigen wird häufig unterschätzt, als wie einschränkend diese vermeintlich wenig invasiveren Maßnahmen auf Dauer empfunden werden können. Mit der Dauer der Pandemie hat die wahrgenommene Belastung vieler Mitarbeiter zugenommen. Motivation und Effizienz leiden. Vielerorts sehnt man sich nach vorsichtiger Normalität – gemeinsames Mittagessen statt digitaler Kaffeerunde, persönliche Gespräche statt E-Mail. Sind alle anwesenden Mitarbeiter getestet, wäre das auf verantwortungsvolle Weise wieder möglich – und so die vermeintlich beeinträchtigendere Maßnahme faktisch eine Entlastung. 

Die datenschutzrechtliche Situation: Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis

Bereits das Fragen nach einem Test- oder sonstigen 3G-Nachweis – unabhängig davon, ob diese Information nur mündlich erfragt oder auch gespeichert wird – stellt eine Datenverarbeitung dar, § 26 Abs. 7 BDSG

Bei den Daten zum 3G-Status handelt es sich um Gesundheitsdaten, die gemäß Art. 9 DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG einem besonders strengen Schutz unterliegen (so zuletzt klargestellt von der Datenschutzkonferenz (DSK) in ihrem Beschluss vom 19. Oktober 2021).

Art. 9 Abs. 1 DSGVO enthält ein grundsätzliches Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten, weshalb eine Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO vorliegen muss. Die Ausnahmeregelung stellt dabei ein bekanntes Kriterium in den Mittelpunkt: die Erforderlichkeit. Die Datenverarbeitung muss erforderlich für die Ausübung der Rechte und Wahrung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag sein – nur dann ist sie nach DSGVO ausnahmsweise zulässig.

Vertritt man also wie hier die Ansicht, dass die Anordnung einer Testpflicht von den Rechten des Arbeitgebers umfasst ist, da man die Erforderlichkeit dieser Maßnahme bejaht, dann ist auch das Fragen nach einem Testnachweis und damit die entsprechende Datenverarbeitung „erforderlich zur Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit erlaubt nach Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG.

3G für alle – so geht’s 

Jeder Arbeitgeber darf also nach unserer Auffassung die Vorlage eines negativen Coronatests zur Voraussetzung des Betretens des Betriebs zu machen. Die diesbezüglichen Daten darf er auch erfragen und verarbeiten, da es zur Wahrnehmung seiner Rechte aus dem Arbeitsverhältnis erforderlich ist, Art. 9 Abs. 2 lit b) DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG (zu dieser Lösung detailliert: Hidalgo/Ceelen/Buziek, 3G-Regelung im Betrieb – Nicht so unzulässig wie gedacht?, NJW 2021, 3151). 

Gestattet er dem Arbeitnehmer nun, den negativen Testnachweis auch durch Vorlage einer Impf- oder Genesenenbescheinigung zu ersetzen, kann der Arbeitnehmer hierein einwilligen, Art. 9 Abs. 2 lit a) DSGVO, § 26 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 BDSG. Die Einwilligung muss freiwillig sein, was wegen der „aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierenden Abhängigkeit des Arbeitnehmers“ selten der Fall sein soll. Die DSK hat „regelmäßig Zweifel“ an der Freiwilligkeit einer Einwilligung in die Verarbeitung des Impfstatus (Beschluss v. 19. Oktober 2021). Diese Zweifel teilen wir nicht: In der skizzierten Ausgestaltung hat der Arbeitnehmer eine echte, gleichwertige Alternative. Er kann seine Impf- oder Genesenendaten schützen, indem er einen Test vorlegt, oder auf den Impf- oder Genesenennachweis zurückgreifen. Dadurch erreicht er den Vorteil, Zeit- und ggf. Kostenaufwand für Tests zu vermeiden, § 26 Abs. 2 S. 2 BDSG.

Datensparsamkeit und Mitbestimmung des Betriebsrats

Bei der konkreten Ausgestaltung zu beachten sind die Grundsätze des Art. 5 DSGVO. Der Arbeitgeber darf nur das unbedingt notwendige Maß an Gesundheitsdaten verarbeiten. Deswegen ist dem Arbeitgeber zu raten, die Nachweise nicht über den Tag des Nachweises hinaus zu speichern; er könnte sich insoweit z.B. auf eine Sichtkontrolle am Eingang beschränken.

Ähnliches empfiehlt auch die DSK (Beschluss v. 19. Oktober 2021): Die reine Abfrage des Gesundheitsstatus genüge regelmäßig zur Zweckerreichung. Für eine etwaige Speicherung reiche der Vermerk, dass der Arbeitnehmer einen entsprechenden Nachweis erbracht habe. Den Nachweis selbst dürfe der Arbeitgeber normalerweise nicht speichern. Die Einführung eines Testerfordernisses wie diskutiert unterliegt zudem der Mitbestimmung des Betriebsrats, § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 BetrVG.

Gesetzliche Grundlage und aktuelle Entwicklungen

Eine bundesgesetzliche Grundlage für die Abfrage insbesondere des Impfstatus der Mitarbeiter gibt es in §§ 23a, 23 Abs. 3, 36 Abs. 3 IfSG bisher nur für die dort genannten Einrichtungen überwiegend der medizinischen Versorgung. Zu beachten sind daneben aber auch die aktuellen Entwicklungen in der Gesetzgebung der Länder. In Bayern beispielsweise wurde mit Wirkung ab dem 19. Oktober 2021 die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (14. BayIfSMV) geändert (Bericht aus der Kabinettssitzung vom 12. Oktober 2021 – Bayerisches Landesportal (bayern.de)). In allen Bereichen, in denen 3G oder 2G gilt, müssen in Zukunft auch die Beschäftigten mit Kundenkontakt die entsprechende Zutrittsvoraussetzung erfüllen. Ein entsprechender Testnachweis muss an mindestens zwei unterschiedlichen Wochentagen vorgelegt werden. Die betroffenen Bereiche werden in § 3 Abs. 1 14. BayIfSMV aufgezählt und beinhalten abhängig von einer 7-Tage-Inzidenz über 35/100.000 Einwohner u.a. Fitnessstudios, Theater, Opern, Kinos, Museen, die Gastronomie, Freizeiteinrichtungen und körpernahe Dienstleistungen. Inzidenzunabhängig gilt 3G für Messen, Volksfeste, Diskotheken u.a., § 3 Abs. 2 14. BayIfSMV. Ähnliche Regelungen gibt es auch in anderen Bundesländern bereits.

Daraus müsste dann korrespondierend auch ein Frage- bzw. Datenverarbeitungsrecht des Arbeitgebers folgen – denn mit dieser Grundlage wäre die Datenerhebung ausdrücklich und ohne weiteres erforderlich, um eine gesetzliche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen, Art. 9 Abs. 2 lit b) DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG. Damit gäbe es nach der jüngeren Entwicklung sehr weitreichende gesetzliche Pflichten für Mitarbeiter, sich an die 3G-Regel zu halten, und korrespondierend damit auch ein Recht des Arbeitgebers, nach einem 3G-Nachweis zu fragen und dieses Datum zu erheben. Inwieweit diese im Verordnungswege erlassenen Ausweitungen verfassungskonform sind, wird sich zeigen.

Über die Testpflicht zu 3G

Natürlich wäre es vorzugswürdig, wenn der Gesetzgeber das Thema „3G im Betrieb“ endlich angeht und Klarheit für alle schafft. Solange dies aber nicht der Fall ist, darf der Arbeitgeber eine allgemeine Corona-Testpflicht im Betrieb anordnen – kombiniert mit einem Recht für Geimpfte und Genesene, den Testnachweis durch einen Impf- oder Genesungsnachweis zu ersetzen.

Diese Gestaltung ist rechtlich möglich und auch datenschutzkonform. So kann 3G im Betrieb für jeden Arbeitgeber auch unter der aktuell geltenden Gesetzeslage möglich gemacht werden. 

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tipps Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtlichen) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und KleinstunternehmernUnterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüssen. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte. Zuletzt haben wir auf die Haftung bei betrieblichen Corona-Schutzimpfungsprogrammen aufmerksam gemacht.

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