Die Insolvenzantragspflicht wird im Januar 2021 für Unternehmen ausgesetzt, die auf staatliche Hilfen warten. Das gilt aber nicht für alle.
Der Bundestag hat heute das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) beschlossen. Die wesentlichen Inhalte, insbesondere zum präventiven Restrukturierungsrahmen (StaRUG), haben wir bereits zusammengefasst.
Überraschenderweise hat sich der Gesetzgeber kurzfristig auch zu einer weiteren Aussetzung der Insolvenzantragspflicht entschlossen. Die Absicht zur Einfügung einer solchen Möglichkeit wurde erst diese Woche kommuniziert.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen endet am 31. Dezember 2020
Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber bereits Ende März die vorrübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 für insolvente – also zahlungsunfähige und überschuldete Unternehmen – beschlossen. Voraussetzung war, dass die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruhte und Aussichten auf Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit bestanden.
Kurz vor Ende des Aussetzungszeitraums wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete, nicht aber für zahlungsunfähige Unternehmen verlängert. Obwohl noch immer viele Unternehmen mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Wirtschaft und den damit verbundenen Unsicherheiten kämpfen, entschließt sich der Gesetzgeber gegen eine weitere Verlängerung der Aussetzung.
Das bedeutet, die Insolvenzantragspflicht gilt grundsätzlich wieder ab dem 1. Januar 2021.
Ausnahme zu Insolvenzantragspflicht: Unternehmen hat begründete Aussicht auf staatliche Hilfen
Die zweite Welle rollt mit enormer Wucht über Deutschland, die Maßnahmen zur Eindämmung werden entsprechend strikter. Deutschland befindet sich im „harten Lockdown″. Im Zuge dessen hat der Staat die Hilfsprogramme ausgeweitet (sog. November- und Dezemberhilfen).
Allerdings ist die Beantragung teilweise aus technischen Gründen noch nicht möglich. Die Bearbeitung der zahlreichen bereits gestellten Anträge benötigt Zeit. Viele Hilfen werden daher nur verzögert ausgezahlt und die Betroffenen nicht rechtzeitig erreichen.
Der Gesetzgeber reagiert hierauf mit der vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen. Dies gilt allerdings nur, wenn:
- die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruht und
- das Unternehmen im Zeitraum vom 1. November bis zum 31. Dezember 2020 einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben oder
- wenn eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, wenn das Unternehmen antragsberechtigt ist.
Die Insolvenzantragspflicht gilt allerdings ab 1. Januar trotz Beantragung staatlicher Hilfen, wenn Unternehmen offensichtlich keinen Anspruch auf die Hilfen haben oder die Hilfen nicht zur Beseitigung der Insolvenzreife ausreichen.
Weitere Erleichterungen für COVID-19-beeinträchtigte Unternehmen
Auf das weitestgehende Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht reagiert der Gesetzgeber mit neuen Maßnahmen, um COVID-19-beeinträchtigte Unternehmen zu unterstützen.
Für COVID-19-bedingt überschuldete Unternehmen gilt ein verkürzter Prognosezeitraum. Es reicht für diese Unternehmen aus, dass sie in den nächsten vier Monaten – statt der sonst maßgeblichen zwölf Monate – durchfinanziert sind.
Unternehmen, die Insolvenzantrag stellen, profitieren ab 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 von Erleichterungen, wenn ihre Insolvenzreife auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist: Sie können einerseits unter den Schutzschirm schlüpfen, auch wenn sie zahlungsunfähig. Andererseits gelten für sie die geringeren Anforderungen an die Beantragung des Eigenverwaltungsverfahrens über den 31. Dezember 2020 hinaus fort.
Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht über den 31. Januar 2021 zu erwarten?
Im Zuge der Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht hatte der Gesetzgeber seinen Willen Kund getan, die Insolvenzantragspflicht über das Jahresende hinaus nicht verlängern zu wollen.
Nun kommt es anders: Mit der weiteren Aussetzung der Insolvenzantragspflicht reagiert der Gesetzgeber auf die Schwierigkeiten bei der Auszahlung der November- und Dezemberhilfen. Es ist noch unklar, wie lange die Auszahlung der Hilfen noch andauern wird und ob die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht um einen Monat ausreichen wird. Rechtssicherheit gibt dieser kurze Insolvenzaussetzungszeitraum daher kaum, nur einen kleinen Aufschub.
Praxistipp: Insolvenzantragspflicht genau prüfen!
Geschäftsführer dürfen sich nicht blind auf die vermeintlich weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlassen. Sie müssen genau prüfen, ob sie die Voraussetzungen für die Beantragung der Hilfen erfordern und ob die Gewährung der Hilfe ausreicht, um vorhandene Liquiditätslücken zu schließen. Wird der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, drohen dem Geschäftsleiter nicht nur erhebliche Haftungsrisiken, sondern sogar die Strafbarkeit.
In unserer Blogreihe „Coronavirus: Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft″ informieren wir Sie über die getroffenen Hilfsmaßnahmen, deren Wirksamkeit und die sonst zu berücksichtigenden unternehmerischen „Stolpersteine″, die das Coronavirus mit sich gebracht hat. Bisher erfolgt sind Beiträge zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und wie dies bei M&A-Transaktionen hilft, zum COVInsAG, zum Kurzarbeitergeld und der Kurzarbeitergeldverordnung sowie den Auswirkungen auf Kreditverträge. Es folgten Beiträge zu den steuerlichen Auswirkungen, zu EU-Beihilfemöglichkeiten, zum Schutz vor Kündigungen von Wohn- und Geschäftsräumen und Mietverhältnissen allgemein sowie zum Wirtschaftsstabilisierungsfond und damit verbundenen, offenen Fragen zum WSF. Weiter beschäftigten wir uns mit dem Erlass des BMI zu bauvertraglichen Fragen, mit Finanzhilfen für Unternehmen, den Fördermöglichkeiten und mit den steuerliche Maßnahmen, mit Cash-Pooling und dem Gesetz zum Darlehensnehmerschutz sowie den alternativen Wegen zur Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratssitzungen.
Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center auf unserer Website. Und mit unserem Quick Check Wirtschaftsstabilisierungsfonds können Sie in kürzester Zeit herausfinden, ob Ihr Unternehmen für eine Stabilisierungsmaßnahme des WSF in Betracht kommen könnte. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und zu den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie unser CMS Response Team jederzeit gerne an.