International tätige Unternehmer riskieren bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht oder Verbrauchervertragsrecht ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen.
Im Mai letzten Jahres sind zwei Ordnungswidrigkeitstatbestände in Kraft getreten, die es in sich haben. In beiden Fällen geht es um die Verletzung von dem Zivilrecht unterfallenden Pflichten, die neuerdings auch mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts verfolgt werden dürfen.
Der Anwendungsbereich der Bußgeldtatbestände ist weit: So drohen etwa bei irreführender Werbung, fehlerhaften Bestellbestätigungen oder unwirksamen AGB-Klauseln für europaweit tätige Unternehmen empfindliche Bußgelder.
Die Ahndung dieser Ordnungswidrigkeitstatbestände erfolgt im Rahmen einer sog. koordinierten Durchsetzungsmaßnahme. Dies bedeutet, dass verschiedene Behörden aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten bei der Ahndung der Tat zusammenarbeiten. Ein solches Verfahren ist komplex und stellt die Behörden vor erhebliche praktische Schwierigkeiten. Ein Freifahrtschein für europaweit tätige Unternehmen ist dies jedoch nicht. Es ist davon auszugehen, dass sich mittelfristig eine feste Verfahrenspraxis der zuständigen Behörden bilden wird.
Die neuen Ordnungswidrigkeitstatbestände stellen systematisches Neuland dar und sind damit von rechtstheoretischem Interesse. Durch die beiden Neuregelungen ergeben sich für Unternehmer* erhebliche Risiken, wegen einer Pflichtverletzung im Wettbewerbsrecht einerseits (§ 19 UWG) bzw. im E-Commerce-Recht andererseits (Art. 246e § 2 EGBGB) von den zuständigen Behörden belangt zu werden.
Der Wind für Unternehmer wird also rauer, die drohenden Bußgelder sind immens. Zeit, sich mit diesen Ordnungswidrigkeitstatbeständen im Detail zu befassen.
§ 19 UWG eröffnet den zuständigen Behörden weitreichende Möglichkeiten, gewisse Wettbewerbsverstöße auf Grundlage des öffentlichen Rechts zu sanktionieren
So wurde mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht am 28. Mai 2022 u.a. das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) umfassend reformiert.
Teil dieser Reform war auch die Einführung eines neuen Ordnungswidrigkeitstatbestandes in § 19 UWG n.F. Bei Verstößen gegen Verbraucherinteressen drohen seitdem empfindliche Geldbußen, die im Einzelfall durchaus Millionenhöhe erreichen können. Zwar war der Schutz von Verbraucherinteressen schon immer ein wesentlicher Zweck des Wettbewerbsrechts. Der neue Ansatz stellt jedoch eine Abkehr von der bisherigen wettbewerblichen Praxis dar, in der unlautere geschäftliche Handlungen nahezu ausschließlich durch Mitbewerber oder Verbände auf Grundlage des Zivilrechts angegriffen werden konnten.
Insbesondere bei irreführenden geschäftlichen Handlungen drohen Bußgelder
Nach § 19 Abs. 1 UWG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5c Abs. 1 UWG Verbraucherinteressen verletzt. Die Ordnungswidrigkeit kann folglich nur im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern (B2C) begangen werden.
Die gesondert geschützten Verbraucherinteressen listet § 5c Abs. 2 UWG abschließend auf.
Hierzu zählen u.a. sämtliche Verstöße gegen die in der sog. „schwarzen Liste“ im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG aufgezählten Verbote. Zudem erfasst § 5c Abs. 2 Nr. 2 UWG aggressive geschäftliche Handlungen gem. § 4a Abs. 1 UWG.
Neben diesen eher seltenen und besonders schwerwiegenden Wettbewerbsverstößen fallen allerdings gem. § 5c Abs. 2 Nr. 3 UWG auch irreführende geschäftliche Handlungen nach § 5 Abs. 1 UWG oder § 5a Abs. 1 UWG unter die gesondert geschützten Verbraucherinteressen. Ohnehin ist bspw. bei Werbemaßnahmen stets penibel auf die konkrete Formulierung zu achten, da die Schwelle zur Irreführung leicht bereits durch Ungenauigkeiten überschritten wird. Der Umstand, dass irreführende Werbung durch die neuen §§ 5c und 19 UWG sogar den Rang einer Ordnungswidrigkeit, die mit hohen Geldbußen geahndet werden kann, erreicht, erfordert daher gesteigerte Aufmerksamkeit.
Besonders weitgehend ist der Schutz der Vorschrift auch deshalb, weil es nicht darauf ankommt, inwieweit die Verletzung der Verbraucherinteressen tatsächliche Schäden angerichtet hat.
Online ist die Schwelle zum weit verbreiteten Verstoß schnell überschritten
Nicht jede einfache Verletzung von Verbraucherinteressen eröffnet den Anwendungsbereich der Ordnungswidrigkeit. Vielmehr verlangt § 5c Abs. 1 UWG einen „weitverbreiteten“ Verstoß oder einen „weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension“.
§ 5c UWG nimmt dabei ausdrücklich Bezug auf die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz ([EU] 2017/2394). Diese definiert in Art. 3 Nr. 3 einen weitverbreiteten Verstoß und in Art. 3 Nr. 4 einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension.
Danach ist ein weitverbreiteter Verstoß kurz gesagt jede Handlung, die gegen Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen in mind. drei Mitgliedstaaten der EU verstößt und die Kollektivinteressen von Verbrauchern schädigt.
Ob ein weitverbreiteter Verstoß mit Unions-Dimension vorliegt, der mind. zwei Drittel der Mitgliedstaaten betreffen muss, kann angesichts der identischen Rechtsfolgen in aller Regel dahinstehen und höchstens im Rahmen der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen sein.
Diese Anforderungen sind bei im Internet abrufbaren Inhalten besonders leicht erfüllt. Die Gefahr ist darin begründet, dass Inhalte im Internet i.d.R. weltweit abrufbar sind und damit alle Mitgliedstaaten der EU betreffen. Die Rechtsprechung lässt diese bloß theoretische Abrufbarkeit allerdings zu Recht nicht genügen, sondern stellt darauf ab, wo sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß auswirken soll (vgl. BGH, Urteil v. 30. März 2006 – I ZR 24/03). Zur Beantwortung dieser Frage wurden höchstrichterlich diverse Faktoren entwickelt. Das Land des bestimmungsgemäßen Abrufs der Internetseite ergibt sich daher bspw. anhand der verwendeten Sprache (vgl. BGH, Urteil v. 13. Oktober 2004 – I ZR 163/02), der Telefon- oder Telefaxnummern mit der jeweiligen Landesvorwahl (vgl. EuGH, Urteil v. 7. Dezember 2010 – Rs. C-585/08 und Rs. C-144/09) oder aus der Wiedergabe von Bewertungen von Kunden, die überwiegend aus einem Land stammen (vgl. EuGH, Urteil v. 7. Dezember 2010 – Rs. C-585/08 und Rs. C-144/09). Die in einem Online-Shop angegebene Währung kann in der EU nur dann als Indikator gelten, wenn eine Zahlung nicht in Euro, sondern bspw. in Schwedischen Kronen verlangt wird.
Angesichts dessen können bereits unpräzise formulierte Werbeaussagen auf einer Website zu einer Irreführung der Verbraucher und somit zu einem weitverbreiteten Verstoß führen. Im schlimmsten Fall drohen sogar bei derartigen, oftmals nur kleinen Fehlern Geldbußen.
Bei Angeboten, die sich nur an Kunden in Deutschland richten, empfiehlt es sich daher, auf diesen Umstand auch deutlich hinzuweisen. So kann ein bestimmungsgemäßer Abruf in einer Vielzahl der Mitgliedstaaten gewährleistet und somit die Gefahr eines weitverbreiteten Verstoßes gebannt werden.
Bei Verstoß drohen gem. § 19 UWG erhebliche Bußgelder – auch dem Geschäftsführer
Die Brisanz des neu eingeführten § 19 UWG ergibt sich nicht bloß aus dem breiten rechtlichen Anwendungsbereich, sondern insbesondere aus der Höhe der drohenden Bußgelder. Als Regelfall bestimmt § 19 Abs. 2 S. 1 UWG eine Geldbuße von bis zu EUR 50.000. Diese kann nach § 19 Abs. 2 S. 5 UWG nicht nur ein handelndes Unternehmen, sondern bspw. auch den Geschäftsführer einer GmbH persönlich treffen (vgl. BT- Drucksache 19/27873, S. 43).
Noch erheblicher können die Geldbußen gem. § 19 Abs. 2 S. 2 UWG gegenüber einem Unternehmer ausfallen, der in den von dem Verstoß betroffenen Mitgliedstaaten im vorausgegangenen Geschäftsjahr mehr als EUR 1,25 Millionen Jahresumsatz erzielt hat. Die Geldbuße kann dort bis zu 4 % des Jahresumsatzes betragen. Im Gegensatz zu Art. 83 DSGVO, dem Ordnungswidrigkeitstatbestand für Datenschutzrechtsverletzungen, bezieht sich die prozentuale Geldbuße nicht auf den weltweiten Umsatz, sondern „lediglich“ auf den Umsatz im betroffenen Mitgliedstaat.
Juristisch ist bisher ungeklärt, welchen Unternehmensbegriff § 19 Abs. 2 UWG zugrunde legt. Für betroffene Unternehmen wäre es besonders nachteilig, wenn auch hier der aus dem Kartellrecht bekannte sog. funktionale Unternehmensbegriff gälte. Hier käme es bei der Bemessung des Jahresumsatzes nicht bloß auf den des agierenden Unternehmens selbst, sondern auch auf den aller verbundenen (Tochter-)Unternehmen an. Jedenfalls im Rahmen des Art. 83 DSGVO, der mit dem neuen § 19 UWG zwar nicht gänzlich, aber doch in Grundzügen vergleichbar ist, wird auf den funktionalen Unternehmensbegriff abgestellt (vgl. Gola in: Gola/Heckmann, 3. Aufl. 2022, DSGVO Art. 83 Rn. 23).
Die Höhe der letztlich verhängten Geldbuße liegt im Ermessen der Behörde. Gem. § 19 Abs. 4 Nr. 1 UWG ist das Umweltbundesamt zuständig. Bei der Ermessensausübung erscheint ein Rückgriff auf die in Art. 13 Abs. 2 UGP-RL (2005/29/EG) genannten Faktoren naheliegend. Danach sind u.a. die Art, die Schwere, der Umfang und die Dauer des Verstoßes zu berücksichtigen.
Koordinierte Durchsetzungsmaßnahme
Gem. § 19 Abs. 3 UWG kann ein Verstoß nur im Wege einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme nach Art. 21 der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz ([EU] 2017/2394) geahndet werden.
Nachdem die rein rechtliche Betrachtung eine Flut von Geldbußen vermuten ließ, kann aufgrund der Schwierigkeiten bei der verfahrenstechnischen Umsetzung jedenfalls vorerst etwas Entwarnung gegeben werden. Die Verhängung von Geldbußen auf Grundlage des § 19 UWG verlangt eine koordinierte Zusammenarbeit verschiedener nationaler Behörden der Mitgliedstaaten und ist somit jedenfalls in der faktischen Umsetzbarkeit durch erhebliche Hürden beschränkt.
Nach Art. 17 der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz ([EU] 2017/2394) leiten die von dem Verstoß betroffenen zuständigen Behörden eine koordinierte Aktion ein, wenn ein begründeter Verdacht auf einen weitverbreiteten Verstoß besteht. Die erste verfahrensbedingte Einschränkung der Wirksamkeit der koordinierten Durchführungsmaßnahme liegt darin, dass Art. 18 der Verordnung weitreichende Möglichkeiten der Behörden vorsieht, die Teilnahme an der koordinierten Durchführungsmaßnahme zu verweigern. Dies ist bspw. möglich, wenn wegen des Verstoßes bereits ein Gerichtsverfahren anhängig ist (Art. 18 Abs. 1a), was aufgrund der weiterhin bestehenden zivilrechtlichen Ahndungsmöglichkeiten häufig der Fall sein wird, oder wenn der Verstoß nach Einschätzung der Behörde nur vernachlässigbare Auswirkungen im Mitgliedstaat hat (Art. 18 Abs. 1c).
Die Behörden können zudem nach Art. 20 der Verordnung von der Geldbuße absehen, wenn das Unternehmen der Behörde die Einstellung des Verhaltens zugesagt hat. Diese Zusage kann nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung durch die Behörden oder die Kommission veröffentlicht werden. Hier bietet sich betroffenen Unternehmen die Möglichkeit, den drohenden materiellen Schaden in Form einer erheblichen Geldbuße durch einen bloßen Imageschaden zu ersetzen.
Auch aufgrund dieser verfahrenstechnischen Einschränkungen geht der Gesetzgeber von nur wenigen koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen aus und prognostiziert ein Verfahrensaufkommen in nur mittlerem einstelligem Bereich (vgl. BT-Drucksache 19/27873, S. 29).
Ordnungswidrigkeitstatbestand von Art. 246e § 2 EGBGB: Ahndung verbraucherschutzwidrigen Verhaltens
Doch nicht nur das UWG, auch das auf Verbraucherverträge anwendbare Recht wurde verschärft. Mit dem anlässlich der Umsetzung der sog. „Omnibus-Richtlinie“ neu eingeführten Art. 246e § 2 EGBGB existiert ein weiterer Ordnungswidrigkeitstatbestand. Mit Art. 246e § 2 EGBGB wird verbraucherschutzwidriges Verhalten mit Mitteln des öffentlichen Rechts (Auferlegung eines Bußgelds) sanktioniert. Letztlich soll dies die Effektivität des Verbraucherschutzes erhöhen. Mit einem dem öffentlichen Recht unterliegenden Ordnungswidrigkeitenverfahren werden die Schwierigkeiten einer zivilrechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen (Darlegungs- und Beweislast des klagenden Verbrauchers, Kostenrisiken) vermieden und Risiken für Unternehmer erhöht.
Gleichzeitig sieht Art. 246e § 2 EGBGB mit einer Bußgeldhöhe von max. 4 % des Jahresumsatzes einen sehr hohen Bußgeldrahmen vor.
Art. 246e § 2 EGBGB ähnelt in seiner Struktur und seinen Tatbestandsvoraussetzungen dem in § 19 UWG geregelten Ordnungswidrigkeitstatbestand. Nachfolgend werden daher nur die Unterschiede, die sich im Vergleich zu der Parallelregelung § 19 UWG bei der Ordnungswidrigkeit gem. Art. 246e § 2 EGBGB ergeben, soweit sie für Unternehmer von Interesse sind, vorgestellt.
Art. 246e § 2 EGBGB verlangt jedenfalls fahrlässigen Verstoß gegen Verbraucherinteressen
Gem. Art. 246e § 2 Abs. 1 EGBGB handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Art. 246e § 1 Abs. 1 EGBGB Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen nach Art. 246e § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 EGBGB verletzt.
Damit sind nunmehr bestimmte grenzüberschreitende Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften ordnungswidrig.
Wie § 19 UWG betrifft auch Art. 246e EGBGB den B2C-Bereich. In persönlicher Hinsicht erfasst die Norm damit Unternehmer.
Verletzung von Verbraucherinteressen
Welche Verletzungen von Verbraucherinteressen im Einzelnen ordnungswidrig sind, ergibt sich aus Art. 246e § 1 EGBGB und dort insbesondere aus der Auflistung in Abs. 2.
Tatbestandsmäßig sind daher u.a.
- die Geltendmachung von nach § 241a Abs. 1 BGB nicht begründeten Ansprüchen (d.h. das Verlangen von Zahlungen für Leistungen oder Waren, die der Verbraucher nicht bestellt hatte; Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB),
- die Empfehlung oder Verwendung von gem. § 309 BGB unwirksamen AGB sowie solchen AGB, deren Empfehlung oder Verwendung gegenüber Verbrauchern dem Unternehmer durch rechtskräftiges Urteil untersagt wurde (Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB),
- verschiedene Verstöße im Zusammenhang mit der Anbahnung und dem Abschluss von Verbraucherverträgen gem. § 312a BGB (Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 3 bis 6 EGBGB),
- das Verlangen von Kostenerstattung entgegen § 312e BGB (d.h. bei Verletzung von Informationspflichten über bestimmte Kosten, Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 7 EGBGB),
- die Verletzung von Dokumentationspflichten gem. § 312f Abs. 1 S. 1, ggf. i.V.m. S. 2, und Abs. 2 BGB (Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 8 EGBGB),
- die Verletzung bestimmter Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr gem. 312j Abs. 2 BGB (Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 9 EGBGB),
- verschiedene Verletzungen von Vorschriften, die den Verbrauchsgüterkauf regeln (Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 11, 13 und 15 EGBGB), und
- die fehlende Bestätigung des Zugangs eines Widerrufs (§ 356 Abs. 1 S. 2 BGB) sowie die weitere Nutzung (bzw. fehlende Bereitstellung) der vom Verbraucher zur Verfügung gestellten Inhalte nach Widerruf eines Vertrags über digitale Produkte nach § 327p Abs. 2 und 3 BGB, die fehlende Rückgewähr empfangener Leistungen des Verbrauchers nach § 355 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 357 Abs. 1 bis 3 BGB sowie die fehlende Abholung der Ware auf eigene Kosten nach § 357 Abs. 7 BGB (Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 12 EGBGB).
Art. 246 § 1 Abs. 3 EGBGB dehnt den Anwendungsbereich zudem auf Fälle aus, auf die nicht das deutsche Recht, sondern das nationale Recht eines anderen Mitgliedstaats Anwendung findet. Voraussetzung hierfür ist, dass das andere nationale Recht eine Vorschrift enthält, die der jeweiligen in Art. 246 § 1 Abs. 2 EGBGB genannten Vorschrift entspricht. Zu beachten ist, dass dies i.d.R. der Fall sein dürfte, da die von Art. 246 § 1 Abs. 2 EGBGB in Bezug genommenen Vorschriften auf der Umsetzung von unionsrechtlichen Vorschriften beruhen.
In subjektiver Hinsicht muss der Unternehmer bei der Verletzung von Verbraucherinteressen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.
Weitverbreiteter Verstoß Voraussetzung für mögliche Sanktion
Auch im Rahmen von Art. 246e § 2 Abs. 1 EGBGB sind nur solche Verletzungen von Verbraucherinteressen tatbestandsmäßig, die als weitverbreiteter bzw. als Verstoß mit Unions-Dimension zu werten sind.
Wie § 19 UWG verweist auch § 246e §1 Abs. 1 EGBGB auf die Definitionen des weitverbreiteten Verstoßes bzw. des Verstoßes mit Unions-Dimension in Art. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz ([EU] 2017/2394). Insofern kann auf die Darstellung des Tatbestandsmerkmals des „weitverbreiteten Verstoßes“ bzw. des „Verstoßes mit Unions-Dimension“ bei § 19 UWG verwiesen werden.
Rechtsfolge
Sachlich zuständig für die ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung eines Verstoßes gegen Art. 246e § 2 EGBGB ist seit dem 1. August 2022 die Umweltbehörde (Art. 246e § 2 Abs. 4 EGBGB). Hierbei droht die Auferlegung eines Bußgelds. Allerdings setzt die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit eine koordinierte Durchsetzungsmaßnahme nach Art. 21 der Verordnung (EU) 2017/2394 voraus.
Auferlegung eines Bußgelds
§ 246e §2 Abs. 1 EGBGB bestimmt, dass eine Verletzung von Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen mit der Auferlegung eines Bußgelds geahndet wird.
Grds. kann der Verstoß mit einer Geldbuße von bis zu EUR 50.000 geahndet werden (Art. 246e § 2 Abs. 1 und 2 S. 1 EGBGB). Hat der Unternehmer in dem Geschäftsjahr, bevor der Verstoß gegen Art. 246e § 1 EGBGB geahndet wurde, in den von dem Verstoß betroffenen Mitgliedstaaten der EU jedoch mehr als EUR 1,25 Millionen Umsatz gemacht, kann nach Art. 246e § 2 Abs. 2 S. 2 EGBGB eine höhere Geldbuße verhängt werden (max. 4 % des Jahresumsatzes).
Grundlagen für die Bemessung der Geldbuße sind gem. § 17 Abs. 3 OWiG insbesondere die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, sowie dessen wirtschaftliche Verhältnisse.
Erfordernis einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme nach Art. 21 der Verordnung (EU) 2017/2394
Wie bei § 19 UWG kann auch die Ordnungswidrigkeit gem. Art. 246e § 2 EGBGB nur im Rahmen einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme nach Art. 21 der Verordnung (EU) 2017/2394 geahndet werden kann. Auch insofern kann auf unsere Darstellung hierzu im Rahmen von § 19 UWG verwiesen werden.
Die neuen Ordnungswidrigkeitstatbestände im UWG und EGBGB bergen erhebliche Risiken für Unternehmer
Insbesondere für Unternehmer, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, ergeben sich durch die beiden neuen Ordnungswidrigkeitstatbestände Risiken.
Mehr denn je gilt, dass u.a. bei der Formulierung von Werbeaussagen auf Internetseiten erhebliche Vorsicht geboten ist. Hier drohen aufgrund des § 19 UWG nicht mehr nur zivilrechtliche Abmahnungen, sondern auch erhebliche Bußgelder.
Unternehmer sollten – wenn noch nicht geschehen – wegen der vielen Gesetzesänderungen, die vor allem ihr B2C-Geschäft betreffen, ihre gegenüber Verbrauchern eingesetzten allgemeinen Geschäftsbedingungen überprüfen (lassen) und ggf. an die neue Gesetzeslage anpassen. Zudem sollte sichergestellt werden, dass bisher noch andauernde Verstöße gegen die in Art. 246e § 1 Abs. 2 und 3 EGBGB genannten Pflichten unverzüglich abgestellt werden.
In unserer Blogserie „Verbraucherverträge im Digitalzeitalter“ zeigen wir auf, wie die Maßnahmenpakete der EU das europäische Verbraucherschutzrecht fit für das Digitalzeitalter machen sollen. Im ersten Teil fokussierten wir uns auf die hohen Bußgelder für Unternehmer, im zweiten Teil auf Bußgelder bei Verletzungen von Verbraucherschutzvorschriften und Lauterkeitsrecht. Anschließend haben wir uns mit den Änderungen im BGB und den neuen Regelungen der Warenkaufrichtlinie beschäftigt. Weiter sind wir auf Personalized Pricing, das Dual-Quality-Verbot, die Verbandsklage sowie den Individualschadensersatz und das Mängelrecht bei Verträgen über digitale Produkte eingegangen. Zuletzt haben wir uns mit der Abo-Falle und den Vorgaben für die Werbung mit Preisermäßigungen auseinandergesetzt.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.