6. April 2020
Behaltensfrist Lohnsummenregelung
Coronavirus - Handlungsempfehlungen für Unternehmen Steuerrecht

Behaltensfristen und Lohnsummenregelung bei Schenkungen von Betriebsvermögen vor der Corona-Krise  

Die Corona-Krise kann Auswirkungen auf Behaltensfristen und die Lohnsummenregelung haben, z.B. im Falle einer Insolvenz oder dem Abbau von Arbeitsplätzen.

Aufgrund der Corona-Krise befinden sich viele Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen und ungewissen Lage. Es ist mit Gewinneinbrüchen zu rechnen. Die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern ist gefährdet. Offen ist auch, wie es nach der Krise weitergeht. Wurde das Unternehmen vor der Corona-Krise auf die nachfolgende Generation übertragen, besteht in den Familien häufig eine Unsicherheit darüber, ob und wie sich diese wirtschaftlich neue Situation auf eine bereits erfolgte Schenkung auswirkt.

Steuerbegünstigungen bei Schenkungen

Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz sieht für die Übertragung von Betriebsvermögen durch Erbfall und Schenkung Steuerbegünstigungen vor. So kann unternehmerisches Vermögen unter bestimmten Voraussetzungen zu 100 % (sog. „Optionsverschonung″) oder zu 85 % (sog. „Regelverschonung″) steuerfrei übertragen werden.

Diese Steuerbegünstigungen sind von bestimmten nachlaufenden Behaltens- und Lohnsummenregelungen abhängig. Die Behaltens- und Lohnsummenfristen betragen abhängig von der gewährten Steuerbefreiung 5 Jahre (Regelverschonung) oder 7 Jahre (Optionsverschonung). Werden die Behaltensregelung oder die Lohnsummenregelung nicht eingehalten, kann ein (teilweiser) rückwirkender Wegfall der zunächst gewährten Steuerbefreiung drohen.

Behaltensregelungen – Verkauf, Betriebsaufgabe oder Insolvenz führen zur Nachbesteuerung

Nach § 13a Abs. 6 ErbStG und § 13a Abs. 10 ErbStG entfällt eine zunächst gewährte Steuerbegünstigung – anteilig abhängig von der bereits abgelaufenen Frist – unter anderem dann, wenn das Unternehmen verkauft wird oder eine Betriebsaufgabe erfolgt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung ist auch die Insolvenz ein schädlicher Vorgang, der zur Nachbesteuerung führt (R E 13a.13 Satz 3 ErbStR 2019; BFH vom 16. Februar 2005, II R 39/03, BStBl. II 2005, 571). Offen ist die Frage, ob bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein schädlicher Vorgang ausgelöst wird (derzeit anhängig beim Bundesfinanzhof, Az. II R 19/18).

Weiterhin gilt eine Entnahmebeschränkung. Entnahmen führen danach insoweit zu einer Nachversteuerung als sie die Gewinne innerhalb der Behaltensfrist um EUR 150.000,00 übersteigen (sog. Überentnahmen, § 13a Abs. 6 Nr. 3 ErbStG).

Lohnsummenregelung – „zu geringe″ Lohnzahlungen können zur Nachbesteuerung führen

Neben den Behaltensregelungen ist auch eine Lohnsummenregelung zu beachten. Die Lohnsumme muss innerhalb der 5- oder 7-jährigen Lohnsummenfrist 400% (Regelverschonung) bzw. 700% (Optionsverschonung) der sog. Ausgangslohnsumme betragen, wobei bei Betrieben mit weniger als 20 Arbeitnehmern geringere Quoten gelten. Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor der Schenkung (§ 13a Abs. 3 ErbStG).

Wird die geforderte Lohnsumme nicht erreicht, entfällt die gewährte Steuerbegünstigung nicht vollständig, sondern nur in dem Verhältnis, in dem die erforderliche Quote unterschritten wird.

Hintergrund der Lohnsummenregelung ist die mit der Steuerbegünstigung verbundene Intention des Arbeitsplatzerhalts. Das Unternehmen muss deshalb für eine gewisse Zeit nach der Übertragung weiterhin eine bestimmte Summe an Arbeitslöhnen nachweisen.

Auswirkungen der Corona-Krise auf die nachlaufenden Fristen

In vielen Unternehmen kommt es aufgrund der Corona-Krise zu Kurzarbeit. Auch der Abbau von Arbeitsplätzen ist denkbar. Damit ist derzeit nicht absehbar, ob während der Krise oder danach noch ausreichend hohe Arbeitslöhne bezahlt werden, um die Lohnsummenvoraussetzungen einzuhalten.

Im Hinblick auf das Kurzarbeitergeld ist zu beachten, dass der Lohnaufwand durch das dem Arbeitgeber von der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlte Kurzarbeitergeld nicht gekürzt wird (R E 13a.5 Satz 4 ErbStR 2019). Dennoch wird der bezahlte Arbeitslohn im Falle von Kurzarbeit gegenüber dem regulären Arbeitslohn deutlich geringer sein. Im Falle von Entlassungen fällt der Lohnaufwand vollständig aus. Damit besteht bei vielen Unternehmen die Gefahr und die Sorge, dass die Lohnsummenregelung nicht eingehalten werden kann und so für die vor der Krise erfolgte Schenkung nachträglich eine anteilige Steuerfestsetzung erfolgen könnte.

Entsprechende Sorge besteht im Falle einer denkbaren Insolvenz. Denn nach aktueller Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung würde eine Insolvenz innerhalb der Behaltensfrist zum Verstoß gegen die Behaltensregelung und damit zu einer anteiligen Steuerzahlung für die erfolgte Schenkung führen.

Werden im Zuge der Krise das Unternehmen oder Teile des Unternehmens verkauft um neue Liquidität zu erhalten, stellt dies grundsätzlich ebenfalls einen Verstoß gegen die Behaltensregelungen dar.

Schenkungsvertrag auf Rückübertragungsmöglichkeit prüfen

Schenkungsverträge enthalten regelmäßig Rückforderungsrechte für den Fall, dass die Behaltensregelungen oder die Lohnsummenregelung nicht eingehalten werden und deshalb nachträglich eine Steuer festgesetzt wird. Wird eine Schenkung aufgrund einer solchen im Schenkungsvertrag angelegten Rückübertragungsmöglichkeit zurückgefordert, kann die Schenkung als solche schenkungsteuerrechtlich rückgängig gemacht werden, so als ob sie nicht erfolgt wäre (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Es sollte deshalb geprüft werden, ob der Schenkungsvertrag eine entsprechende Rückübertragungsmöglichkeit vorsieht.

Sollte eine Rückforderungsmöglichkeit dem Grunde nach bestehen, sollte geprüft werden, ob eine Rückforderung tatsächlich gewünscht und die Schenkung zu einem späteren Zeitpunkt erneut erfolgen soll. Bei der Abwägung ist auch die bereits abgelaufene Zeit und die Höhe einer eventuellen Nachsteuer miteinzubeziehen. Darüber hinaus sollten weitere Konsequenzen der Rückforderung, wie z.B. die ertragsteuerrechtlichen Folgen, geprüft werden.

Verstoß gegen die Lohnsummenregelung erst nach Ablauf der Lohnsummenfrist bekannt

Im Hinblick auf die Rückübertragungsmöglichkeit aufgrund Verstoßes gegen die Lohnsummenregelung ist eine Prüfung erst nach Ablauf der 5- oder 7-Jahresfrist möglich. Denn erst dann wird klar sein, ob weniger als die erforderliche Lohnsumme bezahlt wurde und deshalb eine Steuer festgesetzt wird.

Schenkungsverträge sehen meist keine Rückübertragungsklauseln vor, die bereits bei einem Risiko des Verstoßes gegen eine Behaltensregelung eine Rückübertragung ermöglichen. Damit dürfte zum aktuellen Zeitpunkt allein aufgrund der Krise keine Rückgängigmachung der Schenkung in Betracht kommen.

In der aktuellen Krisensituation dürfte auch in vielen Fällen noch nicht absehbar sein, wie sich die Löhne nach der Krise entwickeln. Unter Umständen kann ein Jahr, in dem nur geringe Löhne bezahlt werden, durch andere Jahre mit entsprechend höheren Löhnen ausgeglichen werden. Denn maßgebend ist die Summe der Löhne im Lohnsummenzeitraum und nicht das einzelne Jahr. Zudem ist zu beachten, dass die Vergleichslohnsumme nach der Schenkung mit der Durchschnittslohnsumme der 5 Jahre vor der Schenkung zu vergleichen ist. Bei einem unter Umständen höheren Lohngefüge ist dies nicht anzupassen. Es erfolgt keine Inflationsbereinigung. Ausschlaggebend ist zudem allein die bezahlte Lohnsumme, die Anzahl der Arbeitnehmer ist dagegen nicht relevant.

Rechtzeitig vor Ablauf des Lohnsummenzeitraums sollte die Höhe der Lohnsumme geprüft werden – dies gilt im Übrigen für alle Schenkungen und unabhängig von der Krisensituation. Unter Umständen kann im Einzelfall durch Gestaltungsmaßnahmen die Lohnsumme so erhöht werden, dass die geforderte Summe erreicht wird.

Rückgängigmachung der Schenkung im Falle der Insolvenz oder eines Verkaufs

Sollte das Unternehmen innerhalb der Behaltensfrist in die Insolvenz geraten, kann sich eine Rückübertragung aufgrund einer entsprechenden Klausel im Schenkungsvertrag anbieten. In diesem Fall könnte zumindest eine Steuerbelastung durch eine nachträglich festgesetzte Schenkungsteuer vermieden werden. Entsprechendes gilt bei einem Verkauf.

Sog. Überentnahmen als weiteres Risiko

Schließlich ist es denkbar, dass die Gewinne in der Krise nicht mehr ausreichen, die für den privaten Bedarf erforderliche Liquidität zu decken und Entnahmen aus den thesaurierten Gewinnen der Vergangenheit erfolgen müssen, welche die zulässigen EUR 150.000 übersteigen.

Rechtzeitig vor Ablauf der Behaltensfrist sollte deshalb die Höhe der im Behaltenszeitraum getätigten Entnahmen geprüft werden. Soweit sog. Überentnahmen vorliegen, kann eine Steuernachzahlung unter Umständen durch eine Einlage vor Ende der Behaltensfrist ausgeglichen werden, sofern dann entsprechende Mittel vorhanden sind.

Was ist zu tun, wenn noch keine Steuererklärung eingereicht wurde bzw. noch kein Antrag auf Optionsverschonung gestellt wurde?

Falls für eine getätigte Schenkung bisher noch keine Schenkungsteuererklärung eingereicht wurde, steht der Unternehmer vor der Frage, ob er die Optionsverschonung oder die Regelverschonung mit den jeweils unterschiedlich laufenden Fristen und den unterschiedlichen Anforderungen an die Lohnsumme beantragen soll.

Die Optionsverschonung ist nur auf der Grundlage eines unwiderruflichen Antrags möglich.

Unter Umständen kann zunächst die Einreichung der Steuererklärung aufgrund der Krisensituation durch Antrag auf Fristverlängerung hinausgezögert werden. Die Finanzverwaltung gewährt im Zuge der Corona-Krise großzügigere Fristverlängerungen. Weiterhin könnte auch der Antrag selbst durch Offenhalten des Steuerbescheides soweit als möglich in die Zukunft verlagert werden, um die weitere Entwicklung des Unternehmens nach der Krise abzuwarten. Nachteil an dieser Vorgehensweise wäre, dass zunächst (nur) die Regelverschonung zur Anwendung kommen würde und deshalb zunächst eine Steuer bezahlt werden müsste. Jedoch kann nach Ablauf einer gewissen Zeit deutlich besser beurteilt werden, wie sich die Lohnsumme entwickeln könnte und ein Antrag sinnvoll ist oder nicht.

Ergänzende staatliche „Rettungs-„Maßnahmen wären wünschenswert

In Anbetracht der bisher aufgelegten staatlichen Rettungsmaßnahmen für Unternehmen wäre es naheliegend, auch im Hinblick auf einen aufgrund der staatlichen Anordnungen nicht selbstverschuldeten Rückgang der Lohnsumme oder eine nicht selbst verschuldete Insolvenz keine nachträglichen Steuerzahlungen von den Unternehmern zu fordern.

Anders als bei den bisher aufgelegten Rettungsmaßnahmen würde ein Verzicht auf nachträgliche Steuerzahlungen keinen unmittelbaren Liquiditätsaufwand des Staates bedeuten. Der Staat würde vielmehr auf Steuerzahlungen verzichten, die er ohne Eintritt der Krise und der in diesem Zusammenhang staatlich verordneten Maßnahmen so nicht erhalten hätte.

Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, dass zusätzlich zu den bereits gewährten Erleichterungen auch in dieser Hinsicht Entlastungen für die Unternehmer in Aussicht gestellt werden. Um die Situation der Unsicherheit und Nervosität zu beseitigen, wäre eine frühzeitige Entscheidung für eine solche Maßnahme wünschenswert, wobei nicht übersehen werden darf, dass selbstverständlich Maßnahmen, die erforderlich sind, um kurzfristige „Probleme″ der Wirtschaft zu lösen, vorrangig sind.

In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu  Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tips Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtliche) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren uns Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld, sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüsse. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat und zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte


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