Wir stellen sechs Aspekte vor, die bei der Due Diligence im Vorfeld eines Unternehmenskaufs in Zeiten der Corona Krise zu beachten sind.
Bei der Einschätzung und Abwägung von Risiken im Vorfeld eines Unternehmenskaufs spielt die Due Diligence eine entscheidende Rolle. Ziel der (legal) Due Diligence ist insbesondere, rechtliche Risiken zu identifizieren und diese einzupreisen.
Für die Durchführung der Due Diligence ist der Erwerber auf die Zurverfügungstellung von Informationen seitens des Veräußerers angewiesen. In der Regel übermittelt der Erwerbsinteressent dem Veräußerer zu Beginn der Due Diligence eine Anforderungs- und Fragenliste. Auf deren Grundlage werden die entsprechenden Unterlagen bereitgestellt und sodann vom Erwerber bzw. dessen Beratern geprüft. In Krisenzeiten kann es geboten sein, diese Fragen zu erweitern (sog. „enhanced Due Diligence″), um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Zielunternehmen besser einschätzen zu können. Vor allem beim Erwerb von Unternehmen aus Branchen, die direkt und besonders schwer von der Krise betroffen sind, wie z. B. Einzelhandel, Tourismus und Gastronomie, ist ein risikobasierter Ansatz angezeigt. Wir möchten sechs Aspekte vorstellen, die aus unserer Sicht bei einer Due Diligence in Krisenzeiten beachtenswert sind. Selbstverständlich können die hier angesprochenen Punkte lediglich eine erste Orientierung bieten und müssen stets auf das konkrete Zielunternehmen angepasst werden.
1. Krisenmanagement des Zielunternehmens
Das Risiko- und Krisenmanagement eines Unternehmens ist regelmäßig „Chefsache„, was bedeutet, dass in erster Linie die Geschäftsführung des Unternehmens dafür verantwortlich ist. Wie dieses genau auszusehen hat, hängt unter anderem von der Größe und Branche des jeweiligen Unternehmens ab. Strukturelle Missstände können jedoch haftungsrelevant sein und sollten frühzeitig identifiziert werden.
Mit Blick auf die kurz- und mittelfristige Planung der Bewältigung der Krise kann in diesem Zusammenhang z. B. gefragt werden:
- Wie und durch wen werden die Auswirkungen von COVID-19 auf das Unternehmen sowie die Einhaltung der damit zusammenhängenden Gesetze und Verordnungen überwacht?
- Gibt es im Unternehmen Notfallpläne/Betriebsfortsetzungspläne? Falls ja, stellen Sie diese bitte zur Verfügung.
- Wie ist sichergestellt, dass die Geschäftsleitung stets handlungsfähig bleibt, auch wenn Teile der Geschäftsleitung krankheitsbedingt ausfallen (Lösung über Stellvertreter, Vollmachten etc.)?
- Wie wird mit wichtigen Vertragspartnern des Unternehmens (z. B. Lieferanten, Kunden oder Kreditgebern) kommuniziert?
2. Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs
Viele Unternehmen stehen während der Krise teilweise oder vollständig still. Grundlage der Kaufpreisberechnung bei einem Unternehmenskauf sind naturgemäß Finanzdaten aus der Vergangenheit, die nun jedoch weniger aussagekräftig sein können. Möglichst frühzeitig im Erwerbsprozess sollte daher geklärt werden, ob und inwiefern der aktuelle Geschäftsbetrieb aufrechterhalten wird. Daher bietet es sich etwa an, folgende Fragen zu stellen:
- Wird das Unternehmen derzeit vollumfänglich fortgeführt? Falls nein, auf welcher Grundlage, in welchem Umfang und seit wann ist der Betrieb eingeschränkt?
- Gibt es Vorkehrungen zur Sicherstellung der Betriebskontinuität?
- Enthalten die für das Unternehmen wesentlichen Verträge Klauseln zu höherer Gewalt (sog. „force majeure Klauseln„)? Bitte legen Sie diese Verträge vor.
- Sofern Teile des Betriebs durch Dritte betrieben werden oder im Übrigen Mietverhältnisse, andere Nutzungsverträge oder Dauerschuldverhältnisse (z.B. Lieferverträge) mit Dritten bestehen:
- Werden die jeweiligen Miet-/Pachtzahlungen weiterhin geleistet?
- Wurden mit Blick auf die COVID-19-Pandemie besondere Vereinbarungen mit den Vertragspartnern getroffen?
- Hat es bereits Störungen von Vertragsbeziehungen gegeben (z.B. Lieferverzögerungen, Lieferausfälle o.Ä.)?
- Gibt es in diesem Zusammenhang bereits Streitigkeiten mit Vertragspartnern?
3. Mitarbeiter
Auch wenn die Politik in Deutschland den „Lock-down″ mittlerweile Schritt für Schritt lockert, sind Themen wie Kurzarbeit weiterhin in aller Munde. Aber auch der Schutz von Mitarbeitern dürfte relevant sein, nicht zuletzt, weil es sich dabei um ein potentielles Haftungsthema handelt.
Die üblichen Due Diligence Fragen könnten insoweit wie folgt ergänzt werden:
- Gab es im Unternehmen bereits bestätigte Corona-Fälle?
- Wurden gegenüber Arbeitnehmern von den zuständigen Behörden bereits Quarantänemaßnahmen angeordnet (z. B. aufgrund Kontaktes mit Corona-Infizierten)?
- Gibt es Arbeitnehmer, die wegen notwendiger Kinderbetreuung der Arbeit aktuell fernbleiben? Falls ja, wie viele?
- Gibt es Arbeitnehmer, die aus anderen Ländern pendeln und infolge der COVID-19-Pandemie aktuell nicht mehr zur Arbeit erscheinen können?
- Wurden/werden aktuell Urlaubsansprüche und Zeitguthaben der Arbeitnehmer abgebaut?
- Wurde im Unternehmen Kurzarbeit eingeführt? Wenn ja, wird das Kurzarbeitergeld auf freiwilliger Basis seitens des Unternehmens aufgestockt? Wenn ja, wie hoch ist die Aufstockung?
- Ist aufgrund der aktuellen Lage bereits absehbar, dass strukturelle Maßnahmen (insbesondere betriebsbedingte Kündigungen) erforderlich sein werden?
- Bestehen oder drohen Rechtsstreitigkeiten aufgrund von COVID-19-bedingten Kündigungen?
4. IT/Datenschutz
Werden bei der Durchführung von Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie im Unternehmen personenbezogene Daten (z.B. Mitarbeiter- oder Kundendaten) verarbeitet, sind die jeweiligen Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Datenschutz zu prüfen. Da ein Erwerber auch für Datenschutzverstöße des Zielunternehmens in der Vergangenheit haftet, ist eine sorgfältige Datenschutzprüfung – gerade im Hinblick auf Maßnahmen, die in der krisenbedingten Hektik getroffenen worden sind – ratsam. Auch das Arbeiten im Home-Office kann Unternehmen vor IT- und datenschutzrechtliche Probleme stellen. Es sollte insbesondere geprüft werden, ob das Zielunternehmen ausreichende technische und organisatorische Maßnahmen für ein angemessenes Datenschutzniveau eingerichtet hat.
Die Klärung unter anderem folgender Fragen scheint diesbezüglich ratsam:
- Welche datenschutzrechtlich relevanten Maßnahmen wurden im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie durchgeführt (z. B. Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten – etwa Gesundheitsdaten und Aufenthaltsorte von Mitarbeitern – zur Identifizierung von Corona-Erkrankungen, Fiebermessungen, Einsatz von Wärmebild-Kameras)?
- Wurden Datenschutzkonzepte und -dokumentationen sowie sonstige Datenschutzunterlagen (z.B. Verarbeitungsverzeichnis und Informationsblätter) aufgrund der Durchführung von Corona-bedingten Maßnahmen angepasst? Wenn ja, stellen Sie die jeweiligen Unterlagen bitte zur Verfügung.
- Welche IT-Sicherheitsmaßnahmen wurden im Hinblick auf das Arbeiten im Home-Office eingerichtet? Bitte stellen Sie die diesbezüglichen IT-Sicherheitsrichtlinien zur Verfügung.
- Verfügt das Unternehmen über ausreichende Nutzungsrechte an Soft- und Hardware-Produkten, die im Home-Office genutzt werden? Bitte stellen Sie die entsprechenden Soft- und Hardwareverträge zur Verfügung.
- Welche IT-Maßnahmen wurden durchgeführt, um den aufgrund des Home-Office gesteigerten Anforderungen an das IT-System des Unternehmens gerecht zu werden (z. B. Erhöhung der Anzahl an VPN Tunneln)?
5. Hilfspakete des Staates
Auch subventionsrechtliche Fragen sind oftmals Teil einer Due Diligence. Dabei wird unter anderem untersucht, ob staatliche Hilfen unrechtmäßig beantragt wurden und daher Rückzahlungsansprüche gegen das Zielunternehmen drohen. Beim Erwerb größerer Unternehmen können auch ggf. bestehende staatliche Eingriffsbefugnisse nach Inanspruchnahme von Geldern aus dem Wirtschaftsstabilitätsfonds relevant sein.
Diesbezüglich kann in Zeiten von COVID-19 etwa gefragt werden:
- Wurden staatliche (Hilfs-)Gelder aufgrund oder im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beantragt? Sofern dies der Fall ist, stellen Sie bitte alle damit im Zusammenhang stehenden Dokumente zur Verfügung (z. B. Antragsunterlagen, Bewilligungsbescheide usw.).
6. Zukunftsfähigkeit des Unternehmens
Selbstverständlich ist es nicht möglich, alle (rechtlichen) Auswirkungen der sich dynamisch entwickelnden Krise auf das Zielunternehmen vorherzusehen. Dies ist auch nicht primäre Aufgabe der Due Diligence, die vor allem den „Status Quo″ des Zielunternehmens untersucht. Dennoch kann es angebracht sein, etwa folgende Fragen zu stellen:
- Welche (direkten und indirekten) Auswirkungen auf das Unternehmen durch die COVID-19-Pandemie sind zu erwarten?
- Ist eine Anpassung der Gewinnerwartungen aufgrund der COVID-19-Pandemie erforderlich? Bitte teilen Sie uns mit, wie sich die Pandemie auf die Prognosen für die kommenden Monate auswirkt.
- Wurden aufgrund der aktuellen Krise die bestehenden Pläne zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens (z.B. Investitionen, Umstrukturierungen) geändert oder ist mit solchen Änderungen zu rechnen?
Due Diligence? Besonders in Krisenzeiten sinnvoll!
Die (enhanced legal) Due Diligence ist auch in Krisenzeiten ein wichtiges Instrument für potentielle Unternehmenserwerber, um auszuloten, ob sich ein Deal trotz – oder gerade wegen – Corona lohnt. Die Erkenntnisse aus der Due Diligence werden vom Erwerber wirtschaftlich bewertet und finden schließlich Eingang in die Vertragsdokumente (wie dem Unternehmenskaufvertrag).
In unserer Blogserie zu „Coronavirus: Handlungsempfehlungen für Unternehmen″ zeigen wir anhand der aktuellen Situation unternehmensbezogene Stolpersteine auf, die in Krisenzeiten zu beachten sind. Bereits erschienen sind Beiträge zu Verhandlungen, Verjährungen und Verfristungen sowie Haftungsfragen bei Absagen von Messen- und Veranstaltungen, zum Datenschutz trotz Corona und zu Möglichkeiten von Aktiengesellschaften zur Cash-Ersparnis sowie Vermögensübertragungen zu steuergünstigen Konditionen. In weiteren Beiträgen gehen wir ein auf die Erstellung eines Notfallplans, auf Vertriebsverträge und Tipps Lieferanten in Krisenzeiten und auf Auswirkungen auf Lebensmittel- und Hygieneverordnungen. Im Anschluss haben wir uns mit der streitigen (gerichtliche) Auseinandersetzung befasst, sind auf kartellrechtliche Auswirkungen sowie die Bedeutung für den Kapitalmarkt eingegangen. Näher befasst haben wir uns auch mit „infizierten″ Vertragsverhandlungen, den Änderungen in Mittel- und Osteuropa sowie mit klinischen Studien und dem neuen EU-Leitfaden für Sponsoren und Prüfärzte. Weiter geht es mit Pflichten zur Abgabe der Steuererklärung und eventuell steuerstrafrechtlichen Haftungsrisiken, dem Moratorium für Zahlungsverpflichtungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmern, Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups, das Kurzarbeitergeld sowie den Erleichterungen für Stiftungen und Vereine und GmbH-Gesellschafterbeschlüsse. Es folgten weitere Beiträge zu Kooperationen im Gesundheitswesen und zu Sachspenden an Krankenhäuser, zum Marktzugang für persönliche Schutzausrüstung und Medizinprodukte, zur Beschlagnahmemöglichkeit von Schutzausrüstung durch den Staat, zu Auswirkungen auf laufende IT-Projekte und dem Trend zu „Corona-Marken″.
Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center auf unserer Website. Und mit unserem Quick Check Wirtschaftsstabilisierungsfonds können Sie in kürzester Zeit herausfinden, ob Ihr Unternehmen für eine Stabilisierungsmaßnahme des WSF in Betracht kommen könnte. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und zu den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie unser CMS Response Team jederzeit gerne an.