Cash Pooling ist ein konzerninternes Finanzmanagementsystem zur Optimierung der Liquiditätsversorgung und Senkung der Finanzierungskosten, welches sich bei Nichtbeachtung der rechtlichen Grenzen zur Haftungsfalle entwickeln kann.
Das Prinzip von Cash Pooling Systemen ist einfach: Den teilnehmenden Konzernunternehmen wird überschüssige Liquidität auf ihren Konten entzogen und im Gegenzug werden Liquiditätsunterdeckungen ausgeglichen. In der Regel wird bei der Konzernmutter ein sogenanntes zentrales „Masterkonto″ geführt, an welches die Konten der unmittelbaren und mittelbaren Tochtergesellschaften angeschlossen sind und über welches der Liquiditätsausgleich erfolgt. Dies führt dazu, dass auf externe Finanzmittel erst zugegriffen werden muss, wenn der konzerninterne Liquiditätsausgleich zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit aller Gesellschaften nicht ausreichend ist. Auf diese Weise können Finanzierungskosten gespart werden.
Formen des Cash Poolings
Cash Pooling Systeme können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen „echtem″ und „unechtem″ Cash Pooling. Beim „echten″ Cash Pooling (auch „physisches″ oder „effektives″ Cash Pooling) werden die Salden auf den Konten der beteiligten Tochtergesellschaften auf das zentrale Masterkonto überführt bzw. ausgeglichen. Es erfolgt somit ein Liquiditätstransfer.
Beim „unechten″ Cash Pooling (auch „notional″ oder „virtuelles″ Cash Pooling) findet hingegen kein Liquiditätstransfer zwischen dem Masterkonto und den Konten der beteiligten Tochtergesellschaften statt. Es wird nur so getan, als ob die Salden der Konten der Tochtergesellschaften über ein Masterkonto ausgeglichen werden. Im Verhältnis zur Bank entsteht dadurch nur ein Saldo, welcher die Grundlage für Soll- und Habenzinsen gegenüber der Bank bildet. Durch das lediglich virtuelle rechnerische Zusammenführen der Banksalden bleiben die Konten der am Cash Pool beteiligten Tochtergesellschaften tatsächlich unverändert.
Im Übrigen wird zwischen Zero und Target Balancing unterschieden. Während die Konten beim Zero Balancing stets vollständig (d. h. Saldo gleich Null) ausgeglichen werden, verbleibt beim Target Balancing ein bestimmter Betrag auf den einzelnen Konten der teilnehmenden Tochtergesellschaften zurück.
Risiken aufgrund nationaler Kapitalschutzregelungen
Cash Pooling ist in Deutschland grundsätzlich zulässig. Gesetzliche Regelungen, die explizit das Cash Pooling und die Ausgestaltung entsprechender Verträge betreffen, gibt es nicht. Dennoch gibt es einige Regelungen, die bei der Durchführung von Cash Pooling im Blick zu behalten sind. Zu beachten sind insbesondere die Vorschriften, die der Aufbringung und dem Schutz des Gesellschaftsvermögens dienen: die Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung.
Das Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsrecht wurzelt im sogenannten Trennungsprinzip und dem damit verbundenen Haftungsprivileg der Gesellschafter. Dieses besagt, dass die Gesellschafter grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Voraussetzung dafür ist, dass die Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen in Höhe des gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglich festgesetzten Haftkapitals aufgebracht haben und der Gesellschaft dieses Vermögen belassen.
Grundsätze der Kapitalaufbringung
Nach den Grundsätzen der Kapitalaufbringung muss die Einlageverpflichtung tatsächlich geleistet werden und der Betrag muss der Gesellschaft zur freien Verfügung stehen. Es muss sichergestellt werden, dass der Betrag nicht über das Cash Pooling wieder zurückgezahlt wird.
Fließt der Einlagebetrag aufgrund des Cash Poolings wieder an den Inferenten zurück, kann dies in bestimmten Konstellationen dazu führen, dass dieser von seiner Einlagepflicht nicht oder nur teilweise befreit ist. Daher empfiehlt es sich, den Einlagebetrag auf ein gesondertes Konto, welches nicht an das Masterkonto angeschlossen ist, einzuzahlen und diesen Betrag ausschließlich für die operative Tätigkeit der Gesellschaft zu verwenden. Besteht zwischen der Konzernmutter und der am Cash Pool teilnehmenden Tochtergesellschaft ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag empfiehlt sich die gleiche Vorgehensweise auch bei der Erfüllung eines Verlustausgleichsanspruch gegenüber einer am Cash Pooling teilnehmenden Tochtergesellschaft. Andernfalls stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Verlustausgleich der Gesellschaft zur freien Verfügung steht und damit wirksam geleistet wurde.
Grundsätze der Kapitalerhaltung
Die Kapitalerhaltungsvorschriften (vgl. § 30 GmbHG, § 57 AktG) haben das Ziel, das von den Gesellschaftern eingebrachte Kapital zum Schutz der Gläubiger zu erhalten und einen Rückfluss an die Gesellschafter zu vermeiden. Daher muss beim Cash Pooling stets darauf geachtet werden, dass die Liquiditätsübertragungen von den einzelnen Konten auf das Masterkonto keine verbotenen Auszahlungen im Sinne von § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG beziehungsweise keine Einlagenrückgewähr im Sinne von § 57 Abs. 1 S. 1 AktG darstellen. Andernfalls kann dies nämlich Haftungsrisiken für die Obergesellschaft und deren Organe sowie die Organe teilnehmender Tochtergesellschaften zur Konsequenz haben.
Während das aktienrechtliche Rückgewährverbot sehr strikt ist und jede Zahlung an Gesellschafter außerhalb eines Bilanzgewinns erfasst (vgl. § 57 AktG), greift das GmbH-rechtliche Auszahlungsverbot nur bei einer Unterbilanz (vgl. § 30 GmbHG). Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Reinvermögen der Gesellschaft unter die Stammkapitalziffer sinkt. Zahlungen im Sinne des Rückgewähr- bzw. Auszahlungsverbots sind Leistungen aller Art, die wirtschaftlich das Gesellschaftsvermögen verringern. Nach den Kapitalschutzvorschriften sind mangels Bilanzgewinn bzw. bei bestehender Unterbilanz Liquiditätsübertragungen beim Cash Pooling von den Konten der Tochtergesellschaften auf das Masterkonto nur insoweit zulässig als entweder (i) ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag besteht oder (ii) die Tochtergesellschaft einen vollwertigen Rückgewähranspruch gegenüber der Konzernmutter hat, welche das Masterkonto hält.
Die Geschäftsleiter der teilnehmenden Gesellschaften haben beim Cash Pooling daher laufend zu überwachen, dass nicht gegen diese Vorschriften verstoßen wird. Bei Gefahr eines Verstoßes sind rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Andernfalls droht den handelnden Geschäftsleitern eine Haftung auf Schadensersatz. Zudem sind die entsprechenden Beträge vom begünstigten Gesellschafter zurückzugewähren, wenn diese unter Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften erbracht wurden (vgl. § 62 Abs. 1 S. 2 AktG; § 31 Abs. 1 GmbHG). Aus diesem Grund ist bei der Erstellung von Cash Pooling Verträgen darauf zu achten, dass ausreichend Informationsrechte und -pflichten sowie Suspendierungs- und Beendigungsmöglichkeiten vereinbart werden, um den Anforderungen der Rechtsprechung an die Einrichtung eines Frühwarn- und Reaktionssystems zur Einhaltung der entsprechenden Schutzvorschriften zu genügen.
Risiken aufgrund nationaler Vorschriften zum Liquiditätsschutz
Neben den Kapitalschutzvorschriften ist bei der Durchführung von Cash Pooling auch auf die Einhaltung sogenannter Liquiditätsschutzvorschriften (vgl. § 64 GmbHG und § 93 AktG) ein besonderes Augenmerk zu richten. Die Geschäftsleiter trifft nach diesen Vorschriften eine Ersatzpflicht für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgen und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar sind. Insolvenzreife meint den Eintritt eines Insolvenzgrundes (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung).
Bestenfalls sollten daher Gesellschaften mit akuten Liquiditätskrisen rechtzeitig vom Cash Pool System abgekoppelt werden und für eine anderweitige Finanzierung der Gesellschaft (z.B. über langfristige Darlehen) gesorgt werden. Auf diese Weise können auch Dominoeffekte und der Zusammenbruch des konzernweiten Cash Managements vermieden werden. Allerdings setzt dies ein funktionierendes Überwachungssystem des Liquiditätsmanagements voraus. Auch hierfür ist daher die Einrichtung eines Frühwarnsystems mit entsprechenden Informationsrechten und -pflichten erforderlich.
Die Liquiditätsschutzvorschriften lassen es dabei aber nicht genügen. Der Liquiditätsbestand der Gesellschaft soll bereits vor Eintritt einer Insolvenzreife geschützt werden, da die Geschäftsleiter ebenfalls für Zahlungen an Gesellschafter persönlich haften, wenn und soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten und dies mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns bzw. Geschäftsleiters erkennbar war (vgl. § 64 Satz 3 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG). Die Aufstellung einer Solvenzprognose für die Gesellschaft ist damit für die Einhaltung der sich aus der Norm ergebenden Pflichten unerlässlich. Nur so können diese sich ein verlässliches Bild von der Liquidität der Gesellschaft im Zeitpunkt einer Zahlung machen. Da beim Cash Pooling die freie Liquidität regelmäßig auf das Masterkonto transferiert wird, hängt die Prognose auch maßgeblich davon ab, wie die Fähigkeit der Konzernmutter sowie des gesamten Konzerns beurteilt wird, den Liquiditätsbedarf der Gesellschaft auch künftig uneingeschränkt über den Cash Pool decken bzw. die von der Gesellschaft in den Cash Pool eingezahlte Liquidität bei Bedarf jederzeit zurückzahlen zu können.
Erfolgen entsprechende Zahlungen auf Veranlassung der Konzernmutter, kommt daneben eine Haftung dieser und ihrer Organe aus §§ 311, 317 AktG bei faktischen Konzernverhältnissen in der AG und eine Haftung der Gesellschafter aus § 826 BGB wegen existenzvernichtenden Eingriffs in Betracht. Darüber hinaus können existenzbedrohende Eingriffe eine Untreuestrafbarkeit (§ 266 StGB) sowohl der Geschäftsleiter der schädigenden Obergesellschaft als auch des Geschäftsleiters der geschädigten Tochtergesellschaft auslösen.
Risiken bei Insolvenz einer teilnehmenden Gesellschaft
Zu beachten ist beim Cash Pooling darüber hinaus, dass Liquiditätsübertragungen von den Konten der Tochtergesellschaften auf das Masterkonto der Insolvenzanfechtung gemäß § 135 Abs. 1 InsO unterliegen können.
Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für eine Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder eine gleichgestellte Forderung
- eine Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder
- Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.
Bisher ist vom BGH noch nicht entschieden, ob und in welcher Höhe die Zahlungsströme innerhalb eines Cash Pools von den Tochtergesellschaften an das Masterkonto nach § 135 InsO angefochten werden können. In der Literatur gibt es hinsichtlich des „Ob″ der Anfechtung Vertreter, welche unter Anwendung des Bargeschäftsprivilegs (vgl. § 142 InsO) eine Anfechtung mit der Begründung ausschließen, dass dem gewährten Darlehen die Möglichkeit gegenüberstehe, dass bei dem Darlehensnehmer Kredit in entsprechender Höhe aufgenommen werden könne.
Umstritten ist auch der Anfechtungszeitraum (ein oder zehn Jahre) und die Berechnung des Anfechtungsanspruchs im relevanten Anfechtungszeitraum. Eine Mindermeinung vertritt die Ansicht, dass die Verrechnungsabrede beim Cash Pooling eine Sicherungsgewährung in Form der Schaffung einer Verrechnungslage darstelle: Mit dem Liquiditätsabfluss auf das Masterkonto sowie in entgegengesetzte Richtung würden jeweils Darlehen gewährt, welche sich in aufrechenbarer Weise gegenüberstünden. Nach dieser Ansicht sind die Zahlungen beim Cash Pooling für einen Zeitraum von zehn Jahren anfechtbar. Die überwiegende Ansicht in der Literatur sieht hingegen in den entgegengesetzten Liquiditätsströmen einen Vorgang mit Tilgungswirkung und qualifiziert diese daher als Befriedigungshandlungen im Sinne von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, was zu einem einjährigen Anfechtungszeitraum führt.
Bezüglich der Berechnung der Höhe des Anfechtungsanspruchs kristallisiert sich als herrschende Meinung eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf Kontokorrentabreden heraus. Diese besagt, dass nicht jede einzelne Liquiditätsübertragung der Anfechtung unterliegt, sondern vielmehr ein Gesamtsaldo für den Anfechtungszeitraum zu bilden ist. Aus dem Differenzbetrag des Gesamtsaldos am Anfang des Anfechtungszeitraums zum Ende des Anfechtungszeitraum ergebe sich die Höhe des Anspruchs.
Cash Pooling auf Basis eines schriftlich ausgearbeiteten Vertrags
Aufgrund der genannten Risiken, welche sowohl für die Gesellschafter als auch für die handelnden Organe bestehen, sollte Cash Pooling nur auf Basis eines schriftlich ausgearbeiteten Cash Pooling Vertrags betrieben werden. In diesem sollte dokumentiert sein, dass die handelnden Personen ein von der Rechtsprechung gefordertes Frühwarn- und Reaktionssystem eingerichtet haben. Selbstverständlich sollten die Beteiligten auch danach handeln. Andernfalls kann sich das Cash Pooling bei Vorliegen einer Unternehmenskrise schnell zur Haftungsfalle für die Beteiligten entwickeln.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.