In der Insolvenz fällt es Lieferanten schwer, ihr Eigentum an Ware zu beweisen, die sie unter Eigentumsvorbehalt an den Schuldner geliefert haben. Oft hilft der Beitritt zu einem Lieferantenpool.
Nicht alles, was sich in der Insolvenzmasse befindet, gehört dem Schuldner. Auch Gegenstände, die sich im Eigentum Dritter befinden, können zunächst einmal Teil der Insolvenzmasse sein. Der jeweilige Eigentümer kann sie aber unter Umständen aus der Masse aussondern, also von dem Insolvenzverwalter ihre Herausgabe verlangen (§ 47 InsO).
Eigentumsvorbehaltsware gehört dem Lieferanten
Dies gilt insbesondere für Eigentumsvorbehaltsware: Wer etwas unter Eigentumsvorbehalt an den Schuldner geliefert hat, bleibt solange Eigentümer, bis der Kaufpreis vollständig bezahlt worden ist (§ 449 BGB). Wird wegen der Insolvenzeröffnung der Kaufpreis nicht oder nur teilweise entrichtet, gehört die Ware nach wie vor dem Lieferanten.
Beispiel 1: Lieferant L und Schuldner S schließen einen Kaufvertrag über 3 Tonnen Weizenmehl. Sie einigen sich auf eine Ratenzahlung und vereinbaren, dass das Eigentum an dem Mehl erst mit der vollständigen Kaufpreiszahlung auf S übergehen soll (Eigentumsvorbehalt). Bevor S die letzte Rate an L zahlt, wird über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.
In diesem Fall kann L von dem Insolvenzverwalter die Herausgabe des Weizenmehls verlangen. Im Gegenzug muss er die bereits erhaltenen Kaufpreisraten zurückzahlen. Der Insolvenzverwalter kann aber die Rückgabe der Ware abwenden, indem er die noch fehlenden Raten aus der Insolvenzmasse leistet.
Nachweis des Eigentums fällt Lieferant schwer
In der Theorie klingt dies für den Lieferanten gut. In der Praxis fällt es ihm jedoch schwer, sein Eigentum zu beweisen.
Beispiel 2: S aus dem Beispiel 1 ist eine Brotfabrik, die ergänzend zu dem Weizenmehl von L weitere Mehlsorten von anderen Lieferanten – auch unter Eigentumsvorbehalt – bezogen hat. Bevor die Kaufpreise vollständig gezahlt wurden, ist in der Fabrik das Mehl der unterschiedlichen Lieferanten miteinander vermischt worden, um Mischbrot herzustellen.
Durch die Vermischung erwerben alle Lieferanten Miteigentum an der Mehl-Mischung (§§ 947, 948 BGB). In Höhe welches Anteils ein jeder von ihnen Miteigentümer geworden ist, bestimmt sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die einzelnen Mehl-Mengen zur Zeit der Vermischung hatten. Dies lässt sich auch mit Hilfe eines Sachverständigen oft nicht feststellen. Denn wenn die Mehlsorten „unserer″ Lieferanten im Silo mit Restbeständen anderer Zulieferer vermengt worden sind, lässt sich nicht mehr aufklären, welche Menge Mehl von welchem Lieferanten herrührt. Die einzelnen Lieferanten haben dann zwar einen Herausgabeanspruch, können aber nicht darlegen, welcher Anteil an der Mischung ihnen gebührt.
Lösung Lieferantenpool – Lieferanten machen ihre Rechte gemeinsam geltend
Um diesen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, können sich Lieferanten zu einem Lieferantenpool zusammenschließen, getreu dem Motto, „Gemeinsam sind wir stark″. Dies ermöglicht es ihnen, ihren Herausgabeanspruch gegen den Insolvenzverwalter „gebündelt″ geltend zu machen. Der Insolvenzverwalter kann in solch einem Fall nicht von jedem einzelnen Lieferanten einen individuellen Eigentumsnachweis verlangen. Denn wenn alle Lieferanten gemeinsam den Herausgabeanspruch geltend machen, kann für das Rechtsverhältnis zum Verwalter offenbleiben, wer welches Mehl geliefert hat.
Auch Schuldner kann Miteigentümer sein
Schwieriger ist es, wenn auch der Schuldner Miteigentum an der Mischung erworben hat. Dies kann passieren, wenn S den Mehl-Mischungen Hefe, die in seinem Eigentum stand, hinzugefügt hat. Ist auch der Schuldner Miteigentümer, haben die Mitglieder des Lieferantenpools keinen Herausgabeanspruch gegen den Insolvenzverwalter. Sie können vom Verwalter nur die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft (Bruchteilsgemeinschaft) verlangen (§ 84 InsO und § 749 BGB).
Praktisch funktioniert dies so, dass der Verwalter versucht, für das Mehl-Hefe-Gemisch einen Käufer, etwa eine andere Großbäckerei, zu finden. Aus einem so erzielten Veräußerungserlös werden die Lieferanten mit Vorrang befriedigt. Der Verwertungserlös steht also nicht allen Gläubigern gemeinschaftlich, sondern in erster Linie den Lieferanten zu, damit ihre Kaufpreis-Ansprüche erfüllt werden können. Soweit der Schuldner Eigentümer des Mehl-Hefe-Gemischs war, also in Höhe eines Anteils, der dem Wert der Hefe entspricht, gebührt der Veräußerungserlös der Insolvenzmasse.
Herstellung einer neuen Sache: Aus Mehl wird Brot
Die Lieferanten verlieren ihr Eigentum und damit auch ihren Herausgabeanspruch, wenn der Schuldner die Ware zu einer neuen Sache verarbeitet.
Beispiel 3: Die Großbäckerei S aus den obigen Beispielen hat aus dem Mehl, das sie von unterschiedlichen Lieferanten bezogen hat, das Mischbrot hergestellt.
Eigentümerin des Brotes ist allein die insolvente S (§ 950 BGB). Die Eigentumsrechte der Lieferanten sind erloschen. Sie haben zwar nach wie vor den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises. Dieser ist aber eine einfache Insolvenzforderung, die nur anteilig befriedigt wird.
Um dies zu verhindern, müssen die Lieferanten mit S im Vorfeld vereinbaren, dass sich ihr Eigentum an einer neu hergestellten Sache fortsetzt (verlängerter Eigentumsvorbehalt). In diesem Fall haben sie ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös, den der Insolvenzverwalter durch die Veräußerung der neu hergestellten Sache erzielt.
Der Lieferantenpool ist eine GbR
Der Lieferantenpool ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB). Gesellschaftszweck ist die gemeinsame Durchsetzung der Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter. Sobald der Insolvenzverwalter Sachen oder Veräußerungserlöse an den Pool ausgekehrt hat, werden sie unter den Pool-Mitgliedern verteilt. Ist dies geschehen, ist der Gesellschaftszweck erreicht.
Die Initiative zur Bildung eines solchen Pools geht oft von den Warenkreditversicherern der Lieferanten aus. Es kommt aber auch häufig vor, dass der Insolvenzverwalter, mitunter auf Anregung der Warenkreditversicherer, die Pool-Bildung initiiert. Denn dem Verwalter erleichtert es die Abwicklung, wenn er einen einheitlichen Ansprechpartner hat.
Damit der Pool mit einer Stimme sprechen kann, wird eine geeignete Person, oft ein Rechtsanwalt, zum Pool-Führer bestellt. Der Gesellschaftsvertrag, den die Pool-Mitglieder schließen, wird Pool-Vertrag genannt. Er regelt, wie die zu erlangenden Gegenstände unter den Mitgliedern verteilt werden und welche Vergütung der Pool-Führer erhält.
Teilnahme am Lieferantenpool ist freiwillig
Der Beitritt zu einem Pool ist freiwillig. Kein Lieferant kann hierzu gezwungen werden. Allerdings ist bei Fällen der Vermischung und Verarbeitung die Mitgliedschaft im Lieferantenpool oft die einzige Möglichkeit, um Rechte aus dem Eigentumsvorbehalt durchzusetzen. Ist hingegen die gelieferte Ware noch unterscheidbar in der Insolvenzmasse vorhanden, kann der Lieferant in der Regel auch ohne Pool-Mitgliedschaft die Aussonderung von dem Insolvenzverwalter verlangen.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.