Seit dem 1. Januar 2021 gelten höhere Anforderungen an das Eigenverwaltungsverfahren. Bessere Vorbereitung und strengere Vorgaben sollen den Erfolg sichern.
Zum 1. Januar 2021 traten im Rahmen des Sanierungsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) unter anderem umfangreiche Änderungen in der Insolvenzordnung in Kraft. Dazu gehören insbesondere die §§ 270 bis 270f InsO, die das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung modifizieren und den Zugang zum Verfahren unter erhöhte Anforderungen stellen.
Änderung zum Eigenverwaltungsverfahren: Missbrauchsvorbeugung und Zugangsbeschränkung
Im Jahr 2012 trat das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Kraft. Ziel des Gesetzes war es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung notleidender Unternehmen zu verbessern und zu verhindern, dass das Insolvenzverfahren primär – wie in der Vergangenheit oft – die Liquidation des Unternehmens zur Folge hat.
Als wichtiges Instrument zur Erreichung dieses Ziels wurde das (vorläufige) Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eingeführt. Wesentlicher Vorteil des Eigenverwaltungsverfahrens ist, dass die Geschäftsführung verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibt und es ihr so ermöglicht wird, die Sanierung, in Begleitung eines Sachwalters, überwiegend eigenständig durchzuführen. Der Sachwalter fungiert lediglich als Überwachungsorgan, kann jedoch durch das Gericht gewisse Kompetenzen zugesprochen bekommen.
Die neuen Regelungen seit 1. Januar 2021 sind nun das Ergebnis der Evaluation dieses Gesetzes. Die klare Leitlinie war dabei, Missbrauch vorzubeugen und nur solchen Unternehmen den Zugang zum Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu erlauben, die hierfür auch geeignet sind. Dadurch soll vor allem das Ansehen und die Wahrnehmung dieses speziellen Insolvenzverfahrens am Markt geschützt werden.
Die neuen Regelungen gelten grundsätzlich für alle Verfahren, die nach dem 1. Januar 2021 beantragt werden. Eine Sonderregelung gibt es hingegen für besonders von der COVID-19-Pandemie betroffene Unternehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen gelten für sie die weniger strengen Regelungen nach bisher geltendem Recht.
Kernelement der neuen Regelungen: Die Eigenverwaltungsplanung
Nach den neuen Vorschriften ist die Eigenverwaltung anzuordnen, wenn die Anordnungsvoraussetzungen für die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270b InsO vorliegen und kein Aufhebungsgrund nach § 270e InsO gegeben ist. Als Kernelement muss der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung dabei eine sogenannte „vollständige und schlüssige Eigenverwaltungsplanung″ enthalten, die auf zutreffenden Tatsachen beruht.
Diese Eigenverwaltungsplanung muss nach dem neuen Gesetz (§ 270a InsO) insbesondere folgende Punkte umfassen:
- Einen Finanzplan für die kommenden sechs Monate, welcher eine nachvollziehbare Liquiditätsplanung enthält und aufzeigt, dass neben den Fortführungskosten auch die Verfahrenskosten gedeckt sind,
- Ein Konzept zur Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens mit der Darstellung des Ausmaßes und der Ursachen der Krise sowie der Ziele der Eigenverwaltung und der geplanten Maßnahmen zur Erreichung des Ziels,
- Einen Bericht über den Stand der Verhandlungen mit Gläubigern, Gesellschafter und betroffenen Dritten,
- Die Nennung von Vorkehrungen, die gewährleisten, dass insolvenzrechtliche Pflichten gewahrt werden und
- Eine Vergleichsrechnung, dass die Kosten der Eigenverwaltung geringer sind als die des Regelverfahrens.
Neben diesen wesentlichen Elementen muss die Eigenverwaltungsplanung unter anderem auch eine Angabe zu Zahlungsrückständen gegenüber bestimmten Gläubigern, wie z.B. Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträgern, und über die Einhaltung von Buchführungsvorschriften enthalten.
Während nach der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Rechtslage für die Anordnung der Eigenverwaltung die Begründung ausreichend war, dass die Anordnung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, hat das Gesetz die Anforderungen nun verschärft. Die alte Regelung führte nach Ansicht des Gesetzgebers zu einer uneinheitlichen Handhabung des Eigenverwaltungsverfahrens und zur Rechtsunsicherheit in der Praxis. Durch die nun strengeren Voraussetzungen soll dies für die Zukunft verhindert werden.
Da einzelne Elemente der Eigenverwaltungsplanung nur in speziellen Fällen entbehrlich sind, bedarf es einer sorgfältigen und umfassenden Vorbereitung der Dokumente und damit des gesamten Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Dies wird ein Insolvenzschuldner kaum ohne sachverständige Berater meistern können.
Die Rolle des vorläufigen Gläubigerausschusses
Der vorläufige Gläubigerausschuss nimmt auch nach dem neuen Recht eine besondere Stellung ein. So ist das Gericht an einen einstimmigen, die Eigenverwaltung unterstützenden Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses gebunden.
Im Gegenzug kann sich der vorläufige Gläubigerausschuss aber grundsätzlich auch gegen die Anordnung der Eigenverwaltung aussprechen und so die Aufhebung durch das zuständige Gericht erreichen. Vor den wesentlichen Entscheidungen des Gerichts, insbesondere vor der Aufhebung des Verfahrens auf Antrag eines anderen Beteiligten, ist der vorläufige Gläubigerausschuss anzuhören.
Fazit: Mögliche Erschwerung für Schuldner trotz im Kern sinnvoller Neuregelungen
Der Grundgedanke der Neuregelung, ein Ausufern der Eigenverwaltungsverfahren zu verhindern, ist nachvollziehbar. Die neuen Regelungen zur Eigenverwaltungsplanung sind geeignet und sinnvoll, um dieses Ziel zu erreichen und verdienen damit grundsätzlich Zuspruch.
Nichtsdestotrotz könnte durch die neuen, sehr hohen Anforderungen vielen Unternehmen der Zugang zum Eigenverwaltungsverfahren erheblich erschwert werden. Dieses Verfahren bietet Vorteile, die sich entscheidend auf die Erfolgsaussichten der Sanierung auswirken können. Gerade auch für mittelständische Unternehmen, die von der Corona-Krise gebeutelt sind, stellt dies eine echte Chance dar. Durch die erhöhten Anforderungen an die Antragstellung wird jedoch eine oft aufwendige Vorbereitung notwendig, die ohne fachkundige Berater kaum möglich sein wird – eine Hürde, die manches Unternehmen sicherlich nicht rechtzeitig nehmen können wird.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Nachdem wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt haben, sind wir auf die Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement nach § 1 StaRUG sowie auf die Neuerungen bei Sanierung von Konzernen eingegangen.