28. Januar 2021
Drittsicherheiten
Restrukturierung und Insolvenz

Neuerungen im Sanierungsrecht für Konzerne: Einbeziehung von Drittsicherheiten im Insolvenzplan und im präventiven Restrukturierungsrahmen

Mit dem SanInsFoG wurde die Möglichkeit geschaffen, konzerninterne Drittsicherheiten einzubeziehen und Folgemaßnahmen zu vermeiden.

Das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Sanierungs- und Insolvenzfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) ändert das deutsche Sanierungsrecht mit der Einführung des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG) maßgeblich. Der hierdurch eingeführte präventive Restrukturierungsrahmen soll die Restrukturierung von Unternehmen im frühen Krisenstadium ermöglichen und setzt daher bereits an der drohenden Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens an (vgl. Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement der Geschäftsleiter).

Mit dem SanInsFoG hat der Gesetzgeber zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, dass sowohl in dem im StaRUG geschaffenen Instrument des Restrukturierungsplans als auch im „klassischen″ Insolvenzplanverfahren der Insolvenzordnung (InsO) Sicherheiten, die von einem gruppenzugehörigen Unternehmen gestellt wurden (gruppeninterne Drittsicherheiten), gestaltet werden können. Das Gesetz regelt ausdrücklich, dass die Übernahme einer Haftung als Bürge, Mitschuldner oder in anderer Weise sowie die Haftung an Gegenständen von gruppeninternen Unternehmen in den Restrukturierungs- oder Insolvenzplan einbezogen werden kann. 

Vorteil: Sanierungsmaßnahmen auf Ebene der Konzerngesellschaft können verhindert werden

Diese bisher in der Insolvenzordnung nicht vorgesehene Möglichkeit bewirkt, dass beispielsweise auf die Inanspruchnahme einer konzernintern gestellten Drittsicherheit verzichtet werden kann, sodass das die Sicherheit stellende Unternehmen geschont und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder Maßnahmen nach dem StaRUG für dieses Unternehmen nicht erfolgen müssen. Folgeinsolvenzen oder Sanierungsmaßnahmen auf der Ebene der Konzerngesellschaft können so verhindert werden. Dieser Schritt des Gesetzgebers ist daher zu begrüßen.

Positiv anzumerken ist dabei, dass die Möglichkeit, Drittsicherheiten einzubeziehen, während des Gesetzgebungsprozesses von Sicherheiten von Tochterunternehmen auf Sicherheiten aller konzernverbundenen Unternehmen erweitert wurde. Richtigerweise ist die Interessenlage dieselbe und die vom Gesetzgeber getroffene Entschädigungsregel kann nicht nur auf Tochterunternehmen, sondern auf alle verbundenen Unternehmen angewandt werden. Die Ausweitung ist entsprechend zweckmäßig und ebenfalls zu begrüßen.

Einbeziehung von Drittsicherheiten im StaRUG 

Im StaRUG werden Drittsicherheiten in den Restrukturierungsplans einbezogen (§ 2 Abs. 4 StaRUG). Dabei steht im Vordergrund, dass den Sicherungsnehmern von Drittsicherheiten, wenn in ihre Rechte eingegriffen wird, eine angemessene Entschädigung (nach dem Regierungsentwurf: aus dem Vermögen des Schuldners) zustehen soll. 

Im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans sind die Verhältnisse des verbundenen Unternehmens darzustellen. Im gestaltenden Teil werden die Rechte aus der Drittsicherheit gestaltet. Sicherungsnehmer von Drittsicherheiten bilden im Planverfahren dann eine eigene Gruppe (§ 9 Abs. 1 StaRUG). Das StaRUG regelt auch, wie Sicherungsnehmer von Drittsicherheiten in Bezug auf die absolute Prioritätsregel und deren Durchbrechung gestellt werden sollen (§§ 26 Abs. 2 StaRUG): Ihnen steht eine angemessene Entschädigung zu, wenn die erforderliche Mehrheit von drei Viertel in ihrer Gruppe nicht erreicht wurde und die Zustimmungsfiktion des § 25 StaRUG oder die absolute Prioritätsregel und deren Durchbrechung in §§ 26, 27 StaRUG greifen.

Auch ist es möglich, dass die im StaRUG vorgesehene Vollstreckungs- und Verwertungssperre auf die Drittsicherheit erstreckt wird (§ 49 Abs. 3 StaRUG). Nicht zuletzt kann dem Restrukturierungsbeauftragten die Aufgabe zukommen, die Planbeteiligten darauf hinzuweisen, wenn die Höhe von Drittsicherheiten streitig oder zweifelhaft ist und auf die Klärung der Höhe des Stimmrechts hinzuweisen (§ 76 StaRUG). Wie bereits in den Unterlagen zur Gesetzgebung angemerkt, kann der Wert von Drittsicherheiten aufgrund von Kapitalerhaltungsvorschriften unter Umständen gemindert sein und ein voller Zugriff auf die Sicherheit daher ausgeschlossen sein (vgl. S. 131 des Regierungsentwurfes zum SanInsFoG).

Einbeziehung in der InsO: nur im Insolvenzplanverfahren 

Der Einbezug von Drittsicherheiten in die InsO ist im Insolvenzplanverfahren entsprechend zu dem Verfahren im Restrukturierungsplan (§§ 217 Abs. 2, 223a, 238b, 245 Abs. 2a InsO). Auch hier gilt, dass die Zustimmungsfiktion für die Gruppe der Sicherungsnehmer von Drittsicherheiten nur greift, wenn eine angemessene Entschädigung vorgesehen ist. 

Anders als im StaRUG sieht das Insolvenzverfahren die Einbeziehung von Drittsicherheiten in die Anordnung des Gerichtes, Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen (§ 21 Abs. 2 InsO), nicht ausdrücklich vor. Dies führt dazu, dass zwischen Insolvenzantragsstellung über das Vermögen des Hauptschuldners und der Rechtskraft des Insolvenzplans die Inanspruchnahme der Drittsicherheit weiter möglich ist. Insoweit werden weiter Erklärungen der besicherten Gläubiger erforderlich sein, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Sicherungsgeberin vermieden werden soll.

Offene Frage: Angemessene Entschädigung

Sowohl in den Unterlagen zur Gesetzgebung als auch im veröffentlichten SanInsFoG bleibt jedoch die Frage offen, wie die Höhe der angemessenen Entschädigung zu bestimmen ist. Diese soll den Sicherungsgläubigern als Kompensation dafür zustehen, dass ihre Rechte an der Drittsicherheit umgestaltet werden. Der an sich positiv einzustufenden Regelung, dass Sicherungsnehmer durch die angemessene Entschädigung nicht vollständig ihrer Rechte beschnitten werden sollen, wohnt damit ein kleiner Wehrmutstropfen inne. Es ist zu befürchten, dass eine angemessene Entschädigung sich nicht anders als durch ein Gutachten bestimmen lässt, was aufgrund des Zeit- und Kostenaufwandes zumindest dem Gedanken des Restrukturierungsplans zuwider läuft. Auch könnten Planbetroffene aufgrund der Unklarheit schlicht von dieser an sich sinnvollen Möglichkeit, konzernintern gestellte Drittsicherheiten einzubeziehen, absehen. Wenn die Angemessenheit einer Entschädigung durch Zustimmung der Gruppe zur Entschädigungshöhe gesichert wäre, könnte diese Hürde überwunden werden.

Fazit: Positive Neuerung für Konzerne mit offenen Fragen

Die Restrukturierungsmöglichkeiten für Konzerne wurden mit dem StaRUG generell und insbesondere durch die neu hinzugefügten Möglichkeiten, Drittsicherheiten im StaRUG und der InsO einzubeziehen, ausgeweitet. Dies passt sich der Realität an, dass Restrukturierungen im Konzern oft an die Frage stoßen, ob und wie Drittsicherheiten in Anspruch genommen werden und wie das Gleichgewicht im Konzern dadurch erhalten werden kann. Abzuwarten ist, wie sich Gläubiger und Insolvenzgerichte in Bezug auf die angemessene Entschädigung verhalten werden.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. MasseforderungVerkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das  französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Nachdem wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt haben, sind wir auf die Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement nach § 1 StaRUG sowie auf die Neuerungen bei Sanierung von Konzernen eingegangen. 

Tags: Drittsicherheiten Insolvenzplan Präventiver Restrukturierungsrahmen Sanierung SanInsFoG StaRUG