11. November 2019
Aufgabe Sachwalter
Restrukturierung und Insolvenz

Aufgaben des Sachwalters in der Eigenverwaltung

Der Sachwalter nimmt Aufgaben wahr, die der Schuldner selbst wegen der gegenläufigen Interessen der Gläubigergesamtheit nicht erledigen kann.

Obwohl in der Eigenverwaltung der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen behält, ist der Sachwalter eine wichtige Figur im Verfahren. Seine Aufgaben liegen u.a. in der Überwachung des Schuldners, Führung der Insolvenztabelle, Übernahme der Kassenführung und Anzeige der Masseunzulänglichkeit.

Überwachung des Schuldners

Zuvorderst muss der Sachwalter den Schuldner überwachen (§ 274 Abs. 1 InsO). Insbesondere muss er die vom Schuldner zu erstellenden Vermögens- und Gläubigerverzeichnisse prüfen (§ 281 InsO).

Zur Erfüllung seiner Überwachungsaufgaben hat der Sachwalter dieselben Rechte wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter (§ 274 Abs. 2 InsO): Er darf die Geschäftsräume des Schuldners betreten, Nachforschungen anstellen sowie Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere nehmen. Der Schuldner ist verpflichtet, dem Sachwalter alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Gewinnt der Sachwalter den Eindruck, dass aufgrund der Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger drohen, muss er dies unverzüglich dem Gericht und dem Gläubigerausschuss anzeigen (§ 274 Abs. 3 InsO). Unterlässt er diese Mitteilung, kann er persönlich für Schäden haftbar sein.

Führung der Insolvenztabelle

Der Sachwalter führt zudem die Insolvenztabelle. In der Eigenverwaltung müssen die Gläubiger ihre Forderungen deshalb beim Sachwalter anmelden. Im Prüfungstermin, in dem beim Insolvenzgericht die angemeldeten Forderungen geprüft werden, hat der Sachwalter ein eigenes Widerspruchsrecht. Er kann also angemeldete Forderungen bestreiten, selbst wenn der Schuldner keine Einwände erhebt (§ 283 InsO).

Die (quotale) Befriedigung der angemeldeten Forderungen obliegt zwar dem Schuldner. Der Sachwalter muss aber die Verteilungsverzeichnisse (also die Listen, aus denen sich ergibt, welcher Betrag an welchen Insolvenzgläubiger gezahlt wird) prüfen und erklären, ob sie aus seiner Sicht zutreffend sind (§ 283 InsO).

Übernahme der Kassenführung

Auf Verlangen des Sachwalters ist der Schuldner verpflichtet, dem Sachwalter die Kassenführung zu übertragen (§ 275 Abs. 2 InsO). Dies bedeutet, dass nur der Sachwalter eingehende Zahlungen entgegennehmen und ausgehende Zahlungen freigeben darf. Hierdurch soll zum Schutze der Gläubiger verhindert werden, dass der Schuldner unwirtschaftliche Geschäfte abschließt.

Ob er die Übertragung der Kassenführung verlangt, entscheidet der Sachwalter nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei muss er berücksichtigen, dass dieser Schritt ein gravierender Eingriff in die Rechte des Schuldners ist. Denn in der Eigenverwaltung soll der Schuldner gerade die volle Verfügungsbefugnis behalten. Der Sachwalter wird sein Verlangen auf die Fälle beschränken, in denen aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Gefahr besteht, dass der Schuldner seine Verfügungsbefugnis zulasten der Gläubiger missbraucht. Besteht aber eine solche Gefahr, ist im Grunde ein Wechsel in das Regelverfahren fasst schon zwingend. Deshalb bleibt für die Übernahme der Kassenführungsbefugnis durch den Sachwalter nur ein schmaler Anwendungsbereich, z. B. wenn Gläubiger dies als Voraussetzung ihrer Zustimmung zur Eigenverwaltung fordern.

Geltendmachung von Haftungs- und Anfechtungsansprüchen

Die besondere Bedeutung des Sachwalters lässt sich zudem daran erkennen, dass nur er befugt ist, Schadensersatzansprüche (etwa wegen Insolvenzverschleppung) gegen die Organe des Schuldners und Insolvenzanfechtungsansprüche gegen diejenigen, die in der Krise Gelder erhalten haben, geltend zu machen (§ 280 InsO). Der Sachwalter ist dabei Partei kraft Amtes und führt Rechtsstreite im eigenen Namen und in seiner Eigenschaft als Sachwalter, also nicht im Namen des Schuldners.

Anzeige der Masseunzulänglichkeit

Verbindlichkeiten, die nach der Insolvenzeröffnung begründet werden, sind Masseverbindlichkeiten. Stellt sich nach Verfahrenseröffnung heraus, dass die Insolvenzmasse noch nicht einmal ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken, ist das Verfahren einzustellen. Reicht die Masse dagegen zwar aus, um die Verfahrenskosten zu decken, nicht aber die Verbindlichkeiten aus der laufenden Abwicklung im Verfahren, liegt eine Masseunzulänglichkeit vor. Die Einstellung wegen Massearmut oder aber der Eintritt der Masseunzulänglichkeit im Verfahren stellen erhebliche Eingriffe in die Rechte der Gläubiger dar, die wirtschaftlich betrachtet ihre Forderungen verlieren oder aber nicht mehr durchsetzen können.

Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit beim Insolvenzgericht darf daher auch in der Eigenverwaltung nicht dem Schuldner obliegen. Er könnte andernfalls die Anzeige der Masseunzulänglichkeit dazu missbrauchen, um sich Masseverbindlichkeiten zu entledigen. Deshalb sieht das Gesetz vor, dass allein der Sachwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit anzeigt (§ 285 InsO). Dies setzt wiederum voraus, dass der Sachwalter eigenverantwortlich und fortlaufend prüft, ob die Insolvenzmasse noch ausreicht, um die laufenden Masseverbindlichkeiten zu decken.

Der vorläufige Sachwalter im Eröffnungsverfahren

Bereits während des Eröffnungsverfahrens, d.h. in der Zeit zwischen dem Insolvenzantrag und der Verfahrenseröffnung, stellt das Gericht dem Schuldner einen vorläufigen Sachwalter zur Seite. Die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters richten sich danach, ob der schuldnerische Antrag auf Eigenverwaltung offensichtlich aussichtslos ist oder nicht.

Drohen den Gläubigern nicht offensichtlich Nachteile durch die Eigenverwaltung, ist der Antrag also aussichtsreich, bestimmt § 270a Abs. 1 InsO, dass das Gericht dem Schuldner weder ein Verfügungsverbot noch einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt auferlegen soll. Damit ist die Norm eine Ausnahme zur Möglichkeit des Gerichts im Regelverfahren nach § 21 Abs 2 Nr. 2 InsO einen sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen. Der Schuldner soll selbständig handlungsfähig bleiben.

Andererseits muss der Schuldner natürlich auch bereits im Antragsverfahren überwacht werden, so dass ihm auch in diesem Verfahrensabschnitt ein Sachwalter, nämlich der vorläufige Sachwalter zur Seite gestellt wird. Die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters richten sich weitestgehend nach den vorstehend erläuterten Rechten des Sachwalters im eröffneten Verfahren nach §§ 274, 275 InsO.

Haftung des Sachwalters

Zu unterscheiden ist zwischen der Haftung des Sachwalters wegen der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten und seiner Haftung für die Erfüllung von Masseverbindlichkeiten. Während der Insolvenzverwalter in beiden Fällen haftet, haftet der Sachwalter nur, wenn er insolvenzspezifische Pflichten verletzt; etwa seine Pflicht, den Schuldner zu überwachen.

Für die Erfüllung von Masseverbindlichkeiten haftet der Sachwalter nicht. Denn er kann auf die Begründung von Masseverbindlichkeiten keinen Einfluss nehmen, weil der Schuldner im Rahmen seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die Geschäfte weiterführt.

Eine wichtige Ausnahme gilt aber dann, wenn die Kassenführung auf den Sachwalter übertragen wurde: In diesem Fall obliegt dem Sachwalter die insolvenzspezifische Pflicht, zu prüfen, ob die Neuverbindlichkeiten aus dem Kassenbestand bedient werden können. Stellt er fest, dass der Kassenbestand hierfür nicht ausreicht, und weist er den Gläubiger der Masseverbindlichkeit hierauf nicht hin, haftet er im Ergebnis auch für die Nichterfüllung solcher Masseverbindlichkeiten.

Vergütung des Sachwalters für seine Aufgaben

Ebenso wie der Insolvenzverwalter kann der Sachwalter eine Vergütung für seine Tätigkeit und eine Erstattung seiner angemessenen Auslagen verlangen. Auch seine Vergütung richtet sich nach dem Wert der Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung.

Allerdings ist die Vergütung des Sachwalters geringer als jene des Insolvenzverwalters, weil der Sachwalter im Vergleich zum Insolvenzverwalter weniger Aufgaben hat. Im Regelfall erhält der Sachwalter 60 % der Vergütung, die einem Insolvenzverwalter zustünde.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das  französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten, die Grundlagen der Insolvenzanfechtung auf und informieren über Grenzüberschreitende Insolvenzen und die reformierte EuInsVO.

Tags: Aufgabe Gläubigerausschuss Gläubigerversammlung Insolvenzanfechtung Insolvenztabelle Insolvenzverfahren Masseunzulänglichkeit Sachwalter